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Die Philosophie sucht nach der Wahrheit - und hat bis heute nur eine Menge konkurrierender Wahrheiten gefunden. Im 19. Jahrhundert riskierten Denker wie Marx, Nietzsche und Kierkegaard einen radikalen Bruch: Sie setzten ihre eigenen Wahrheiten wie einen Befehl in die Welt. Damit war jene Anti-Philosophie geboren, die für Boris Groys das Wahrheitsverständnis der Gegenwart verkörpert. Seine Porträts großer Anti-Philosophen stellen dieses Denken zum ersten Mal in einem Zusammenhang dar: von Kierkegaard über Heidegger bis Derrida. Eine Philosophiegeschichte der besonderen Art - aber auch eine Anleitung für ein Denken auf der Höhe der Zeit.…mehr

Produktbeschreibung
Die Philosophie sucht nach der Wahrheit - und hat bis heute nur eine Menge konkurrierender Wahrheiten gefunden. Im 19. Jahrhundert riskierten Denker wie Marx, Nietzsche und Kierkegaard einen radikalen Bruch: Sie setzten ihre eigenen Wahrheiten wie einen Befehl in die Welt. Damit war jene Anti-Philosophie geboren, die für Boris Groys das Wahrheitsverständnis der Gegenwart verkörpert. Seine Porträts großer Anti-Philosophen stellen dieses Denken zum ersten Mal in einem Zusammenhang dar: von Kierkegaard über Heidegger bis Derrida.
Eine Philosophiegeschichte der besonderen Art - aber auch eine Anleitung für ein Denken auf der Höhe der Zeit.
Autorenporträt
Groys, BorisBoris Groys, 1947 in Ost-Berlin geboren, studierte in Leningrad. 1981 verließ er die UdSSR und lehrte seit 1994 Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Internationale Lehrtätigkeiten, zuletzt als Professor für russische und slawische Studien an der New York University. Bei Hanser erschien zuletzt: Einführung in die Anti-Philosophie (2009).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.09.2009

Sie mögen sich hassen, gehören aber zum selben Stamm
Ein erhellender Testbericht und ein intellektueller Genuss: Boris Groys begutachtet die Meisterdenker der „Anti-Philosophie”
Dass es der Philosophie um die Wahrheit geht, ist uns seit Platon bekannt. Worum es der Anti-Philosophie geht, lehrt uns Boris Groys in seinem neuen Buch. Natürlich will Anti-Philosophie laut ihrem Vordenker Groys die Wahrheit keineswegs verabschieden oder die Sophistik rehabilitieren (das würde selbst der Anti-Anti-Philosoph Alan Badiou nicht behaupten wollen, von Großmeister Sloterdijk ganz zu schweigen). Anti-Philosophie ist, so Groys, vielmehr eine neue Verkaufsstrategie für die alten Hüte des Denkens. Sie begann, als die Philosophen irgendwann im 19. Jahrhundert (ganz genau weiß das Groys selbst nicht) erkannten, dass sie mit „Wahrheit durch kritischen Diskurs” über ein praktisch unverkäufliches Produkt verfügten. Im Kaufhaus der Ideen war diese Art Wahrheit zum Ladenhüter geworden – zu oft ausgepackt, begrabbelt und wieder ins Regal zurückgelegt.
Glücklicherweise haben die Philosophen angesichts solcher trüber Aussichten nicht etwa resigniert, sondern haben, so Groys, ihr Produkt neu gestylt und, vor allem, attraktiver verpackt. Auf den Markt kam nun die Baureihe „Wahrheit durch Evidenz”, die sich nach Adaption eines bestimmten Weltbildes oder einer bestimmten ethischen Haltung oder Gesinnung von selber einstellt und nicht mehr vom Konsumenten erarbeitet werden muss wie das Vorgängermodell „Wahrheit als Kritik”. Der Philosophieprüfer Groys legt nun einen ersten, breit angelegten Testbericht vor.
Der besteht aus einem runden Dutzend verstreuter, überwiegend in englischer Sprache verfasster Aufsätze aus den letzten zehn Jahren zu allen wichtigen Strömungen der Anti-Philosophie der letzten hundertfünfzig Jahre.
Beiträge zu prominenten (und erwartbaren) Widersachern der kritisch-rationalistischen Aufklärung – Kierkegaard, Heidegger, Benjamin, Kojève und Derrida – finden sich darin ebenso wie zu Medientheoretikern verschiedener Epochen und durchaus heterogenen Zuschnitts (leicht schrill wirkt etwa die Kombination von Ephraim Lessing, Clement Greenberg und Marshall McLuhan). Der Gesamtkunstwerker Richard Wagner ist so selbstverständlich vertreten wie der Großliterat Ernst Jünger.
Zuweilen bindet Groys mit seiner Blütenlese der vermeintlichen Anti-Philosophie zusammen, was aus der Sicht strenger Ideengeschichtler auf haarsträubende Weise gerade nicht zusammengehört. Aber der Leser findet dafür viele erhellende Gedanken, Aperçus und originelle Beobachtungen, die Groys in fast schelmischer Manier, aber durchaus in kritischer Absicht vorträgt, um den Meisterdenkern von Heidegger bis Derrida immer wieder Begründungslücken, Argumentationsbrüche und logische Inkonsistenzen nachzuweisen.
Hervorzuheben ist insbesondere sein geradezu leichtfüßiger Umgang mit den schwergewichtigen Philosophen und Künstlern der russischen Renaissance und der Avantgarde der Stalin-Zeit – also die Epoche von Dostojewski, Schestow, bis Malewitsch, Bachtin und Bulgakow. Gerade hier trifft der ausgewiesene Kenner des osteuropäischen Denkens mit schlafwandlerischer Sicherheit den nervus anti-philosophicus, also jenen Reizpunkt, an dem kritisch-konstruktive Philosophie in ihr Gegenteil, eben ihr „Anti” umschlägt, indem sie rational zu begründen versucht, warum sie das Feld der rationalen Argumentation verlassen und unversehens in das Register der Offenbarung einer vermeintlich höheren Einsicht wechseln darf. Diese Aufsätze sind nicht nur ein intellektueller Genuss, sondern veritable Kabinettstückchen unaufdringlicher, aber nachhaltiger philosophischer Argumentationskultur.
Leider aber weiß Boris Groys am Ende selbst nicht allzu viel mit seinen eigenen, zumeist scharfsichtigen Diagnosen anzufangen. Wenn er in der Einleitung ankündigt, sich getreu seinem Lehrer Husserl in Urteilsenthaltung zu üben, klingt das fast wie ein Eingeständnis – dass er selbst nicht recht weiß, was das von ihm kreierte Schlagwort „Antiphilosophie” meint. Diese Unsicherheit des Autors (die sich zuweilen auf den Leser überträgt) ist verständlich, wenn man bekennt, dass schon lange vor dem 19. Jahrhundert selbst Denker der „Wahrheit als Kritik” durchaus um die Beschränktheit ihres Verfahrens wussten. Selbst die Königsberger Aufklärung vermochte offensichtlich nicht auf einen Schuss „Wahrheit als Evidenz” und auf einen kühnen Befehl zu verzichten: Die berühmte Formel sapere aude! bedeutet ja, dass man erst sein Denkverhalten ändern muss, bevor man evidenter einzusehen vermag, welchen Gewinn man aus dem Selberdenken ziehen kann.
Für den philosophisch geneigten Leser hält das Buch daher implizit eine erfreuliche Botschaft bereit: Anti-Philosophie und Philosophie sind so etwas wie zweieiige Zwillinge; sie mögen sich hassen, gehören aber zum selben Stamm. Wahrscheinlich werden wir bald von einer Kritik der Anti-Philosophie lesen. Uns Leser soll’s freuen: Beide zusammen garantieren einen steten Nachschub im Warenhaus der Ideen. MATTHIAS KROSS
BORIS GROYS: Einführung in die Anti-Philosophie. Carl Hanser Verlag, München 2009. 290 Seiten, 21,50 Euro.
Der Philosoph Boris Groys lehrt in Karlsruhe. Foto: Barbara Niggl Radloff
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Leichtfüßig und scharfsichtig sind Boris Groys' Aufsätze zur "Antiphilosophie", gesteht Rezensent Matthias Kross. Dabei scheint es Kross fast ein wenig zu ärgern, dass er die Texte über Heidegger, Bachtin, McLuhan und andere – mithin der gesamten Riege der rationalitätskritischen Philosophen und Medientheoretiker der letzten 150 Jahre – so gekonnt findet. Spöttisch ernennt er Groys zum Vordenker der Antiphilosophie und bescheinigt ihm sogar "schlafwandlerische Sicherheit" im Umgang mit den russischen Denkern der Avantgarde-Zeit. Bei all dem intellektuellen Plaisir das Kross – auch gerade an Groys origineller Verknüpfung heterogener Denker – hat, bleibt der Begriff der "Antiphilosophie" für ihn am Ende aber doch unscharf. Schließlich, wie Kross weiß, ist bereits im berühmten aufklärerischen "Sapere aude!" eine antiphilosophische Note zu hören, was den Zwillingscharakter von Philosophie und Antiphilosophie beweist.

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"Ein erhellender Testbericht und ein intellektueller Genuss." Matthias Kross, Süddeutsche Zeitung, 30.09.09

"Dicht, eindringlich und eigenwillig." Uwe Justus Wenzel, Neue Zürcher Zeitung, 31.10.09