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3 Kundenbewertungen

Ein Sommernachtstraum mitten im steineren Frankfurt. Hans und Ina sind ein strahlendes junges Paar. Hans hat eine brillante Bankkarriere begonnen, und umso unbegreiflicher ist es, wie sehr er sich in der neuen Wohnung vergriffen hat: Hinter dem Hauptbahnhof an einer lauten Straße steht dies übriggebliebene Gründerzeithaus, dem man nicht ansieht, wie seltsam es in ihm zugeht. Denn dort findet sich allnächtlich im brütend heißen Hof unter dem großen Sommermond jener fatale Kreis um den marokkanischen Hausmeister zusammen ... Ein federleicht und spielerisch erzählter Roman, ironisches Großstadtbild und doppelbödige Liebesgeschichte zugleich.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Sommernachtstraum mitten im steineren Frankfurt. Hans und Ina sind ein strahlendes junges Paar. Hans hat eine brillante Bankkarriere begonnen, und umso unbegreiflicher ist es, wie sehr er sich in der neuen Wohnung vergriffen hat: Hinter dem Hauptbahnhof an einer lauten Straße steht dies übriggebliebene Gründerzeithaus, dem man nicht ansieht, wie seltsam es in ihm zugeht. Denn dort findet sich allnächtlich im brütend heißen Hof unter dem großen Sommermond jener fatale Kreis um den marokkanischen Hausmeister zusammen ... Ein federleicht und spielerisch erzählter Roman, ironisches Großstadtbild und doppelbödige Liebesgeschichte zugleich.
Autorenporträt
Martin Mosebach, 1951 geboren, lebt in Frankfurt am Main. Er wurde
u.a. mit dem Heimito von Doderer-Preis, dem Großen Literaturpreis
der Bayerischen Akademie, dem Kleist-Preis, mit dem Georg-
Büchner-Preis sowie 2015 mit der Goetheplakette ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen zuletzt Der
Mond und das Mädchen (Roman, 2007), Stadt der wilden Hunde
(Nachrichten aus dem alltäglichen Indien, 2008), Als das Reisen noch geholfen hat (Essays, 2011) und Das Blutbuchenfest (Roman, 2014).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2007

Der Tunichtgut in geregelten Verhältnissen
Ein Dämon haust in festen Formen: Martin Mosebachs bezaubernde Liebesgeschichte „Der Mond und das Mädchen”
Der neue Roman des diesjährigen Büchner-Preisträgers Martin Mosebach umfasst nur 190 Seiten und ist eher wie eine Novelle gebaut. Etwas Luftiges und Leichtes strahlt dieses Buch aus, es ist von zierlicher Wohlgesetztheit wie eine Sonate von Scarlatti. Dabei sind die Themen und Motive, auch wenn sie nie laut intoniert werden, keineswegs auf die leichte Schulter zu nehmen. Es ist nur Martin Mosebachs erstaunliche Fingerfertigkeit, die den Tonfall des Spielerischen hervorruft. Mosebach, der wie kein zweiter Autor der Gegenwart die Beherrschung der Form betreibt, erzählt in „Der Mond und das Mädchen” eine Geschichte von der Kraft des Chaos, der Dynamik der Instabilität und der Fragwürdigkeit jeder Ordnung.
Kein Wunder also, dass es eine Liebesgeschichte ist, die da erzählt wird. Bei keinem anderen Lebensmotiv sind Sprunghaftigkeit und Beständigkeit derart cocktailhaft unberechenbar ineinandergemischt. Und tatsächlich: so schnell wie im neuen Roman von Martin Mosebach ist selten eine Liebesleidenschaft ausgeglüht. Kaum sind die Ringe gewechselt, schon beginnt das schleichende Gift der Entfremdung zu wirken.
So heiß die Sommernacht
Vielleicht war man sich der Wohlgefügtheit zu sicher? Hans und Ina kennen sich seit fünf Jahren. Sie gehören zu jenen Menschen aus einem wohlbehüteten Milieu, deren Biografien in aller Regel nicht für Überraschungen gut sind. Nun haben sie, in Hamburg, geheiratet. Weil Hans bereits seine erste Stelle bei einer Bank in Frankfurt antreten muss, verzichtet man ohne großes Drama auf den Honeymoon. Und weil Ina eine besonders enge Verbindung zu ihrer verwitweten Mutter pflegt, reist sie statt dessen mit dieser für einige Wochen an den Golf von Neapel. So kommt es, dass Hans auf sich allein gestellt ist bei der nicht ganz leichten Suche nach einem neuen Domizil in Frankfurt für das junge Ehepaar. „Die ersten Wochen dieser Ehe sahen ein wenig anders aus, als es solch geordneten Verhältnissen entsprochen hätte”, muss denn der Erzähler bereits auf der ersten Seite einräumen.
Mosebachs Roman ist ein Sommerstück, und drückend lastet die Hitze auf Frankfurt. Alle Wohnungen, die Hans in den besseren Vierteln Frankfurts besichtigt, übersteigen seine finanziellen Möglichkeiten. Endlich findet er eine, die bezahlbar ist. Aber sie liegt am Basler Platz, zwischen Hauptbahnhof, Rotlichtviertel und einer mehrspurigen Straße.
Man hält Martin Mosebach gerne vor, er orientiere sich an einer Ästhetik des 19. Jahrhunderts. Richtig ist, dass er sich in seinen federnd wohlgefügten Satzperioden ein Vokabular erlaubt, das eine gewisse Patina hat. Aber wenn man sieht, was Mosebach mit diesem Vokabular auszudrücken vermag, ist man froh, dass es noch nicht überall in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden ist. Denn Mosebach gelingt es, durch seinen altmodischen Ton die Gegenwart umso schärfer zu konturieren. Mosebachs Gesellschaftsromane sind glänzende soziologische Analysen. Keiner hat so ein untrügliches Ohr für die feinen Unterschiede, durch die sich jede Gesellschaft eine hierarchische Struktur gibt.
Das Setting von „Der Mond und das Mädchen” ist jedenfalls alles andere als biedermeierlich im Sinne einer homogenen Idylle. Hinreißend, wie Mosebach ein multikulturelles Biotop entwirft, das sich in den heißen Sommernächten im Hinterhof des Hauses am Baseler Platz trifft, sich bei Bier erfrischt, plaudert, zerstreut, alles im Blick hat, soziale Kontrolle ausübt und über das Leben und die Liebe philosophiert. Hier kann Mosebach seine ganze Farbenfreude an der Zwielichtigkeit entfalten: Abdallah Souad, der marokkanische Hausmeister, der aber auch sonst in allem die Finger drin hat und seine vielen Amouren jederzeit über das Handy am Laufen hält. Die würdige Grande Dame aus Syrien, Frau Mahmouni, die immer wie von Goya gemalt aussieht, die etwas ordinäre Blondine Barbara, der durch eine lukrative Scheidung gerade ein kleines Vermögen zugewachsen ist, und der stumme Äthiopier Tesfagiorgis, der einen Kiosk betreibt und die Nachtgesellschaft verlässlich mit Getränken versorgt.
In diese Welt also ziehen Hans und Ina ein. Und während er sich damit, lebensneugierig wie er ist, viel leichter tut, hat Ina das Gefühl, dass gerade etwas aus dem Ruder läuft. Namentlich die Nachbarn, die die Wohnung ein Stockwerk tiefer bewohnen, er Kunsthistoriker, sie Schauspielerin, rufen ungute Gefühle bei ihr hervor. Und ohne dass man genau sagen könnte, warum, beginnt es in der jungen Ehe zu knirschen: „Alles war, wie es sein sollte – und doch, alles war zugleich ungreifbar anders als erhofft und erwartet.”
So dunkel die Begierden
Obwohl sich Ina viel Mühe gegeben hat, die neue Wohnung ansprechend auszustaffieren, fühlt sie sich nicht heimisch: „Sie hatte diese Wohnung eingerichtet und manches dafür zusammengetragen, aber nun begannen die Sachen, ihr Eigenleben zu führen und sich dort aufzuhalten, wo sie sein wollten in ihrem blinden Sinn, dem der Aufstand gegen die Ordnung tief eingewurzelt war.”
Aber nicht nur die Sachen, auch die Menschen beginnen, ihr dämonisches Eigenleben zu führen. Und ausgerechnet Hans, dieser harmlose Einfaltspinsel (der diese Eigenschaft und einen ihn selbst überraschenden Hang zum freihändigen Philosophieren mit Hans Castorp aus dem „Zauberberg” teilt), gerät auf Abwege und landet, bei einem sehr exzentrischen Ehebruch, im Bett der Schauspielerin. Ja, wie rasch (und verlockend) alle Ordnungen bröckeln!
„Der Mond und das Mädchen” ist auch ein Roman zum Entropie-Gesetz. Das ist vielleicht überhaupt eines der spannendsten Momente in Mosebachs Schreiben: Die Paradoxie, durch den erzählerischen Formwillen gerade das Unförmige, Abgerissene, immer schon Brüchige und Liederliche des Lebens zur Erscheinung zu bringen. Chaos und Ordnung gehen in „Der Mond und das Mädchen” einen geradezu lüsternen Paarungstanz ein.
Man hat den konservativen, über die Tradition souverän verfügenden Mosebach gerne für die neue Bürgerlichkeit in Anspruch genommen. Nichts ist verfehlter. Unbürgerlicher, windiger und hasardeurhafter als in Mosebachs Büchern geht es selten zu in der Literatur. Der Parvenü, der Hochstapler, der Lebenskünstler, aber auch der Aussteiger, der Abbrecher und der Tu-nicht-gut sind typische Mosebach-Figuren.
Inas Ordnungswunsch jedenfalls ist auch eine Form der Kastrierung. Denn Ordnung muss immer auswählen und vieles zur Seite schieben. Das Leben aber ist vielgestaltig: „Das Meer der Erfahrungen war uferlos. Wer sich darin treiben ließ, begegnete immer neuen Meeresfrüchten, mit bizarren Formen und von schlüpfrig schimmernder Leiblichkeit.” Von schlüpfrig schimmernder Leiblichkeit ist Mosebachs Romanwelt geradezu bacchanalartig bevölkert. . .
Da passt es, dass er seiner Novelle auf unaufdringliche Weise gleichsam den Echoraum von Shakespeares „Sommernachtstraum” unterlegt hat. Der Mond, der dieses Nachtstück bescheint, stammt direkt daher, aber auch das Märchenhaft-Dämonische findet Eingang in die Handlung, Träume pochen auf ihr Realitätsrecht, und in der drückenden Schwüle dieser Sommernächte ist es, als erinnere Titania und Oberon alle Figuren daran, dass sie Triebwesen sind. Und wie im „Sommernachtstraum” am Ende alle Paare quasi per Amtsanordnung wieder korrekt zusammengeführt sind, so hat auch die Ehe von Hans und Ina Bestand. Denn jeder Sommer ist irgendwann vorbei, und dann halten die Bindungen, die aus der Gleichheit der sozialen Herkunft kommen, doch verlässlicher als die vom Liebestrank eingeflößte Passion. „Hans”, heißt es mit unübertreffbarer Lakonie in den Worten von Frau von Klein, „liest viel”. Und sie fügt hinzu: „Es ist immer wichtig, dass ein Mann eine Beschäftigung hat.”IJOMA MANGOLD
MARTIN MOSEBACH: Der Mond und das Mädchen. Roman. Hanser Verlag, München 2007. 191 Seiten, 17,90 Euro.
Wie verlässlich sind soziale Ordnungen? In der Ehe muss man sich manchmal voneinander entfernen, um wieder zusammenzufinden. Foto: Regina Schmeken
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Agieren auf unabhängiger Hinterteilbasis
Schöner Wohnen: Martin Mosebach fühlt sich wohl in romanhafter Nachbarschaft / Von Ernst Osterkamp

Wer dieses Buch liest, sieht den Falken der Novellentheorie förmlich die Federn schütteln und denkt: Man hätte es kürzer machen können. Martin Mosebach aber macht aus einer unerhörten Begebenheit einen Roman.

Natürlich ist dies das Buch eines guten Schriftstellers. Aber ist es deshalb auch ein gutes Buch? Die Grundidee ist blendend: Ein frisch verheirateter junger Mann tritt in Frankfurt am Main in einer Großbank seine erste Stelle an und sucht eine Wohnung für sich und seine Angetraute, derweil diese sich mit ihrer dominanten Mutter auf einer Italien-Reise erholt. Da sich die Suche nach der idealen Wohnung - groß, hell, möglichst im ersten Stock eines Hauses von solider Bürgerlichkeit, in der Nähe eines Parks und auch des Arbeitsplatzes - auf ortsübliche Weise schwierig gestaltet, gibt der junge Mann, mitgenommen auch von der Hitze des Frankfurter Sommers, bald seine Suche auf und mietet gewissermaßen willenlos eine teilmöblierte Wohnung im vierten Stock eines überaus verkehrsgünstig an einem lauten Platz gelegenen Eckhauses, auf dass sich erfülle, was im ersten Satz dieses Buches geschrieben steht: "Wer eine Wohnung sucht, hat es mit einem der seltenen Augenblicke zu tun, in denen der Mensch wirklich einmal glauben darf, über die Zukunft seines Lebens zu entscheiden, denn im Wohnen, so vieldeutig dies Wort eben ist, liegt doch das ganze Leben beschlossen." Das ist ein Satz, mit dem in den Zeiten, als man noch über ein Gattungsbewusstsein verfügte, eine exemplarische Novelle begonnen hätte; dies ist aber ein Roman.

Jedenfalls ändert sich mit der Wohnungsentscheidung des Mannes, der den Namen Hans trägt und auch sonst ein Charakter von jener hübschen Blässe ist, die ihn zur exemplarischen Gestalt prädestiniert, nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner hübschen und blassen Frau Ina, mit der er ein allseits geschätztes, schönes Paar abgibt. Zwar versucht sich Ina die Wohnung, die den mütterlichen und damit auch den eigenen Vorstellungen widerspricht, durch Übermöblierung und -drapierung anzueignen; aber das Paar wird sich in dem neuen Ambiente auf eigentümliche Weise fremd. Das hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass Hans eine sonderbare Faszination für eine merkwürdige Gesellschaft entwickelt, die sich Nacht für Nacht im Hinterhof versammelt und dort seltsame Gespräche führt: ein mit vulgärer Distanzlosigkeit ausgestatteter marokkanischer Hausmeister, ukrainische Handwerker, der äthiopische Inhaber eines Stehimbisses, eine mit hoher Weltklugheit begabte syrische Koptin und eine mit blonder Löwenmähne versehene, sonst aber undeutliche Erscheinung namens Barbara - Leute eben, wie sie sonst im Leben schöner Paare keinen Platz haben und deren Reden Hans nun, Bier trinkend und Zigaretten rauchend, lauscht.

Und dann gibt es noch das Paar in der Wohnung unter derjenigen von Hans und Ina: er Kunsthistoriker am Museum, sie Schauspielerin, jene gehobene Frankfurter Bohème eben, deren Faszinationskraft sich offensichtlich auch ein Banker nur schwer entziehen kann, und so dauert es denn auch nicht lange, bis Hans der Schauspielerin in die Arme sinkt (könnte hier der soziale Differenzierungskünstler Mosebach nicht für einmal einem Schauspielerinnenklischee erlegen sein?) und dabei seinen Ehering einbüßt.

Da trifft es sich gut, dass der dicke Vermieter, von dessen elefantöser seelischer Zartheit sich nun wiederum Ina fasziniert zeigt, bei der Trennung von seiner Ehefrau einen Ehering in der Wohnung zurückgelassen hat, auf den nun Hans in seiner Not zurückgreift . . . Kurz, dies ist klassischer Novellenstoff, und wer will, kann den Falken der Paul-Heyseschen Novellentheorie sein Gefieder schütteln sehen. Mit novellenhafter Dynamik führt Mosebach auch in den letzten beiden Kapiteln die Geschichte dieses seelisch verwirrten Paares zu Ende und lenkt sie in jene gesunden bürgerlichen Bahnen, von denen man sich fragen kann, ob sie nicht die eigentliche Katastrophe darstellen.

Bei der Reise in das jeweils eigene Ich begegnet dem Paar allerlei Befremdliches: ein von Mosebach psychologisch einfühlsam, mit mild-ironischem Mitgefühl erzähltes Exempel für die Eingangsthese, es liege im Wohnen das ganze Leben beschlossen. Das liest man gern und mit viel Freude an den erzählerischen Subtilitäten, mit denen Mosebach seine Geschichte zu strukturieren und zu runden versteht. Und über allem schwebt immer der Mond, am Anfang als Vollmond, am Ende als Neumond, und das gibt der Erzählung, wie man im Falle des Mondes ja wohl sagen darf, eine angenehme Rundung.

Nur hat Martin Mosebach eben eine Geschichte, die in ihrer Substanz auf eine schöne Novelle hin angelegt war, zu einem Roman aufgeplustert, und das bedeutet, dass einem dieses Buch, so kurz es auch ist, doch recht lang vorkommt. Natürlich kann Mosebach bei der Schilderung der sonderbaren Hinterhof-Kumpanei seinen herrlichen Sinn für soziale Semantik und Milieus zur Entfaltung bringen. Auch gewähren ihm diese bunten Vögel die Lizenz, seiner Neigung zu Kabinettstücken freien Lauf zu lassen, etwa, wenn er dem marokkanischen Hausmeister über zwei Seiten hinweg die vier weiblichen Bedienungen in einem Restaurant, das Mosebach den Leser glücklicherweise niemals betreten lässt, zu schildern aufgibt. Hübsch, aber was bringt's?

Kabinettstücke sind nun einmal Ausstattungskomponenten, die zur Substanz der Wohnung - und hier geht es doch ums Wohnen - nichts beitragen. Überdies versetzt Mosebach, anstatt sich auf die erzählerische Entfaltung der schleichenden Entfremdung des Paares zu konzentrieren, den Leser allzu oft und gerne in die Gesellschaft dieser Hinterhofheroen, die diesen bei aller Liebe zur Schrägheit doch nicht sehr zu interessieren vermögen. Auch nimmt man dem Erzähler keineswegs den plakativen Repräsentativitätsanspruch ab, mit dem er dieses Häuflein ausstattet. Dabei verfällt der Erzähler gelegentlich in gehobenes Schwadronieren. Wir sind ja auch sehr für den allwissenden Erzähler, aber der Erzähler dieses Buches ist weniger allwissend als vielmehr undiszipliniert. Er präsentiert sich einerseits gern als allerliebster Schlaumeier von hoher Weltläufigkeit, andererseits legt er sich auch gern die vornehme Blässe des anonymisierenden "man" auf: "Von Geheimhaltung mag man hier nicht sprechen." Einerseits fällt er seinen Figuren ins Wort: "holla, Barbara, Vorsicht!" Andererseits verschmäht er das generalisierende "wir" nicht, wenn es darum geht, Allerweltsweisheiten an den Leser zu bringen. Einerseits stolpert er hilflos in ein Kapitel: "Hätte Hans die Einladung zu den Wittekinds auf ein letztes Glas angenommen, wenn klar gewesen wäre, wie dieser Abend sich entwickeln würde?" Andererseits traut er dem Leser so wenig zu, dass er ihn mit Floskeln belästigt: "Man erinnert sich, dass Hans . . ."

Sagen wir es klar: Hier lässt ein vorzüglicher Erzähler die Zügel schleifen, und das hat eine erkältende Wirkung. Martin Mosebach hätte aus diesem Stoff eine sehr gute Novelle machen können. Denn über einen beträchtlichen Kunstanspruch verfügt er doch. Man erkennt das an der Fülle von Vergleichen, mit denen Mosebach seine Milieustudien durchhäkelt wie mit einem zarten Brokatfaden, und davon sind nicht wenige berückend schön. Aber insgesamt neigt Mosebach dazu, auch seiner hohen Profession des Wie und des Als-ob und des Gleichsam allzu sehr nachzugehen: "Auf ihrem Hinterteil stand der Oberkörper wie auf einem gemauerten Piedestal. Sie agierte gleichsam auf der Basis eines von ihrem Körper unabhängigen Hinterteils." Wie Freunde der Zeichnung wissen, gibt es auch eine Kunst des Weglassens.

Ein Nebenwerk also. Aber eines, von dem man sich in Zeiten, als die Gesetze des Literaturmarktes dies noch zuließen, eine in Ruhe gereifte zweite Fassung gewünscht hätte.

ERNST OSTERKAMP

Martin Mosebach: "Der Mond und das Mädchen". Roman. Carl Hanser Verlag, München 2007. 191 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im Juni noch präsentierte die FAZ Martin Mosebachs Roman "Der Mond und das Mädchen" als Vorabdruck und pries ihn als seinen bisher "schmalsten, zartesten und leichthändigsten Roman. In einer Besprechung in der Sonntags-FAZ schlägt Marius Meller nun die Hände über dem Kopf zusammen, wobei nicht auszumachen ist, was er schlimmer findet: Inhalt oder Sprache. Ein Graus sind dem Rezensenten das "altväterliche Männerbild" und "kitschige Frauenideal", das Mosebach in der Geschichte eines jungen Paares, das nach seiner Hochzeit erstmals zusammenzieht. Wobei Hans die Wohnung sucht, während Frau und Schwiegermutter - wir schreiben das Jahr 2007 - in den Süden reisen. Hin und wieder rätselt der Erzähler auch, warum Afrikaner und Asiaten so gut aussehen, obwohl sie sich doch nicht waschen. Die Sprache, schüttelt sich der Rezensent, "ist meistens Retro und häufig Kitsch". Mosebach lässt Hans "angelegentlich" ein Bier trinken, ein "schicksalsträchtiges Ringlein" kreisen und von Inas "Schmetterlingszartheit" schwärmen. Nein, urteilt Meller, Poesie sei das nicht: "Das Reaktionäre als Programm bleibt bei Mosebach ein uninspirierter Griff in das Magazin der Literaturgeschichte."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Etwas Luftiges und Leichtes strahlt dieses Buch aus, es ist von zierlicher Wohlgesetztheit wie eine Sonate von Scarlatti." Ijoma Mangold, Süddeutsche Zeitung, 11./12.08.07 "Was Martin Mosebach macht, ist millimetergenau. Massarbeit statt Konfektion. Wer das für gehobene Herrenschneiderei hält, der vergisst, dass es erst die Genauigkeit der Form ist, die den Gedanken kleidet." Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 07.08.07 "Es ist eine Novelle, in der der deutsche Schriftsteller sein poetologisches Programm in aller Leichtigkeit auf den Punkt bringt." Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 07.08.07 "...der schmalste, zarteste und leichthändigste Roman, den Martin Mosebach bislang geschrieben hat." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.06.07 "Martin Mosebach, der Erzähler, Romancier und Essayist, der Grandseigneur in der Apfelweinkneipe ist von ungewöhnlicher stilistischer und intellektueller Brillanz." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.06.07 "Die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung hat sich in diesem Jahr einen Büchner-Preisträger erwählt, von dem eine dauerhafte Beeinflussung, vielleicht sogar eine Wandlung der deutschsprachigen Literatur ausgehen kann: Lebendiger jedenfalls hat man die Tradition in diesen Kreisen noch nicht erlebt." Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, 08.06.07 "Dass Mosebach nun den wichtigsten Literaturpreis bekommt, zeigt, wie sehr sich die Literatur und ihre Rezeption verändert haben. Man muss der Akademie gratulieren, dass sie dafür Sinn und Aufmerksamkeit hatte." Ulrich Greiner, Die Zeit, 08.06.07 "Er hat bis hin zu seinem jüngsten Roman Der Mond und das Mädchen ein höchst differenziertes, anschauliches und zugleich unterhaltsames Panorama deutscher Gegenwart entworfen - immer zentriert um seine Geburtsstadt Frankfurt am Main, die seit dem Krieg keinen liebevolleren Porträtisten gefunden hat als ihn." Uwe Wittstock, Die Welt, 08.06.07"Raffiniert wie stets impft Martin Mosebach seinen Roman mit dem Stoff, aus dem die Träume sind. Alles wirkt realistisch, und doch wird hier das Innere nach außen gekehrt." Meike Fessmann, Tagesspiegel, 06.08.07 "Sein neuer, zauberhaft zarter und zugleich satirisch böser Roman." Uwe Wittstock, Die Welt, 04.08.07 "Der Reiz dieser zauberhaften Geschichte liegt gerade in ihrem Changieren zwischen Realismus und Fantastik, zwischen Horror und subtilem Kunstmärchen." Ulrich Baron, Welt am Sonntag, 12.08.07…mehr