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Zum 80. Geburtstag des englischen Dichters Michael Hamburger haben Freunde und Bewunderer seiner Kunst wie H. M. Enzensberger, Durs Grünbein, Raoul Schrott und viele andere eine neue Auswahl seiner Gedichte übersetzt. Herausgekommen ist eine Sammlung, die noch einmal das weite Panorama seiner Dichtung verdeutlicht: die lebenslange Auseinandersetzung mit "Life and Art", mit der Natur, mit den Dichterfreunden und mit der Sprache, die nicht seine Muttersprache ist.

Produktbeschreibung
Zum 80. Geburtstag des englischen Dichters Michael Hamburger haben Freunde und Bewunderer seiner Kunst wie H. M. Enzensberger, Durs Grünbein, Raoul Schrott und viele andere eine neue Auswahl seiner Gedichte übersetzt. Herausgekommen ist eine Sammlung, die noch einmal das weite Panorama seiner Dichtung verdeutlicht: die lebenslange Auseinandersetzung mit "Life and Art", mit der Natur, mit den Dichterfreunden und mit der Sprache, die nicht seine Muttersprache ist.
Autorenporträt
Der 1924 geborene, in Suffolk lebende Kritiker, Schriftsteller und Übersetzer Michael Hamburger verkörpert bereits ein Stück europäischer Zeitgeschichte: Sohn jüdischer Eltern aus Berlin flüchtet er in den dreißiger Jahren nach England. Dort wird er zu einem Kritiker jeglicher Totalitarismen; sein dichterisches Werk schöpft aus den Vorbildern der besten deutschen Literaturtradition, deren herausragender und mit den bedeutendsten Preisen bedachter Übersetzer er wird: Hölderlin, Goethe, Rilke und die Modernen seiner Generation. Auszeichnungen u.a.: Goethe--Medaille der Stadt Frankfurt, Hölderlin-Preise der Stadt Tübingen, Petrarca-Preis, Österreichischer Staatspreis für literarisches Übersetzen Buchveröffentlichungen in deutscher Sprache: "Vernunft und Rebellion, Aufsätze", 1969, "Heimgekommen. Gedichte", 1984; "Verlorener Einsatz. Erinnerungen", 1987. "Spannungen in der modernen Lyrik von Baudelaire bis zur Gegenwart", 1995.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.10.2004

Talk mit Hagebutten
Ich-Gespenst: Neue Gedichte von Michael Hamburger

Von Anfang an scheint Michael Hamburgers Werk ein Kommentar zur Vergeblichkeit des Schreibens zu sein. Den Worten traut er nicht, und doch sind sie sein Medium. Ein Leben, das auf die Poesie ausgerichtet ist, scheint ihm, folgt man dem Titel seiner Autobiographie, ein "Verlorener Einsatz" zu sein. Und doch liegt im Aufgebenwollen selbst ein geheimer Impuls des Schreibens.

Auch die neuen Gedichte, die Richard Dove aus drei Lyrikbänden zusammengestellt hat, entstehen aus dieser Paradoxie. Wer sich mit der Muse des Alters einläßt, wird schnell feststellen, daß das Leben vergeblich ist, die Ruhmestaten und Eitelkeiten, der Streit und die Liebe. Vergeblich ja, aber nur wenn ein Ich ist, dieses festzustellen. Das ist der andere Strom, der diese Gedichte durchfließt: die Aufgabe des Ich, die Entlarvung des "Ich-Gespenstes", denn "jetzt bist du mein Schatz, o Amnesie".

Hamburgers Gedichte sind dem Gespräch verwandt, das oft ein murmelndes Selbstgespräch ist oder ein Dialog mit Toten, Dingen, Tieren und den verwildernden Hagebutten. Das Geisterhafte wechselt mit Dinglichkeit ab, die an die Grenze von Erleuchtungen getrieben wird. Aus Albträumen kann man erwachen und sich in etwas Schlimmerem und Unbekannterem als einem Albtraum wiederfinden, in einer Wirklichkeit, der man nicht entflieht. Träume bilden einen Schwerpunkt dieser Sammlung. Sie können sprachlich keimen wie "Chauffeuse" und älteste biographische Schichten wie schärfste Gegenwart präsentieren, sie kommen aus den Bereichen, "wo Quoten unbekannt sind". Das ist auch die Welt der Blumen und Tiere, der Sterbenden, der verlorenen Freunde und der verfallenden Gärten, Häuser und Glasdächer. Ihr gegenüber das, was sich für zentral und relevant hält, eine Welt, die regiert wird von Medien, Internet, von militärischen Einsätzen, die den Tod von Kindern statistisch einplanen, virtuellen Geldströmen, den irrationalen Stimmungen der Börse, von Abstraktion und Wahnsinn in der Wissenschaft und Technik.

In mancher Hinsicht kann man in diesen Attacken auf die moderne Welt das lyrische Äquivalent zu Erwin Chargaffs Polemiken gegen den Schwindel der aufgeblähten Wissenschaften sehen. Beide sind als Skeptiker mit den Grenzen des Lebens vertraut, über die kein noch so wissenschaftsgläubiger Schwung hinwegträgt, der sich am Ende ohnehin als Käuflichkeit von Staat und Forschung erweist. Oft geht der Plan ins Leere oder in die Katastrophe, und nur die Planlosigkeit im einzelnen hilft überleben. Hamburger zeigt das zart und schön in seinem Gedicht über seinen Gewächshaus-Anbau. Er könnte so alt sein wie sein Autor, der am 22. März dieses Jahres seinen achtzigsten Geburtstag feierte, und ist angelehnt an eine vierhundert Jahre alte Bauernkate. Nach Statistik und Statik müßte der Glaskasten längst hinübersein, doch hält er sich auf unerklärliche Weise, und zwar durch die Schwebe: Leben als Paradoxie. Instandhaltungen, Rekonstruktionen? Das sind nur "Andenken an Künste, die zu kostspielig, zu rar geworden sind". Er schwebt, weil er stürzen wird, jenem Mysterium gleich, dem Heinrich von Kleist nachsann, als er sich in die Konstruktion von Torbögen versenkte. Ein Leben, das sich durch Anmut erhält, durch "Mißachtung der Schwerkraft".

Den Worten traut er wenig, darin ist zuviel vom Ich-Gespenst. Nicht so in den Dingen und Tieren, an die er sich als liebender Beobachter herantastet, die Sprache ihrer Ichlosigkeit zu hören: die verletzte Kuh, den taumelnden Schwan, die tanzenden Insekten, das hängende Nest der Wespen vor dem Fenster. Es ist das Mitleben und -leiden eines Franz von Assisi, nicht eines Charles Darwin, dessen Thesen "mit der Fracht der Beagle auf uns gekommen sind". In der versenkenden Beobachtung wird auch eine visuelle Komponente frei, die bislang noch nicht sehr stark bei Hamburger zu sehen war: dichterische Bilder, die geradezu nach Farben schreien, etwa wenn "der Himmel / Morgenrotfeuer entfacht, das im Schwarz der Hecken flackert".

Die Gedichte, denen ihre zahlreichen Übersetzer von Enzensberger bis Grünbein und Anders, von Kolbe bis Mayröcker und Schrott ihre Stimmen geliehen haben, reden viel vom Abwesenden, vor allem von abwesenden Freunden: "Wieder ist ein guter Freund gestorben, / Eine Telefonnummer mehr gibt Antwort durch Abwesenheit, / Signalton, Bandaufnahme, Stille, Leere." Ein solcher Freund war auch Ted Hughes, dem Hamburger ein bewegendes Gedicht widmet und dessen Äpfel aus Devonshire er in seinem Garten in Suffolk gezogen hat. Zwei Dichter hatten einen Garten, der "Unterschied füllte die Bäume aus", aber die Früchte, die sie anpflanzten, werden "unsre Tage überdauern".

Michael Hamburger: "Unterhaltung mit der Muse des Alters". Gedichte. Herausgegeben von Richard Dove. Übersetzungen aus dem Englischen von Richard Anders, Werner Dürrson, Hans Magnus Enzensberger, Durs Grünbein, Friederike Mayröcker, Franz Wurm und anderen. Carl Hanser Verlag, München 2004. 197 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Elmar Schenkel mochte die leisen Töne der Vergeblichkeit in diesen Gedichten, die er oft einem murmelnden Selbstgespräch ähnlich fand. Oder einem Dialog mit Toten, Dingen, Tieren oder verwildernden Hagebutten. Geisterhaftes sah er sich mit Dinglichkeit abwechseln und Träume oft den Schwerpunkt dieser Lyriksammlung bilden. Manchmal sieht der Rezensent diese Träume "sprachlich keimen". Oft aber präsentieren sie ihm auf "älteste biografische Schichten". Die Welt der verlorenen Freunde und verfallenden Gärten dieser Gedichte steht dem Rezensenten zufolge eine Welt gegenüber, die von Medien und Militäreinsätzen regiert wird, von virtuellen Geldströmen und irrationalen Stimmungen. In mancher Hinsicht empfindet der Rezensent diese Attacken gegen die moderne Welt deshalb als lyrisches Äquivalent zu Erwin Chargaffs Polemiken gegen den Schwindel der aufgeblähten Wissenschaften.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Sein außergewöhnliches Sprachtalent machte ihn früh zu einem der namhaften Grenzgänger und Vermittler deutscher, französischer und englischer Literatur und Kultur ...mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit findet Michael Hamburger den eigenen Ton ... Wie alle Lyrik von Rang leben Michael Hamburgers Gedichte von dem Geheimnis der Ambiguität oder, wie es der Ire William Butler Yeats sagte, aus dem "inneren Widerstreit"."
Walter Hinderer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.06.1984

"Ein Gedichtband mit einer überraschenden Weise, sich den Dingen zu nähern und die Operationen des Geistes authentisch festzuhalten."
Rudolf Hartung, Süddeutsche Zeitung, 12.10.1984