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Armin Senser, dessen poetische Kraft bereits viel gerühmt wurde, schafft in diesem Gedichtband eine faszinierende Gratwanderung zwischen Tradition und Gegenwart; sei es in einer Hommage an Robert Frost, in den Landschaften von Lissabon bis zu den Alpen oder in Reflexionen über die in alten Kirchen eingemauerte Erinnerung.

Produktbeschreibung
Armin Senser, dessen poetische Kraft bereits viel gerühmt wurde, schafft in diesem Gedichtband eine faszinierende Gratwanderung zwischen Tradition und Gegenwart; sei es in einer Hommage an Robert Frost, in den Landschaften von Lissabon bis zu den Alpen oder in Reflexionen über die in alten Kirchen eingemauerte Erinnerung.
Autorenporträt
Armin Senser, 1964 in Biel / Schweiz geboren, lebt in Berlin. Bei Hanser erschienen die Gedichtbände Großes Erwachen (1999), Jahrhundert der Ruhe (2003) und Kalte Kriege (2007). Er wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem H. C. Artmann-Literaturpreis der Stadt Salzburg 2009.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2004

Hallo, Echo
Das Leben als Ganzes im Blick: Armin Sensers neue Gedichte

Es ist ein weiter Weg zur Tradition, oftmals verschlungen und von Zeit überwuchert. Der Schweizer Armin Senser schöpft in seinem Lyrikband "Jahrhundert der Ruhe" aus der Spannweite bereits gebrauchter Worte, indem er sich gleichsam antimagnetisch von ihnen abstößt und sie zugleich aufs neue beschwört: "Denn jedes Werk braucht für / seinen Unterhalt die ganze Vergangenheit" benennt er seine Poetik und widmet die Gedichte seines zweiten Bandes Ovid und Homer, Faust und Don Quijote, er hält Dialoge mit Gottfried Benn und Ossip Mandelstam: "Ossip! Grüß dich. Tag, Herr Mandelstam."

Wie in seinem ersten Gedichtband "Das Große Erwachen", für den er mit dem Lyrikdebütpreis ausgezeichnet wurde, verschreibt sich der 1964 geborene Senser auch in diesem Lyrikband seinen dichterischen Ahnherren, ohne sie zu imitieren. Er komponiert seine Gedichte als Anrufungen, ohne sich allein auf den großen Namen ihrer Empfänger zu berufen, denn er schöpft aus deren Gedanken, nicht aus deren Worten allein. Das Gedicht als Konglomerat von Zitaten ist ihm suspekt, der Hall dieses Echos zu unstet: "Das Echo wird grandios sein. Jedoch, wie bei Zitaten üblich, / ein Verweis bleiben, den die Zeit dem Ohr streitig macht."

Gleichzeitig ist es eine weite Reise, die Senser fast wie einen bruchstückhaften Bildungsroman in den vierteiligen Zyklus seines Lyrikbandes einschreibt: von den alltäglichen Dingen über Liebes-"Bagatellen" und Reisebilder bis hin zum Nachruf auf verschiedene Dichter, der schließlich in den Nachruf auf sein eigenes lyrisches Ich mündet, "irgendwo in einem Feld / da lieg' ich begraben". Doch selbst bei der Gewißheit, "daß Worte irgendwie dauerhafter sind", schwingt der Fluch der Zeit mit, die Befürchtung, daß auch Dichter im Gedächtnis der Menschheit ausgelöscht werden können. Das Vergessen triumphiert über die Unvergänglichkeit ihrer Worte, im "Jahrhundert der Ruhe".

Bei aller Melancholie werden Sensers meist gereimte Gedichte von einem lakonischen Ton und von leichter Ironie getragen, mit der er nicht nur den alljährlichen Weihnachtsrummel erträgt ("Die Tage gezählt, die Stunden. / Von der Zeit, mit der Börse geschunden, / wird alles angefüllt, Netze, Taschen, Kondome, / oder entleert sich wie die Place Vendôme"), sondern auch den ewigen Kampf der darwinistischen Auslese: "Aber wie es scheint der Zeit / ist der Mensch genial, / bringt er es doch so weit, / sein arg strapaziertes Material / noch immer der Zukunft einzuprägen / ohne allzusehr an seinem Archetypen zu sägen." Selbst Schlagworte wie Fortschrittskritik und Kulturpessimismus prallen am Charme dieser Verse ebenso wie an deren stilsicheren Rückgriff auf Reim und Metrum ab.

Sensers Gedichte leben von der Dichte ihrer Gedanken. In der immer wiederkehrenden Denkfigur des Paradoxons finden Verachtung und mitleidiges Lächeln über die menschliche Existenz ihren gelungenen Ausdruck: "Wir folgen der eigenen List / auf der falschen Fährte. / Und niemand außer uns, der zu / pfeifen uns drauf verwehrte." Steht man auch bisweilen vor den Gedankengebäuden wie vor einem verschlossenen Kosmos, der nur dem Autor selbst zugänglich ist, so ist dies weniger ein selbstgenügsamer Hermetismus, sondern eine zur Auseinandersetzung herausfordernde Begegnung. Auch wenn Sensers Lyrik einen spröden Ton hat und seine Worte nicht mit artistischer Schmeichelei prunken, ist doch eine Lust am Spiel deutlich zu erkennen, wenn der metaphysische Lyriker W. H. Auden sich plötzlich auf "Moden" reimt. Im Sinnlichen verankert, weisen Sensers Gedichte weit darüber hinaus. Für ihn ist Lyrik eine gleichrangige Erkenntnisweise wie die Philosophie, doch "sie ist die einzige, die das Leben als Ganzes ernst nimmt".

ELKE BIHUSCH

Armin Senser: "Jahrhundert der Ruhe". Gedichte. Hanser Verlag, München 2003. 104 S., geb., 14,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Norbert Niemann widmet Armin Sensers neuem Gedichtband, aber eigentlich seinem Werk ingesamt, einen Essay, in dem er das Wesen von dessen Poesie dem Wesen der Metaphysik gleichsetzt: Erkundungen im Abgrund zwischen den scheinbar unvereinbaren Wirklichkeiten des Todes und der Ewigkeit. Niemann ist ergriffen von Sensers Verweigerung gegenüber dem Zeitgeist, der ein Unzeitgeist sei: Es herrsche das "totale Jetzt", der "Terror gegen das Erinnern, der Totalitarismus des Augenblicks", doch Senser setze ihm die "Gegenwart aller Zeiten" gegenüber, um in einen Dialog zu treten mit den "lebendigen Stimmen der toten Dichter". Deshalb führen, so Niemann, seine "geschliffenen, auf den Punkt gebrachten Protokolle metaphysischer Reisen" nicht in das ewige Gestern des Konservatismus, sondern - der Trotz der Metaphysik gegenüber der Physik - in die Zukunft. Es möge, wünscht sich Niemann, eine sein, in der jemand wie Senser wieder ein größeres Publikum findet - eines, "das Geist, Sprache, Dialog mit dem ganzen reich der Zeit sucht, statt sich von Mode zu Mode immer weiter für dumm verkaufen zu lassen".

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