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An einem kleinen amerikanischen College fühlt sich der Dozent Lawrence Miller von einem mysteriösen Doppelgänger verfolgt; in seinem Büro wird nachts der Computer benutzt, seine Frau flieht voller Panik vor ihm. Lawrence nimmt seinerseits die Verfolgung auf - die brillante Studie eines Wahns und zugleich eine postmoderne "gothic novel".

Produktbeschreibung
An einem kleinen amerikanischen College fühlt sich der Dozent Lawrence Miller von einem mysteriösen Doppelgänger verfolgt; in seinem Büro wird nachts der Computer benutzt, seine Frau flieht voller Panik vor ihm. Lawrence nimmt seinerseits die Verfolgung auf - die brillante Studie eines Wahns und zugleich eine postmoderne "gothic novel".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Sanftmut und Grausamkeit
Kein Nagel ohne Sinn: James Lasdun jagt das Einhorn

Ein College am Rande New Yorks, ein getrennt lebender Professor für Literatur, eine attraktive Studentin und ein Ausschuß für Fragen sexueller Belästigung mit einer gestrengen Vorsitzenden. Bitte nicht, denkt der Leser, schon wieder ein Campus-Roman, in dem der Professor kastriert wird oder die Studentin Brustkrebs bekommt oder beides. Es kommt aber ganz anders, denn James Lasdun, der 1958 in London geborene Autor, Kritiker und ehemalige Professor für Creative writing an amerikanischen Universitäten, beteiligt sich nicht an der wohlfeilen Ironisierung des Genres und der politischen Korrektheit. Er nutzt das wohlbekannte Milieu zu einem Nachtstück in Kafkas Manier, das die Klischees zu Sinnbildern postmoderner Existenz erweckt.

Der junge englische College-Dozent Lawrence Miller versteht seine Einbürgerung in Amerika als Befreiung von seinem Herkommen, namentlich von den Demütigungen, die er als Kind aus kleinen Verhältnissen in der englischen Klassengesellschaft erlitten hatte. So möchte er das europäische "Gebäude aus Hemmungen und verborgenen Hierarchien" hinter sich lassen, nicht einmal die Anschrift seiner Mutter kennt er mehr. Nur einen Koffer mit den nachgelassenen Papieren seines Vaters hat er mitgenommen, ohne ihren Inhalt zu kennen. Wie sich herausstellt, enthalten sie dessen Forschungen zur Medizingeschichte, die einen Kern mittelalterlichen Denkens betreffen, nämlich "das Nebeneinander des Glaubens an die Heilkraft extrem reiner wie auch extrem unreiner Stoffe". Die stärksten Wirkungen hat, so liest er, die Substanz des Alicorns (verum cornu monocerotis). Der nämliche Widerspruch findet sich daher in den Mythen der Einhornjagd wieder, bei der "eine Jungfrau das Tier listenreich gefangennimmt, ehe es getötet wird". So gilt das Einhorn in den verschiedenen Überlieferungen ebensogut als ein reines und sanftmütiges Tier wie als vergiftete und ausnehmend grausame Bestie.

Meistens erscheint das Einhorn als einsames Wesen. "In Bildern der Arche Noah oder von Adam, der die Tiere benennt, ist es gewöhnlich dadurch gekennzeichnet, daß es als einziges unter den Geschöpfen keinen Partner hat." Dem einsamen Professor ist mittelalterliches Denken allerdings persönlich fremd. Er sieht es als ethische Verpflichtung, seine "intellektuellen Grundsätze auch auf den Bereich realer menschlicher Beziehungen zu übertragen". So fällt es ihm zunächst nicht schwer, allerlei Merwürdigkeiten, die sich in seinem Büro ereignen, mit einer vernünftigen Erklärung zu versehen. Als sich diese Vorkommnisse zu einem bedrohlichen Zusammenhang zu verdichten scheinen, entschließt er sich zu radikaler Aufklärung, deren Ergebnis er in dem Text berichtet, den der Leser gerade vor sich hat.

Das ergibt eine fesselnde Erzählung, in der die Logik des mittelalterlichen Analogiedenkens sich mit der moderner Wahnsysteme und Verschwörungstheorien überschneidet. Lasdun übt sein Handwerk penibel nach einem Grundsatz aus, dem zufolge kein Nagel eingeschlagen werden darf, ohne daß später etwas daran aufgehängt wird. Er beschreibt Stadtlandschaften, soziale Milieus und Wetterlagen ebenso stimmig aus der Perspektive seines Helden wie Bücher, Bilder oder verrostete bulgarische Münzen. (Der Übersetzerin gelingt die Nachbildung dieses auf kunstvolle Weise umständlichen Gelehrtenstils ganz vorzüglich.) In der trennscharfen Erzeugung grotesker, makabrer oder düsterer Atmosphäre, die exotisches oder archaisches Ambiente nicht braucht, hält Lasduns Roman den Leser trotz der gelegentlich übertriebenen Demonstration des Virtuosen in jener Unschlüssigkeit zwischen phantastischer und rationaler Interpretation des Geschehens, die intelligente Lust am Unheimlichen bewirkt.

FRIEDMAR APEL

James Lasdun: "Die Jagd auf das Einhorn". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Renate Orth-Guttmann. Hanser Verlag, München 2002. 222 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In James Lasduns Roman geht es darum, wie Fremdkörper in das geregelte und "propere" Leben des Universitätsdozenten Lawrence Miller eingehen, berichtet die Rezensentin Angela Schader. Nicht verwunderlich also, dass sich Kafka-Anspielungen im Text fänden. Jeden Morgen, referiert die Rezensentin, findet der Ich-Erzähler Miller in seinem Büro die Spuren eines nächtlichen Besuchers vor, und diese Spuren mehren sich, bis der Fremde regelrecht in Millers Leben eingreift. Im Laufe der durch Millers "diffusen Blick" an den Leser herangetragenen Details wirke der Ich-Erzähler jedoch "immer weniger verlässlich", doch auch das "pfannenfertig" vorgetragene Erklärungsmuster des "Jekyll-and-Hyde-Syndroms" werde alsbald wieder zerschlagen. Durch welchen "metaphysischen Dreh" der Roman zum Ende gelangt, will uns die Rezensentin nicht verraten, nur dass das Einhorn aus dem Titel hierbei eine Rolle spielt. Zwar erschließe dieser Roman keine neuen Tiefen der Erkenntnis, so das Fazit der Rezensentin, aus der Hand legen könne man ihn aber nicht.

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"... eine fesselnde Erzählung, in der die Logik des mittelalterlichen Analogiedenkens sich mit der moderner Wahnsysteme und Verschwörungstheorien überschneidet." Friedmar Apel, FAZ, 18.3.2003 "In der trennscharfen Erzeugung grotesker, makabrer oder düsterer Atmosphäre hält Lasduns Roman den Leser in jener Unschlüssigkeit zwischen phantastischer und rationaler Interpretation des Geschehens, die intelligente Lust am Unheimlichen bewirkt." Friedmar Apel, FAZ, 18.03.03 "Eine ebenso komische wie abgründige Synthese von Schauer-, Kriminal- und College-Roman." Ulrich Baron, Focus, 11.11.02