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Nichts ist so fremd wie die eigene Heimat, nichts so exotisch wie die deutsche Provinz ...
Furchtlos durchstreift ein Mann mit einer schwarzen Aktentasche voller Geschichten unter dem Arm die entlegensten Winkel des Landes. Seine Reisen führen ihn nach Weikersheim und Sömmerda, nach Rotenburg an der Wümme oder in das geheimnisumwitterte Waldbröl, dessen Name kein Sterblicher je vernommen hat. Und in Dutzende weiterer Orte, von denen uns ebenfalls nie eine Kunde erreicht hätte, gäbe es nicht ihn: Wladimir Kaminer.
Als Forscher und Geschichtenerzähler ist er viele Bahnstationen von Berlin
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Produktbeschreibung
Nichts ist so fremd wie die eigene Heimat, nichts so exotisch wie die deutsche Provinz ...

Furchtlos durchstreift ein Mann mit einer schwarzen Aktentasche voller Geschichten unter dem Arm die entlegensten Winkel des Landes. Seine Reisen führen ihn nach Weikersheim und Sömmerda, nach Rotenburg an der Wümme oder in das geheimnisumwitterte Waldbröl, dessen Name kein Sterblicher je vernommen hat. Und in Dutzende weiterer Orte, von denen uns ebenfalls nie eine Kunde erreicht hätte, gäbe es nicht ihn: Wladimir Kaminer.

Als Forscher und Geschichtenerzähler ist er viele Bahnstationen von Berlin entfernt quer durch die deutsche Provinz unterwegs. Mit klarem Blick, einem unverwüstlichen Sinn für Humor und mit viel Poesie nimmt er sich dieser exotischen Regionen an. Seine Geschichten sind voller unvergesslicher Details und universeller Wahrheiten des menschlichen Daseins. Da ist die Autogrammkarte von Roberto Blanco, die seit Anbeginn der Zeit in jedem Hotel hängt, nur das harmloseste Beispiel der aberwitzigen Sitten und Abgründe deutscher Kleinstädte.

Autorenporträt
Wladimir Kaminer, geb. 1967 in Moskau, absolvierte eine Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk und studierte anschließend Dramaturgie am Moskauer Theaterinstitut. Seit 1990 lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin. Er veröffentlicht regelmäßig Texte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und organisiert Veranstaltungen wie seine mittlerweile international berühmte 'Russendisko'. Mit der gleichnamigen Erzählsammlung sowie zahlreichen weiteren Büchern avancierte er zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren Deutschlands. Alle seine Bücher gibt es als Hörbuch, von ihm selbst gelesen.
Rezensionen
"Mit seinem Blick für das Absonderliche hat Kaminer zwischen Kaiserslautern, Sinsheim, Waldbröl und Chemnitz den Wahnsinn menschlicher Existenz gefunden und knochentrocken aufgeschrieben." (STERN)
""Kaminer hat einen unbestechlichen Blick für das Prägnante - und die sprachlichen Mittel, es unterhaltsam auszuspießen." (Rheinischer Merkur)
"Falls es noch eines Beweises bedarf, dass wahres Leben besser unterhält als alle Fantasie, Wladimir Kaminer ist sein jüngster Erbringer." (Die Welt)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wladimir Kaminer hat ein Buch über Deutschland geschrieben, oder genauer: über die deutsche Provinz. Aber was heißt schon deutsche Provinz, fragt sich Christoph Bartmann in seiner Besprechung. Schließlich habe sich Kaminers Bild von der Provinz im Laufe seiner Lesereise, deren Erfahrungen den Stoff des Buches bilden, geändert, beschreibt der Rezensent "das Angenehme" an Kaminers Dschungelbuch, denn die Provinz ist überall, zum Beispiel auch in München, wie der Autor herausgefunden haben soll. Kaminers Berichte ziehen zwar manchmal ein oberflächliches, aber selten ein falsches Fazit, immer aber sei es erheiternd, beurteilt Bartmann die Ergebnisse der Kaminer'schen Beobachtungen. Er lobt das Buch als ein aus dem Geist des Understatements geschriebenes, es sei keine Kulturkritik und habe auch keine schwerliterarische Ambition. "Ein großer Stilist, ein Meister seiner Form", jubelt der Rezensent und freut sich über diesen "großen Gewinn" für die deutsche Literatur.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2003

Wo bin ich?
Wladimir Kaminers „Mein Deutsches Dschungelbuch”
Manchmal weiß Wladimir Kaminer selbst nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. So viele Bahnreisen, so viele Lesungen, so viele Übernachtungen in fragwürdigen Hotels. Auf Tour wirft er schon mal, wie einst Heinrich Lübke, die Ortsnamen durcheinander: Nordheim, Nordhorn, was soll’s? Gleich ob in Nordhorn oder Nordheim, das Publikum dankt Wladimir Kaminer noch jede Verwechslung mit Ovationen. Diese Mann, scheint es, kann einfach nichts falsch machen. Was immer er sich vornimmt, wird ein Riesenerfolg, die Russendisko, die lustigen fünf Minuten im Frühstücksfernsehen, die schnell gestrickten Bücher.
Andere Autoren würden das Bahnfahren und öffentliche Lesen zwischen Hiddensee und Regenstauf eher als lästige Begleiterscheinung ihres Berufs empfinden; Kaminer dagegen kann offenbar nichts Besseres passieren. Vor Lesungen, auf Lesungen, nach Lesungen, unterwegs zu neuen Lesungen hat er das Material für sein „Deutsches Dschungelbuch” aufgelesen, und zu Papier gebracht hat er es zumeist im Zug. Schon droht uns Kaminer mit einem „Weltdschungelbuch”. Aber auch das würden wir gern lesen.
Literarische Reisen in die deutsche Provinz dürfen schon im Vorfeld auf gesteigerte Lachbereitschaft rechnen. Manchmal genügt schon die Nennung von Ortsnamen wie Weikersheim, Grevenbroich oder Sömmerda, und das Publikum ist aus dem Häuschen. Auch Kaminer fand die Provinz zunächst nur komisch. Aus Moskau nach Berlin verzogen, schien ihm der Alltag außerhalb von Metropolen „gruselig”. Nun aber, dank unzähliger Lesereisen, hat sich sein Bild von der Provinz gewandelt.
Man lebt dort gern, hat er gelernt, und würde den Wohnort nur ungern mit Berlin oder Moskau tauschen. Außerdem findet Kaminer, wo immer er hinkommt, Landsleute vor, die natürlich seine Fans sind. Deutschland ist russisch geworden, namentlich seine Provinz. Aber was heißt hier eigentlich Provinz? Das Angenehme an Kaminers Dschungelbuch ist unter anderem, dass er das Provinzielle diesseits von Rothenburg und Böblingen entdeckt – zum Beispiel in München.
München, das fällt Kaminer sofort auf, ist ein Ort, dessen Bewohner sich gern damit brüsten, wie schnell sie irgendwo anders sein könnten. „Wir sind so nahe an Italien, wenn wir wollten, könnten wir zum Mittagessen nach Florenz fahren” (und vorher ein bisschen die Brennerautobahn verstopfen), der Satz schallt Kaminer in München häufiger entgegen. „Man kann”, folgert er messerscharf, „München als eine Art Notausgang Deutschlands betrachten, ein Überdruckventil, aus dem die Deutschen in die übrige Welt hinausströmen.”
Fleisch von großen Tellern
So etwa sieht Kaminers Methode aus, wenn sie man wirklich so nennen soll: Er setzt sich in eine Kneipe, bringt die Einheimischen zum Erzählen, macht sich seine Notizen und zieht – schon auf der Weiterreise – die Summe des Gehörten. Das Fazit ist manchmal ein bisschen oberflächlich, aber selten falsch, und selbst wenn es falsch wäre, wäre es immer noch ziemlich erheiternd. Kaminers Dschungelbuch ist ganz aus dem Geistes des Understatements geschrieben: keine Kulturkritik, kein wichtigtuerisches Ich, keine schwerliterarische Ambition. Vergleicht man es etwa mit Roger Willemsens „Deutschlandreise”, dann kann man nur konstatieren: Vorteil Kaminer.
Außerdem ist Kaminer, was selten bemerkt wird, ein großer Stilist, ein Meister seiner Form, einer kleinen Form natürlich, die der Romanform in manchem überlegen ist. „An einem langen Tisch saßen zwei Dutzend Männer und Frauen und aßen von großen Tellern Fleischgerichte.” Wo war das wohl? Nun, in Aachen. Aber ist das nicht ein richtig guter deutscher Prosa-Satz, der eines Thomas Bernhard oder Eckhard Henscheid würdig wäre? Wladimir Kaminer, soviel steht fest, ist ein großer Gewinn für die deutsche Literatur.
CHRISTOPH BARTMANN
WLADIMIR KAMINER: Mein deutsches Dschungelbuch. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2003. 256 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2003

Das Glück wohnt in Osnabrück
Wladimir Kaminers amüsanter Beitrag zur Völkerverständigung

"Wie gefällt es Ihnen hier bei uns in Deutschland?" Kann man es dem Autor Wladimir Kaminer verübeln, daß er dieses Land abenteuerlich und absurd findet, wenn er, was oft passiert, bei seinen Lesereisen immer wieder mit diesem Satz begrüßt wird. Der gebürtige Moskauer Kaminer ist längst Deutscher, lebt und schreibt seit 1990 in Berlin und ist mit "Russendisko", "Militärmusik" und "Die Reise nach Trulala" einer der erfolgreichsten Gegenwartsautoren heimischer Zunge geworden. Daß der Klappentext von "Mein deutsches Dschungelbuch" den Star allen Ernstes als "Jungautor" vorstellt, ist wohl als ungelenker Versuch eines Kompliments zu werten.

Sein verdienter Erfolg hat Kaminer Hunderte von Einladungen in Buchhandlungen quer durch die Republik eingebracht (am Ende erzählt er auch von Dutzenden von Einladungen in weltweite Goethe-Institute, aber den globalen Dschungel verwahrt er sich für ein künftiges Buch). Hier spricht der Dichter nur von seinem neuen Heimatland, denn "Russe", wie Kaminer gerne betitelt wird, ist er nach dem Verlust der sowjetischen Staatsangehörigkeit ohnehin nie geworden; wahrscheinlich strebt er das nicht einmal an. Mit großem Amüsement erzählt er deshalb von einer anderen Begrüßungsformel, die ihn regelmäßig aus Lokalblättern und von Veranstaltungsplakaten entgegenlacht: "Der Russe kommt." Soviel zum deutschen Eingeborenenhumor.

Seine literarischen Annäherungen an die deutsche Provinz basieren auf dem Staunen des Ahnungslosen. Kaminer, das gibt er selbst zu, hatte lange Berlin, namentlich den Prenzlauer Berg, für das Zentrum der Republik gehalten und wundert sich nun, daß nicht nur viele Millionen Menschen in Northeim, Regenstauf, Dormagen, Oberhausen et cetera leben, sondern fast noch mehr darüber, daß sie dort überaus glücklich sind und ihre Wohnorte für das Zentrum der Welt halten. Nicht zufällig hat eine soziologische Großumfrage nach Erscheinen dieses Buchs ergeben, daß die glücklichsten Deutschen in Osnabrück leben. Hätte Kaminer das gewußt, hätte er im Dschungelbuch gewiß den deutschen Schlager "Ich fand das Glück mit dir im Zug nach Osnabrück" zitiert. So begnügt er sich mit der korrekten Einschätzung der blühenden Bahnhofsgastronomie und der Aussage eines Lokalreporters: "Was die Kultur betrifft, ist hier wirklich viel los."

Man sieht, die Geschichten kombinieren Überraschendes und Merkwürdiges zu einem durchweg zutreffenden Patchwork der deutschen Lande, wobei der staunende Kaminer mit der Zeit zugeben muß, daß in der Nation der Konfessionsspaltung, der unterschiedlichsten Weinanbaugebiete, der Mauer, der Mittelgebirge, der Nord- und Ostseeinseln so etwas wie eine homogene Kultur wohl gar nicht existiert. Eher sei die Frage gestattet, wo denn in Deutschland keine Provinz, wo denn eigentlich die Zentrale sei. Im fast schon britischen Hamburg? Im abspalterischen München? Gar im bankrotten Berlin?

Kaminer, dem wohl längst schwant, daß Deutschland mit Ausnahme von Fontane nur Weltliteratur in Klein- und Randstädten (Weimar, Wunsiedel, Braunschweig, Lübeck, Danzig) hervorgebracht hat, umreißt achtungsvoll ein neues Panorama: Da wird es plötzlich wichtig, daß im Hotel zu Oldenburg - er läßt offen, ob Oldenburg in Oldenburg oder Oldenburg in Holstein - Himalaja-Wochen veranstaltet werden, weshalb es in der Küche nicht nach Grünkohl und Pinkel, sondern nach exotischen Medikamenten riecht. In Rothenburg stehen einsame Japaner an Straßenecken und träumen ganzjährig von Tannenbäumen, in Kiel ist die Förde (hier fälschlich "Fjorde") vor lauter Nebel nicht zu sehen, in Northeim beeindrucken ihn ein Tiroler Viermann-Trio und ein Foto von Roberto Blanco, der - ein reiselustiger Kaminer des deutschen Stimmungsliedes - ihn ohnehin durch die Republik und ihre Hotels zu verfolgen scheint.

Gewiß, durch die Gleichförmigkeit der Erlebnisse - Anreise, fremde Stadt, Buchhändlergespräch, Abreise - droht dann und wann Langeweile, aber Kaminer kann das als routinierter Erzähler immer wieder durch urkomische Dialoge oder überraschende Beobachtungen abbiegen, etwa wenn er in Wiesloch ein Irrenhaus vermutet, in dem Dutzende von Wehrmachtssoldaten verwahrt werden, die noch nicht kapituliert haben. Oder wenn er mutmaßt, bei Bayer Leverkusen würden die Arbeiter nach russischem Vorbild in Naturalien, also in Schmerztabletten, ausbezahlt, was manches in der Stadt erklären würde. Halle, auch das eine bedenkenswerte Idee, soll nach seiner Meinung in "Spielhalle" umbenannt werden, weil die Stadt auch so aussieht.

Baden-Baden wähnt er ganz korrekt von greisen Millionären bevölkert, die, Brunnenwasser trinkend, Unsterblichkeit suchen. In Chemnitz wird ihm das historische Glück zuteil, einem Gartenzwergfestival beizuwohnen, was ihn zu berechtigten Vergleichen mit dem Bart von Karl Marx inspiriert, der ja auch, zumindest im alten Karl-Marx-Stadt, wie ein Gartenzwerg der Historie wirkt. Daß das zerbombte Hildesheim tatsächlich Weltkulturerbe geworden ist, kann den Profi Kaminer genausowenig erschüttern wie ein komplett danebengegangenes Fernsehgespräch mit dem Popdichter Wondrascheck und einem trutzigen Literaturkritiker in "Gestapo-Hochform".

Indem er sich fraternisierend den allpräsenten russischen Straßenmusikanten zuwendet ("Wir Russen kommen überall durch") und bewundernswert offen immer aufs neue das Gespräch mit Medien und Leserschaft sucht, baut Kaminer - diesmal kein Roberto Blanco, sondern eher ein Iwan Rebroff der Literatur - immer noch bestehende Russenängste ab und trägt nachhaltig zur Völkerfreundschaft bei. Seine Stories, allzeit durchtränkt von tiefem Wissen um die Relativität allen Seins, leben vom ethnographischem Blick auf Gesamtdeutschland und lassen sich auch sehr gut laut vor größerem Publikum vorlesen - eine Eigenschaft, die der gleichnamigen, von Kaminer selbst vorgetragenen Hörbuch-Fassung zugute kommt (Random House Audio). Und vor allem: Kaminer schreibt so komisch, wie es ihm derzeit wohl kein anderer deutscher Großschriftsteller (nicht einmal Grass oder Walser) nachzutun vermöchte. Das Buch hat nur einen klitzekleinen Nachteil: Der Autor war noch nicht in Soest.

DIRK SCHÜMER

Wladimir Kaminer: "Mein deutsches Dschungelbuch". Manhattan im Goldmann Verlag, München 2003. 255 S., geb., 18,- [Euro].

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„Das ist Humor vom Feinsten."