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In seinem spannend geschriebenen Wissenschaftsreport berichtet Pulitzer-Preisträger Richard Rhodes über die Entdeckung und Erforschung der unheimlichen, das Gehirn zerstörenden Nervenkrankheiten Kuru, Creutzfeldt-Jakob, Scrapie und BSE. Er macht die Bedrohung für den Menschen deutlich, demonstriert aber zugleich, was wissenschaftlicher Forscherdrang an Erkenntnissen zu gewinnen vermag.

Produktbeschreibung
In seinem spannend geschriebenen Wissenschaftsreport berichtet Pulitzer-Preisträger Richard Rhodes über die Entdeckung und Erforschung der unheimlichen, das Gehirn zerstörenden Nervenkrankheiten Kuru, Creutzfeldt-Jakob, Scrapie und BSE. Er macht die Bedrohung für den Menschen deutlich, demonstriert aber zugleich, was wissenschaftlicher Forscherdrang an Erkenntnissen zu gewinnen vermag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2000

Schwammhirn
BSE – Richard Rhodes erzählt
die Geschichte des Rinderwahns
Kopfschmerzen, Stolpern, dann Wahnvorstellungen, Lähmungen, Krampfanfälle über Monate hinweg, schließlich Koma und Tod. Das Gehirn verwandelt sich in einen löchrigen Schwamm. „Der Geist schwindet dahin, sie können nicht mehr gehen, sprechen, schlucken, sie sterben langsam, viele verhungern einfach. ” Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, kurz CJK heißt diese Schwammhirnerkrankung beim Menschen, BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) oder Rinderwahnsinn wird sie bei den Rindern genannt, Scrapie bei den Schafen.
Sie ist gefährlicher als das Ebola-Virus, meint Richard Rhodes, und damit hat er nicht ganz unrecht. Ebola ist eindeutig als Virus identifiziert, ist nur ein paar Tage außerhalb des Körpers überlebensfähig, Sonnenlicht tötet es ab. Der Erreger der Schwammgehirnkrankheiten dagegen überlebt einen monatelangen Aufenthalt in Formaldehyd und Jahrzehnte in der Tiefkühltruhe. Er widersteht der Hitze im 350 Grad heißen Brennofen und dem Beschuss mit harter Strahlung. Man weiß zwar, wie er aussieht, dass einer der Infektionswege über die Nahrung führt – doch er ist keinem der herkömmlichen Krankheitskeime zuzuordnen, und der Infektionsmechanismus ist immer noch nicht bekannt.
Richard Rhodes, der 1988 für sein Buch Die Atombombe oder die Geschichte des achten Schöpfungstages mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, beschreibt die Erforschungsgeschichte der Gehirnerkrankungen, und wie leichtsinnig viele Politiker, Industrielle und Wissenschaftler während des BSE-Skandals in England mit dem Problem umgegangen sind. Als Grundlage für seinen spannenden Report (englischer Orginaltitel Deadly Feasts) dienen ihm Aufzeichnungen und Interviews mit Forschern, darunter neben Molekularbiologen und Medizinern auch Zoologen, Anthropologen, Chemiker und sogar ein Mathematiker. Wichtigste Quelle sind jedoch die Tagebücher und viele Gespräche mit dem amerikanischen Mediziner und Nobelpreisträger Carleton Gajdusek, der sich 40 Jahre lang mit dieser Krankheit auseinandergesetzt hat.
Die Frauen der Fore
Gajdusek stieß Ende der fünfziger Jahre in den Wäldern Neuguineas auf ein Bergvolk, das noch den Kannibalismus betrieb: die Fore. Vor allem die Frauen pflegten das grausige Ritual – eine religiöse Kulthandlung, aber auch eine wichtige Eiweißquelle für diese Menschen. Hauptsächlich unter den Frauen war auch eine schwere, immer tödlich verlaufende Nervenkrankheit verbreitet – Kuru, was soviel bedeutet wie „zittern vor Angst oder Kälte”. Bald war Gajdusek die Ähnlichkeit der Symptome von Kuru mit dem um 1920 entdeckten, sehr seltenen Creutzfeldt-Jakob-Leiden aufgefallen. Die Suche nach einem gemeinsamen Erreger begann. Da die Forscher nach etwas „Greifbarem” fahndeten, übersahen sie zunächst ein ganz typisches Symptom – die Löcher im Gehirn. „In Löchern gibt es nichts zu suchen, die können auch bei der Konservierung entstehen”. Bald kam auch der Verdacht auf, daß ein Zusammenhang mit dem Verzehr von Fleisch, menschlichem oder tierischem, bestehen könnte.
Das alles ereignete sich lange, bevor 1996 die Übertragung von BSE auf den Menschen erkannt wurde. Nachdem der zehnte junge Mensch daran gestorben war, gab am 20. März 1996 der britische Gesundheitsminister Stephen Dorell bekannt, daß BSE durch den Verzehr von Rindfleisch auf den Menschen übertragbar sei. Noch tags zuvor versuchten Vertreter der britischen Regierung jede öffentliche Äußerung über die neue Form von CJK zu verhindern, in der Annahme, die Wissenschaftler könnten sich irren.
Der Erreger der Schwammgehirnkrankheiten blieb lange rätselhaft. Auch zeigten die Leidenden keine Immunreaktion, die den Kampf des Körpers gegen den Eindringling demonstrieren würde. Erst moderne mikrobiologische Verfahren und vor allem die elektronenmikroskopischen Untersuchungen der amerikanischen Molekularbiologin Patricia Merz 1978 führten zum Durchbruch. Nach Rhodes’ Beschreibung war sie die erste, die die winzigen Stäbchen aus Eiweiß, Protein, die heute als Erreger der schwammartigen Gehirnerkrankung gelten, entdeckte. Der Neurologe Stanley Prusiner bezeichnet die Stäbchen als Prionen (infektiöses Protein), experimentierte damit und holte sich dafür 1997 den Nobelpreis.
Prionen kommen natürlicherweise im Körper von Mensch und Tier vor. Sie sitzen auf der Außenhaut von Nervenzellen und können sich in eine krankhafte Variante umwandeln. Dabei spielen spontane Veränderungen des Erbguts, Infektionen und Vererbung eine Rolle. Doch der genaue krankheitsauslösende Mechanismus ist noch nicht geklärt.
Rhodes plädiert am Schluß seines bemerkenswerten Buches, das Verfüttern von tierischen Proteinen an Tiere zu verbieten und Soja-Eiweiß einzusetzen – oder kein Fleisch mehr zu essen. Die Wissenschaftler sind sich weiter uneins, wenn es die Gefährlichkeit von BSE einzuschätzen gilt – und, wie sich in diesen Tagen zeigt, die Politiker erst recht. Beim Stamm der Fore jedenfalls, so ist bei Rhodes nachzulesen, nahmen die Fälle von Kuru-Erkrankungen rasch ab, als man den Kannibalismus aufgegeben hatte.
ANGELIKA JUNG-HÜTTL
RICHARD RHODES: Tödliche Mahlzeit. Eine schleichende Epidemie bedroht die Menschheit. Deutsch von Sebastian Vogel. Goldmann Taschenbuch (12971), München 2000. 268 Seiten, 16,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein "bemerkenswertes Buch", schreibt Angelika Jung-Hüttl, hat der 1988 für sein Werk über die Atombombe mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Autor vorgelegt, in dem es um die Creutzfeld-Jacob-Krankheit geht. Grundlage seiner Darstellung sind zahlreiche Gespräche mit Wissenschaftlern, vor allem dem amerikanischen Mediziner und Nobelpreisträger Gajdusek. Dessen Erforschung eines noch kannibalistischen Ritualen frönenden Stammes in den Wäldern Neuguineas machte vergleichende Studien möglich und führte Forscher schon früh auf die Suche eines Zusammenhangs zwischen dieser Krankheit und Fleischgenuss. Fahrlässig spät reagierten Politiker z.B. in England auf die Möglichkeit des Zusammenhangs von BSE und CJD, was, wie die Rezensentin nicht ohne Zustimmung anmerkt, Rhodes bis heute vor jedem Fleischgenuss warnen lässt.

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