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Der Niedergang Russlands von der Weltmacht zum korrupten Armenhaus hat viele Ursachen, aber nur wenige Gesichter. Der Aufstieg des Boris Beresowski und einer kleinen Gruppe einflussreicher Finanzmagnaten zeigt, wie die explosive Verbindung von Gewalt, organisiertem Verbrechen, Kapital und Politik den Prozess der Demokratisierung gefährdet. Eine erschreckende Bilanz der postsowjetischen Zeit von Gorbatschow bis Putin.

Produktbeschreibung
Der Niedergang Russlands von der Weltmacht zum korrupten Armenhaus hat viele Ursachen, aber nur wenige Gesichter. Der Aufstieg des Boris Beresowski und einer kleinen Gruppe einflussreicher Finanzmagnaten zeigt, wie die explosive Verbindung von Gewalt, organisiertem Verbrechen, Kapital und Politik den Prozess der Demokratisierung gefährdet. Eine erschreckende Bilanz der postsowjetischen Zeit von Gorbatschow bis Putin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.09.2001

Russlands reichster Vetter
Der Oligarch Boris Beresowskij hat mit unsauberen Mitteln ein weit verzweigtes Imperium aufgebaut
PAUL KLEBNIKOW: Der Pate des Kreml. Boris Beresowskij und die Macht der Oligarchen, Econ Verlag, München 2001. 493 Seiten, 49,90 Mark.
Leider ein aufdringlicher Beginn: Paul Klebnikow hat ein Buch über Boris Beresowskij verfasst, aber der Anfang handelt eher von Paul Klebnikow als vom russischen Oligarchen. „Im Februar 1998 wurde das Forbes Magazine von einem gewissen Boris Beresowskij verklagt”, heißt es im ersten Satz. Anlass sei ein Überblick über Beresowskijs Karriere gewesen, den Autor Klebnikow für Forbes verfasst hatte. Dem russischen Geschäftsmann schien dies nicht gefallen zu haben; er zog vor Gericht, das Magazin aber habe sich von der Aussicht auf einen Verleumdungsprozess nicht einschüchtern lassen, „und so schrieb ich weiterhin über Beresowskij”, schreibt Klebnikow.
Etwas souveräner wäre es freilich gewesen, wenn er sich nicht gleich zu Beginn seines Buches als tapferen Autor preisen und derart um Glaubwürdigkeit werben würde. Schließlich hätte er das nicht einmal nötig gehabt. Jahrelang hat der Amerikaner immer wieder über die russischen Oligarchen recherchiert, hartnäckig und fleißig. Dem ausführlichen Anhang ist zu entnehmen, dass er selbstredend nicht nur mit den wichtigsten der Wirtschaftsbosse Interviews geführt hat (mit einigen sogar mehrmals), sondern ebenfalls mit unzähligen Nebenfiguren im großen Kampf um Geld und politische Einflussnahme. Herausgekommen ist ein Buch, das der Lebenslinie Beresowskijs nachspürt, zugleich aber das Bild eines weit verzweigten Imperiums entwirft, das die Skrupellosigkeiten des Unternehmers zunächst möglich gemacht hat und ihnen später mitunter ausgeliefert war.
Raffgierig und raffiniert
Klebnikow erzeugt kein neues, kein überraschendes Bild von Beresowskij. Dies ist längst zementiert als das eines raffinierten wie raffgierigen Geschäftsmannes, der die Wirren der wirtschaftlichen und politischen Umbrüche in Russland nutzte wie kein anderer, der mit verschlungenen Manövern aus der Privatisierung Kapital schlug und vor kaum einem Mittel zurückschreckte, um Konkurrenten auszuschalten. Die Informationen, die Klebnikow verwendet, sind weitestgehend auf dem Markt gewesen: die Art und Weise, wie Beresowskij den Autohersteller Awtowas ausgebeutet hat, wie er die Kontrolle über die Fluggesellschaft Aeroflot gewann und auch die Macht beim Fernsehsender ORT.
Auch all die Blutspuren, die im Umfeld des russischen Unternehmers zu finden sind, hat nicht Klebnikow aufgegriffen. Der Verdacht, Beresowskij habe die Ermordung des beliebten Fernsehmoderators und -produzenten Wladislaw Listjew in Auftrag gegeben und Ähnliches mit seinem Dauerkonkurrenten in der Medienbranche, Wladimir Gussinskij, geplant (wie es Jelzins ehemaliger Leibwächter Alexander Korschakow behauptet) ist in jeder ausführlicheren Personenbeschreibung nachzulesen.
Klebnikows Buch ist dennoch lesenswert, weil es pedantisch Detail an Detail reiht, weil es in seiner Ausführlichkeit begreifbar macht, wie Beresowskij mit geringem finanziellem Aufwand zum reichsten und mächtigsten Geschäftsmann in Russland mutierte. Einen Gewinn für die armen Russen sieht der Autor in Beresowskij indes nicht. „Das eigentlich Üble an Beresowskijs Machenschaften ist die Tatsache, dass er den Staat für seine privaten Interessen benutzt hat. Er und andere Vertreter dieser kapitalistischen Vetternwirtschaft brachten weder den russischen Verbrauchern, noch der Industrie, geschweige denn der Staatskasse irgendeinen Nutzen. Es wurde kein neuer Wohlstand geschaffen.” Beresowskijs gesamte Geschäftstätigkeit habe sich darauf beschränkt, existierende Betriebe zu übernehmen, die entweder außerordentlich hohe Gewinne versprachen oder über große Reichtümer an Bodenschätzen verfügten. „Er trug nie dazu bei, diese Unternehmen gesünder oder konkurrenzfähiger zu machen.” Sein wirtschaftlicher Erfolg habe auf der Korruption von Regierungsbeamten und Direktoren der staatlichen Industrie beruht. Im Gegensatz dazu, schreibt Klebnikow, habe Beresowskijs großer Rivale Gussinskij immerhin neue Unternehmen geschaffen und tatsächlich den Wert der russischen Volkswirtschaft erhöht.
Verschlungene Wege
Das klingt griffig, aber der Weg zu derlei Resümees ist mitunter weit, verschlungen und immer etwas mühsam. Manchmal entsteht ein solch dichtes Gestrüpp an Informationen, dass man das Buch gern für eine Weile beiseite legen möchte, weil sich Klebnikow in den vielen Details zu verlieren droht. An einigen Stellen wirkt das Werk fast so verzweigt wie das Geschäftsimperium des Hauptdarstellers. Wenigstens findet Klebnikow immer wieder rechtzeitig in die Spur zurück, und so ist es trotz allem ein interessantes Buch, ein echtes Schurkenstück.
FRANK NIENHUYSEN
Russlands Mafia kann noch manches von ihm lernen; Boris Beresowskij selbst hingegen inszeniert sich gern als Saubermann. Foto: Dimitrij Azarov
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2001

Paten auf Rußlands Weg zum Markt
Zum Beispiel Boris Beresowskij: Einst ein hochbegabter Mathematiker

Paul Klebnikow: Der Pate des Kreml. Boris Beresowskij und die Macht der Oligarchen. Econ Verlag, München 2001, 493 Seiten, 49,90 DM.

Bücher über die Mafia, das organisierte Verbrechen und die Oligarchen im nachsowjetischen Rußland sind in Mode. Sie bedienen oft Klischees und verzichten zumeist auf eine ernsthafte Darstellung der Gründe für  ökonomische Fehlentwicklungen der Jelzin-Zeit. Das Buch des amerikanischen Rußland-Kenners Paul Klebnikow ist eine Ausnahme. Es entschlüsselt, auf eine Fülle von Fakten und scharfsinnigen Analysen gegründet und dabei so spannend geschrieben wie ein Kriminalroman, weshalb in Rußland eine derart bodenlose Korruption herrscht, daß "die meisten Leser ungläubig den Kopf schütteln werden".

Bei seinen Recherchen über die russische Mafia habe er stets denselben Rat bekommen, berichtet Klebnikow. "Wenn Sie über organisierte Kriminalität in Rußland schreiben wollen, konzentrieren Sie sich statt auf die schillernden Mafiabosse lieber auf die Regierung. Rußland, so hörte ich ein ums andere Mal, sei ein Gangsterstaat, und sein politisches System sei nichts anderes als eine Regierung der organisierten Kriminalität." Auf seine Frage an den im Mittelpunkt des Buches stehenden Geschäftemacher Boris Beresowskij, weshalb der russische Staat nicht  in der Lage sei, Gangster vor Gericht zu stellen, erhielt Klebnikow dementsprechend die entwaffnende Antwort: "Weil viele Leute in der Regierung selbst Gangster sind. Sie haben kein Interesse an der Aufklärung der Verbrechen."

Klebnikow hat von 1989 bis 1999 - von Michail Gorbatschow bis Wladimir Putin - die Entwicklungen in Rußland als Korrespondent für das Magazin "Forbes" beobachtet. Er kennt sich in der russischen Wirtschaft aus. Während seiner Tätigkeit am Ort des Geschehens hat er den Niedergang Rußlands von einem in Sowjetzeiten geachteten Vertragspartner zu einem Land miterlebt, in dem jeglicher Handel immer mehr zu einer Mauschelei unter Kumpanen verkommen ist.

Die ersten Jahre der Wirtschaftsreformen seien von Bombenanschlägen, Attentaten, von Auftragsmorden unter Geschäftsleuten, Kämpfen zwischen Gangsterbossen um die wirtschaftliche Vermögensmasse im Lande sowie von Kungeleien zwischen höchsten Regierungsbeamten und Gewohnheitsverbrechern gezeichnet gewesen. Selbst ein Mann wie der einstige Privatisierungsminister Anatolij Tschubais habe, schreibt Klebnikow, kein Hehl aus seiner Zusammenarbeit mit Gangstern gemacht. "Wir hatten ja nicht die Wahl zwischen einem idealen und einem kriminalisierten Übergang zur Marktwirtschaft", sagte Tschubais Anfang 1998 dem Buchautor. "Wir standen vor der Alternative: kriminalisierter Übergang oder Bürgerkrieg."

Klebnikow sieht das anders: Für ihn war die Schocktherapie der jungen Reformer um Jegor Gaidar und Tschubais ein Desaster für Rußland. Er belegt mit  Zahlen - zum Beispiel über die Schrumpfung des Bruttosozialprodukts, die steigende Sterblichkeit und die Verarmung der Menschen - eine für die neuere Geschichte beispiellose soziale Katastrophe in Rußland, "vergleichbar lediglich mit Ländern, die von einem Krieg, einem Völkermord oder einer Hungersnot verwüstet worden sind". Klebnikows Buch beruht vor allem auf persönlichen Gesprächen, die der Autor mit den wichtigsten Reformpolitikern und Geschäftemachern, den Oligarchen, geführt hat, bisweilen zitiert er auch Quellen des amerikanischen Geheimdienstes CIA.

Am Ende seiner brillanten, aber auch erschütternden Analyse, die jedem, der in Rußland Geschäfte machen will, als Lektüre dringend empfohlen sei, gibt Klebnikow ein vernichtendes Urteil über die Jelzin-Ära ab. Die Amtszeit des ersten russischen Präsidenten wertet er als Fehlschlag: Die Freiheiten, die Jelzin gebracht habe, hätten vor allem einer Handvoll politischer Hasardeure gedient. "Für das russische Volk war die Jelzin-Ära in wirtschaftlicher, sozialer und demographischer Hinsicht  die größte Katastrophe seit Hitlers Einmarsch 1941."

Klebnikow hat nicht zufällig den Titel seines Buches Beresowskij gewidmet. Während viele Russen den Niedergang ihres Landes in den neunziger Jahren beschleunigt hätten, habe Beresowskij die Dynamik jener Epoche verkörpert. Keiner habe es wie er verstanden, aus jeder neuen Wende in Rußlands qualvollem Übergang zur Marktwirtschaft Kapital zu schlagen. Als er sich der Politik zuwandte, sei Beresowskij der Primus inter pares gewesen. "Nachdem er weite Teile  der russischen Industrie in seinen Besitz gebracht hatte, schritt er zur Privatisierung des Staates."

In Rußland erlebe man drei Stufen der Privatisierung, sagte Beresowskij 1996 dem Buchautor mit dem ihm eigenen Zynismus: "Die erste Stufe ist die Privatisierung der Profite; die zweite ist die Privatisierung des Kapitals, und die dritte ist die Privatisierung der Schulden." Es sei nicht nötig gewesen, erläutert Klebnikow, ein Unternehmen zu kaufen, um es zu kontrollieren. Man brauchte nichts weiter zu tun, als Einfluß auf das Management zu gewinnen und durch Mittelsmänner die Gewinne des Unternehmens in die eigene Tasche zu lenken. So wurde Beresowskij vom hochbegabten Mathematiker zum windigsten Geschäftemacher und reichsten Mann Rußlands. Zu seinen Praktiken gehörte, daß beinahe jeder, der sich widersetzte, ums Leben kam.

Nach der  Autoindustrie, dem Fernsehen, der Luftfahrt und der Ölindustrie war der Einstieg in das Aluminiumgeschäft Beresowskijs fünfter Beutezug. Beresowskijs Erfolg hat auf der Korruption von Regierungsbeamten und Direktoren der staatlichen Industrie beruht. Wie einst in Jelzin, fand er auch in Putin  einen Freund. Mehrfach war er als finanzkräftiger Förderer des heutigen russischen Präsidenten aufgetreten. Als er sah, daß ihm das keine Immunität vor Strafverfolgung garantierte, verließ Beresowskij Rußland.

ELFIE SIEGL

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Boris Beresowski hat es geschafft. Der zwielichtige Geschäftsmann, Förderer von Boris Jelzin und Wladimir Putin, ist ein "bisnesmen, wie er im Buche steht", schreibt Karl Grobe. Und zwar einer, der sich am Erbe des Sowjetkommunismus unermesslich bereichert hat, einer, der mit Geschick, brutalen Machenschaften und Bauernschläue staatliche Gewinne auf die eigenen Schweizer Konten zu überweisen weiß. Das hat der Rezensent dem Buch des promovierten Historikers und Forbes-Journalisten Paul Klebnikows entnommen, das er für aufwendig und sorgfältig recherchiert sowie für gut lesbar hält. Die Erfolgsstory des Beresowski liest sich wie ein Wirtschaftskrimi erster Güte, meint Grobe. Der "Pate des Kreml" hat bisher Korruptionsskandale, eine Autobombe, finstere Kremlintrigen, ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes und einen Haftbefehl schadlos überstanden, berichtet der Rezensent und empfiehlt die aufregende Lektüre allen, die wissen wollen, warum der neue Kapitalismus in Russland ohne Demokratie und soziale Marktwirtschaft vonstatten geht. Die Fallstudie von Klebnikow verrate darüber mehr, als Politiker und Manager jemals im vertraulichen Plausch den vermeintlichen Demokraten der neuen Klasse in Russland entlocken könnten, verspricht der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH