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Die Domänenfrage ist ein großes Thema der deutschen Verfassungsgeschichte - die Gretchenfrage bei der Entstehung staatlicher Rechtspersönlichkeit. Diese Frage behandelt der Verfasser erstmals umfassend. Gestützt auf eingehende Archivrecherchen weist er nach, dass im 19. Jahrhundert meist nur die deutschen Fürstentümer Rechtspersönlichkeit erlangten, die staatliches Domäneneigentum kannten.
Neben diesem Aspekt hatte die Lösung der Domänenfrage auch finanzielle Auswirkungen. In den Fürstentümern ohne staatliches Domäneneigentum blieb es bei der Ertragshoheit der fürstlichen Kammer. Die Stände
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Produktbeschreibung
Die Domänenfrage ist ein großes Thema der deutschen Verfassungsgeschichte - die Gretchenfrage bei der Entstehung staatlicher Rechtspersönlichkeit. Diese Frage behandelt der Verfasser erstmals umfassend. Gestützt auf eingehende Archivrecherchen weist er nach, dass im 19. Jahrhundert meist nur die deutschen Fürstentümer Rechtspersönlichkeit erlangten, die staatliches Domäneneigentum kannten.

Neben diesem Aspekt hatte die Lösung der Domänenfrage auch finanzielle Auswirkungen. In den Fürstentümern ohne staatliches Domäneneigentum blieb es bei der Ertragshoheit der fürstlichen Kammer. Die Stände hatten dort das Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich schon Jahre vor 1848/49 ein Ausgabenbewilligungsrecht. Der Verfasser weist nach, dass sich dieses weitgehend auf die aus Steuermitteln zu tätigenden Ausgaben beschränkte. Auf die Ausgaben der fürstlichen Kammer hatten die Stände keinen Einfluss.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2007

Wer weitere Schwabenstreiche verhindern will, lese dieses Buch!
Damit der Staat nicht Kunstwerke kauft, die ihm schon gehören: Winfried Klein hält dem Haus Baden den rechtshistorischen Spiegel vor

Wenn ehemals regierende Häuser ihren Bestand an Grundbesitz, Schlössern, Bibliotheken sowie Kunst & Krempel mustern, der nun die großen Auktionen bedient, erwacht die Öffentlichkeit. Was die Häuser Hannover, Fürstenberg, Thurn und Taxis in den letzten Jahren sowie neuerdings das Haus Baden zu Markte tragen, sind Millionenwerte. Sie werden benötigt, um die verbleibenden Bauwerke und Wirtschaftsbetriebe zu sanieren, vielleicht auch nur um sich von einem Übermaß an silbernen Zuckerzangen zu befreien. Oft sind Spitzenstücke von nationaler Bedeutung dabei, etwa die Markgrafentafel von Hans Baldung Grien. Damit nicht solche Schwabenstreiche passieren, dass der Staat Dinge noch einmal kauft, die ihm von Rechts wegen schon gehören, muss man Bescheid wissen, wie die Verfassungsgeschichte der deutschen Einzelstaaten seit dem späten achtzehnten Jahrhundert verlaufen ist.

Natürlich verlief sie unterschiedlich, aber doch im Ganzen nach einem Muster. Allmählich trennten sich Fürstenvermögen und Staatsvermögen. Der Fürst als "Eigentümer" von Land und Leuten verwandelte sich in ein Staatsorgan, der Staat selbst, nicht nur der Fiskus, wurde zur juristischen Person. Die alten Landstände, die ihr Steuerbewilligungsrecht hüteten, aber die Ausgabenseite nur mittelbar beeinflussen konnten, waren nun gewählte Parlamente, die danach strebten, die Exekutive durch ein detailliertes Haushaltsgesetz zu binden. Hierbei spielte die "Domänenfrage" eine wichtige Rolle. Ursprünglich land- und forstwirtschaftliches Eigentum des Fürsten, aus dem die Hofhaltung bestritten wurde, blieben die Domänen im neunzehnten Jahrhundert entweder unantastbares Hausgut des regierenden Hauses, das sich immerhin dazu bequemte, Überschüsse an die Staatskasse abzugeben, oder sie gingen ganz oder teilweise in Staatsbesitz über, während der Regent vom Parlament eine "Zivilliste" bekam.

Letzteres war die modernere Lösung, gegen die sich aber die Regenten der Kleinstaaten meist sträubten. Das alles zog sich mit parlamentarischen Kämpfen, Rechtsgutachten und Schiedsgerichten bis ins letzte Drittel des neunzehnten Jahrhunderts hin und wurde nach der Revolution von 1918 in neue Verträge gegossen. 1948 enteignete die Sowjetische Besatzungszone in ihrem Bereich nochmals entschädigungslos, ein Unrecht, das erst mit dem Einigungsvertrag 1990 ein kompromisshaftes Ende fand.

Winfried Klein, Doktorand des Verfassungshistorikers, Finanz- und Steuerrechtlers Reinhard Mußgnug in Heidelberg, nimmt sich - nach einer etwas schwächeren allgemeinen Einleitung und einem rechtsvergleichenden Überblick - Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen und Baden vor, um diese Vorgänge zu rekonstruieren. Dabei zeigt sich, dass die thüringischen Kleinstaaten relativ früh und anders als im übrigen Deutschland den Parlamenten das Kontrollrecht für die Ausgabenseite zugestanden. In der Domänenfrage konnten sie aber länger als andere den alten Standpunkt behaupten, es handle sich um Privatvermögen der Dynastien. Den Regierungen gelang es, die Verstaatlichung der Domänen bis 1918 zu verschleppen, auch wenn die Erträge in den Staatshaushalt flossen. In Baden behauptete die Verfassung von 1818, die Domänen seien "unstreitiges Patrimonialeigenthum". Erst 1919 wurden sie "ausschließlich Eigentum des badischen Staates", freilich gegen eine Abfindung. In der Inflation von 1923 verlangte der Großherzog eine Aufwertung seiner Abfindung um 75 Prozent, doch einigte man sich auf den Verkauf von 511 Kunstwerken für 4 Millionen Reichsmark.

Damit ist die Doktorarbeit beim gegenwärtigen Streitfall in Baden-Württemberg angekommen, zu dem auch Mußgnug in dieser Zeitung Stellung genommen hat (F.A.Z. vom 29. September 2006). Was die von der Landesregierung eingesetzte Expertenkommission im Detail aus den badischen Verträgen ermitteln wird, weiß man noch nicht. Aber man kann schon aus dieser Doktorarbeit ablesen, wo die generelle historische Entwicklungslinie von 1803/1806 bis in die Gegenwart verläuft: vom Privatbesitz zum Staatseigentum, vom standesgemäßen Regentenaufwand zum allgemeinen Staatshaushalt, vom Einspruchsrecht der fürstlichen Verwandtschaft zum Alleinbestimmungsrecht der Parlamente. Warum auch nicht - die herrlichen Handschriften, Gemälde und Porzellansammlungen sind schon seinerzeit mit dem Schweiß der Untertanen erworben worden. Die heutigen Steuerzahler sollten sie nicht ein zweites Mal bezahlen.

MICHAEL STOLLEIS

Winfried Klein: "Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts". Schriften zur Verfassungsgeschichte, Band 78. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2007. 242 S., br., 69,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Stolleis liest diese Dissertation vor allem mit Blick auf den Streit der Familie Baden mit der Landesregierung von Baden-Württemberg um die Rechte an dem einst fürstlichen Kunstbesitz. In Winfried Kleins Arbeit geht es um die verfassungsgeschichtliche Entwicklung der Eigentumsrechte an den landwirtschaftlichen Domänen, die zeitlich ganz unterschiedlich und oft gegen Widerstände aus dem fürstlichen Patrimonialeigentum in den staatlichen Besitz übergingen. Die Einleitung findet der Rezensenten etwas schwächer, doch den Rest hat er mit großem Gewinn gelesen. Und so empfiehlt er dieses Buch allen, die sich nicht etwas verkaufen lassen wollen, was ihnen schon gehört.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wer weitere Schwabenstreiche verhindern will, lese dieses Buch! Damit der Staat nicht Kunstwerke kauft, die ihm schon gehören." Michael Stolleis, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 76 vom 30. März 2007