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Die Untersuchung gilt dem in seiner Generation einstmals als führend erachteten Historiker Erich Marcks. Es soll ein integrativer Ansatz der Erforschung historiographischer Oeuvres exemplarisch vorgeführt werden. Historie ist literarische Hervorbringung, sie hat wie Literatur eine wesentlich formale Seite und zeigt sich beeinflußt durch literarische Erzählverfahren; Historie ist aber zugleich Wissenschaft in einem disziplinären Entwicklungszusammenhang, und sie ist Politik, die sich aus politischer Lebenspraxis und Zeitgenossenschaft speist.
Des weiteren zielt die Studie auf eine
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Produktbeschreibung
Die Untersuchung gilt dem in seiner Generation einstmals als führend erachteten Historiker Erich Marcks. Es soll ein integrativer Ansatz der Erforschung historiographischer Oeuvres exemplarisch vorgeführt werden. Historie ist literarische Hervorbringung, sie hat wie Literatur eine wesentlich formale Seite und zeigt sich beeinflußt durch literarische Erzählverfahren; Historie ist aber zugleich Wissenschaft in einem disziplinären Entwicklungszusammenhang, und sie ist Politik, die sich aus politischer Lebenspraxis und Zeitgenossenschaft speist.

Des weiteren zielt die Studie auf eine grundsätzliche Verteidigung des Historismus gegen die Anwürfe seiner zahlreichen Verächter. Die im »Irrationalismus«-Vorwurf gipfelnden Gemeinplätze der Kritik werden im Angesicht der Texte und von einem geschichtstheoretisch-narrativistischen Standpunkt aus zurückgewiesen.

Marcks' Texte sind Kunst und doch Wissenschaft. Die politische Seite seines Wirkens verdient differenziertere Deutungen als die vom »alldeutschen Annexionismus« oder der »Wegbereitung des Nationalsozialismus«. Und: Anders als die Forschung will, war Marcks kein »Ranke-Epigone«. Die Entwicklung seiner durchaus modernen Perspektiven vollzog sich ohne Ranke. Der in der Forschung bisher verwendete Begriff des »Neorankeanismus« ist unbrauchbar.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.07.2004

Männer und Zeiten
Zwischen Dichtung und Bismarck: Der Historiker Erich Marcks
Man kann nicht behaupten, dass sich der Historiker Erich Marcks einer besonderen Aufmerksamkeit erfreut. Das war zu seinen Lebzeiten anders, wie die Auflagenhöhen der zahlreichen Bücher zeigen: Wilhelm I. und Bismarck widmete er Biographien, seine Aufsätze gab er in zwei Bänden unter dem Titel „Männer und Zeiten” heraus, und 1936 erschien seine ebenfalls zweibändige Geschichte des Reiches von 1807-1871/8. All das, neben einer großen Zahl von Artikeln, Aufsätzen und kleineren Schriften, ist weitgehend vergessen. Gelegentlich erscheint sein Name in den Debatten um die sogenannten „Neo-Rankeaner” oder in Abhandlungen zur Kriegspublizistik deutscher Professoren.
Jens Nordalm stemmt sich gegen die Missachtung seines Helden, gegen die vielen schlechten Zeugnisse, die Marcks zuteil wurden. Die Liste der Verächter ist ebenso lang wie prominent: Hans-Heinz Krill, Golo Mann, Ernst Schulin und viele andere kritisierten den Bismarck-Apologeten, den vor Hitler in die Knie gehenden Historiker, den antiliberalen Nationalisten. Die bei Klaus Hildebrand in Bonn entstandene Dissertation will einen „anderen” Marcks präsentieren: Künstler, Wissenschaftler und Politiker sei er gewesen. Die Charakterisierungen sind gleichzeitig die Überschriften zu den drei großen Abschnitten, die Nordalm mit vielen Archivfunden bestückt.
Kein naiver Zeitgenosse
Weder Neo-Rankeaner, noch naiver Zeitgenosse sei Marcks gewesen, sondern ein an Darstellungsformen von Geschichte interessierter Kopf, ein für neue Ideen offener Intellektueller und ein dank seiner historischen Bildung vor allerlei grassierenden Vorurteile geschützter Realist. „Poetischen Realismus” sieht Nordalm bei Marcks am Werk. Was dabei durch die Verknüpfung von „Anschauung” und „Einfühlung” entstand, sei im strengen Sinne Wissenschaft.
Zur Stärkung seiner These zitiert Nordalm lang und breit aus Marcks Publikationen, sieht dabei mal den „Impressionisten”, dann den „Dramatiker” am Werk. Verdichtet finden sich Marcks’ Ambitionen in der Neigung biographisch zu arbeiten. All das wird aber nicht im Abgleich mit den intensiven gegenwärtigen Diskussionen über das Verhältnis von Ästhetik und Geschichtsschreibung konstatiert. Marcks wird konsequent historisiert, sein intellektuelles Profil wird zwischen den Malern Ludwig von Hofmann und Leopold von Kalckreuth konturiert und im Rückgriff auf Friedrich Meinecke erhellt.
Gleichwohl wundert man sich, wenn Nordalm ausgerechnet die Notate von Franz Rosenzweig zu Marcks’ Methode übergeht. Der Autor hätte sich und dem Leser manche Mühe ersparen können, wenn er statt ständiger Wiederholungen von bereits Gesagtem Rosenzweigs Einschätzung zitiert hätte: „Das Wesen der Marcksschen Methode besteht nicht darin, dass das Allgemeine wegfiele, sondern nur dass es nicht mehr Centrum ist, aber notwendiger Beziehungspunkt bleibt.” Genauer kann man das eigentümlich biographisch-poetische Verfahren von Marcks nicht wiedergeben. Rosenzweig sieht seine bei Friedrich Meinecke geschriebene Dissertation über „Hegel und der Staat” ganz in einer „Linie” mit Marcks’ Ideen. Von hier aus hätte Nordalm die Perspektive seiner Arbeit weiten können.
In den Kapiteln über den Wissenschaftler und Politiker Marcks hingegen legt er ein beeindruckendes Geflecht an Bekanntschaften und Freundschaften offen, das dem oft depressiv-verschlossenen, dabei akademisch erfolgreichen Leben von Marcks manche Farbtupfer aufträgt. Unter anderem mit Alfred Lichtwark, Max Liebermann oder Aby Warburg stand er in engerem Kontakt.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Freundschaft mit Juden und Antisemitismus nebeneinander existieren. So auch bei Marcks. Der immer wieder anzutreffende antisemitische Ton wird von Nordalm ausführlich dargestellt und an keiner Stelle relativiert. Einfluss auf Marcks’ wissenschaftliche Arbeit kann er in dieser Einstellung zurecht jedoch nicht beobachten.
Und gleichwohl hätte Nordalm spätestens hier mehr sagen müssen. Stattdessen verzettelt er sich in einem Abwehrkampf gegen die Legionen von vermeintlichen Falschlesern. In dem Buch findet sich keinerlei Verwendung diskursanalytischer oder psychologischer Kategorien, die Nordalm geholfen hätten, die Gleichzeitigkeit von zeittypischer Verstocktheit und Ressentiment und die Beziehungen zur intellektuellen und künstlerischen Avantgarde in Beziehung zu setzen.
Marcks war als politischer Historiker ein antimoderner Reaktionär, der in seinen Briefen, privaten Reflexionen und sozialen Beziehungen durchaus diese vermeintliche Festlegung durchstieß. Doch statt solche Potentiale aufzuschließen, enthüllt Nordalm am Ende sein Anliegen: „Das hier gegebene Bild des politischen Menschen Marcks mag dazu ermahnen, die ‚deutschen Mandarine’ insgesamt künftig mit etwas weniger Grimm zu verfolgen.”
Das allerdings ist in mehrfacher Hinsicht ein merkwürdiger Satz. Wer „verfolgt” denn die „deutschen Mandarine” mit „Grimm”? Tun es nicht ihre Schriften selbst? Was kann das hier eingeklagte Verständnis an Erkenntnissen zu Tage fördern? Oder ist Nordalm seinem Helden, dem notorischen Bismarck-Verehrer, auf den Leim gegangen, indem er sich, wie Marcks selbst, mit seinem Gegenstand identifiziert?
THOMAS MEYER
JENS NORDALM: Historismus und moderne Welt. Erich Marcks (1861-1938) in der deutschen Geschichtswissenschaft. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2003. 414 Seiten, 98 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Thomas Meyer hat so einiges zu bemängeln an der Dissertation von Jens Nordalm. Nordalm befasst sich mit dem 1938 verstorbenen Historiker Erich Marcks, der zu damaliger Zeit mit Biografien von Bismarck und Wilhelm I. enorme Auflagenlagenhöhen erreichte, heute aber nahezu vergessen oder bestenfalls als "Bismarck-Apologet" verschrien ist. Ziel Nordalms sei es, den "anderen" Marcks zu zeigen, "der Künstler, Wissenschaftler und Politiker" gewesen sei. Zunächst mäkelt Rezensent Meyer an den Passagen über den "Künstler" Marcks, die den "poetischen Realismus" seiner Biographien nachzeichnen. Ihn stört, dass Marcks nur "historisiert" und nirgends die Anküpfung an aktuelle Debatten über "Ästhetik und Geschichtsschreibung" gesucht werde. Auch Franz Rosenzweigs Notate über Marcks, die laut Meyer die "Perspektive" der Arbeit erweitert hätten, habe sich Nordalm durch die Lappen gehen lassen. Sodann kritisiert der Rezensent die Passagen über den "Wissenschaftler" und "Politiker" Marcks: Zwar lobt er , dass Nordalm "ein beeindruckendes Geflecht" an Beziehungen in Marcks Leben zu Tage fördert und damit auch manchen "Farbtupfer" auftrage; aber für den Widerspruch, dass ein "antimoderner Reaktionär" wie Marcks enge Kontakte zur Avantgarde gehabt hat, finde sich hier keine befriedigende Erklärung. Rezensent Meyer vermisst besonders die Verwendung "diskursanalytischer oder psychologischer" Ansätze. Alles in allem bedauert Meyer, dass sich Nordalm "verzettelt" habe in einem "Abwehrkampf gegen die Legionen von vermeintlichen Falschlesern".

© Perlentaucher Medien GmbH
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