Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 42,00 €
  • Broschiertes Buch

Auf deutschem Boden befand sich für mehr als 40 Jahre nicht nur die Nahtstelle zwischen Ost und West, sondern auch das Spielfeld für zwei Mannschaften - die westliche Demokratie und die sozialistische Diktatur des Proletariats, vertreten durch die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bzw. deren Vorläufer - die entsprechenden Besatzungszonen. Die eine Mannschaft wähnte sich auf dem Weg ins Paradies auf Erden und gab den Kampf auf diesem Weg auf. Die Gründe dieses Aufgebens werden vermutlich noch Forschergenerationen beschäftigen.
Der Zusammenbruch des
…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Auf deutschem Boden befand sich für mehr als 40 Jahre nicht nur die Nahtstelle zwischen Ost und West, sondern auch das Spielfeld für zwei Mannschaften - die westliche Demokratie und die sozialistische Diktatur des Proletariats, vertreten durch die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bzw. deren Vorläufer - die entsprechenden Besatzungszonen. Die eine Mannschaft wähnte sich auf dem Weg ins Paradies auf Erden und gab den Kampf auf diesem Weg auf. Die Gründe dieses Aufgebens werden vermutlich noch Forschergenerationen beschäftigen.

Der Zusammenbruch des bürokratischen Sozialismus hat langfristige Ursachen, die in ihrem Zusammenwirken in dem vorliegenden Sammelband einen Beitrag zur Erforschung leisten. Überschneidungen bei der Behandlung der einzelnen Themengebiete waren nicht zu vermeiden. Die Verfasser sind Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und ehemalige Akteure in Politik und Diplomatie.
Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. Heiner Timmermann, Professor für europäische Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; Vorstandsvorsitzender der Akademie Rosenhof e.V., Weimar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.1999

Ohne wirklichen Zusammenhalt
Forschungen zum DDR-Sozialismus

Heiner Timmermann (Herausgeber): Die DDR - Erinnerung an einen untergegangenen Staat. Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Band 88. Duncker & Humblot, Berlin 1999. 592 Seiten, Tabellen und Abbildungen, 158,- Mark.

Sammelbände wie der vorliegende, die aus einer wissenschaftlichen Tagung hervorgehen, haben ihre Vorzüge, aber auch ihre Nachteile. In ihrer Vielfalt bieten sie eine Menge Stoff, Anregung und Information, aber es fehlt die Systematik, die innere Geschlossenheit. Mit dem von Heiner Timmermann herausgegebenen Konvolut, in dem nicht weniger als 29 Autoren zu Wort kommen, verhält es sich nicht anders. Auf fast sechshundert Seiten vereint das Buch in sich die zur Publikation aufbereiteten Beiträge eines Kolloquiums zur DDR- und Deutschlandforschung, das 1997 vom Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Europäischen Akademie Otzenhausen veranstaltet wurde, zum vierten Male übrigens. Indes reihen sich die einzelnen Beiträge aneinander ohne inhaltlichen Zusammenhang.

Stattdessen finden sich, um das exemplarisch zu machen, Untersuchungen darin zur Zerschlagung des politischen Widerstands durch das Ministerium für Staatssicherheit am Beispiel der "Sektion DDR" der KPD/ML von Tobias Wunschik (Berlin), zu deutschlandpolitischen Aktivitäten des ehemaligen Sozialdemokraten und brandenburgischen Ministerpräsidenten Carl Steinhoff aus dem Jahre 1947 von Fritz Reinert (Potsdam), zur Entwicklung der Ehescheidungen in der Ära Erich Honecker von Lothar Mertens (Bochum) und über die deutsche Minderheit in Polen als Problem der ostdeutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren 1949 bis 1963 von Beate Ihme-Tuchel (Berlin) - alles solide Arbeiten, jede für sich höchst lesenswert, aber die Frage ist erlaubt, ob bei der Zusammenstellung des Bandes nicht allzu sehr das Prinzip Zufall waltete.

Thematisch teilt sich das Buch nach einer leider recht flüchtig formulierten, wenig präzisen Einführung des Herausgebers in vier Sachbereiche ein - die zum einen Beiträge zur Ursachenanalyse des DDR-Untergang offerieren, zum anderen zu speziellen Aspekten von Herrschaft, Alltag und den Außenbeziehungen der DDR.

Entscheidungsprozesse

Vorab informieren drei nichtdeutsche akademische Forschungseinrichtungen über ihre Arbeit auf dem Gebiet der DDR- und Deutschlandforschung: das Historische Seminar der Universität Kopenhagen, das flämische "Centrum voor Duitslandstudien" in Antwerpen und das Institut für zeitgeschichtliche Forschung an der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag - womit schon angedeutet ist, dass nicht nur deutsche Historiker und Politologen in dem Sammelband vertreten sind, sondern - erfreulicherweise - auch Autoren aus Belgien und den Niederlanden, aus Dänemark, England, Frankreich, Tschechien und Ungarn.

Hervorzuheben sind die Ausführungen von István Horváth, ehemals ungarischer Botschafter in Bonn, der aus eigener Mitwirkung den politischen Entscheidungsprozess schildert, der am 10. September 1989 zur Öffnung der ungarischen Grenze nach Österreich führte. "Eines war jedoch klar", schreibt er. "Als Ergebnis der eventuellen Öffnung der ungarischen Grenze musste man mit einer vollkommen neuen ,deutschen Situation' rechnen, die die Notwendigkeit der Berliner Mauer in Frage stellt." Als gut zwei Wochen zuvor eine Regierungsdelegation aus Budapest mit Helmut Kohl und Hans Dietrich Genscher auf Schloss Gymnich darüber konferierte, ist auf deutscher Seite offenbar die politische Brisanz der zu treffenden Entscheidung erst voll begriffen worden. In letzter Konsequenz wurde mit der ungarischen Grenzöffnung die Öffnung der Berliner Mauer vorbestimmt.

Vor diesem Hintergrund macht die materialreiche Studie, die Monika Tantzscher (Berlin) über die Zusammenarbeit des MfS einst mit den "befreundeten" Ostblock-Sicherheitsdiensten zur Unterbindung der "Republikflucht" über sozialistische Drittländer beisteuert, wieder einmal bewusst, mit welchem Aufwand das Regime der SED die permanente "Abstimmung mit den Füßen" im Wissen um die seine Herrschaft destabilisierende Wirkung bekämpfen ließ.

Nasser Tod

Eine sinnvolle Ergänzung dazu liefert Frank Petzold (Kiel) mit seiner Studie über die "Staatsgrenze Nord". Darin wird eindringlich dargelegt, dass zwischen 1961 und 1989 Tausenden fluchtwilliger DDR-Bürger der Weg über die Ostsee eine Erfolg versprechende Alternative zur Option einer Flucht über die hermetisch abgeriegelte Landgrenze oder die Berliner Mauer erschien. Die Schwierigkeiten und Gefahren, die damit verbunden waren, wurden von vielen Flüchtlingen unterschätzt. "Zu Lande mussten sie das Grenzregime der Küstenregion einschließlich der unmittelbar am Strand eingesetzten Postenstreifen der GBK (= Grenzbrigade Küste) überwinden, und seeseitig auch noch die Drei-Meilen-Zone (bzw. ab 1985 Zwölf Meilen) der DDR und die ,freie' Ostsee mindestens bis zu den bundesdeutschen oder dänischen Hoheitsgewässern durchqueren." Wie viel Flüchtlinge dabei dem "nassen Tod" zum Opfer fielen, wird sich niemals mehr recherchieren lassen.

Aufschlussreiche Erkenntnisse zur ökonomischen Situation der DDR bietet Helmut Jenkis (Garbsen) an. Seine kritische Analyse zu Honeckers Konzept der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" macht auch dessen Scheitern plausibel. Rainer Karlsch (Berlin) untersucht akribisch mit bislang kaum bekannten Zahlen die in die Milliarden Mark gehenden Lasten, die der DDR mit den von ihr aufzubringenden Stationierungskosten für die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und mit der Subventionierung des Uranbergbaus im Rahmen der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut bis zur Endzeit aufgebürdet waren.

Unter den Studien zu den DDR-Außenbeziehungen zieht besonders die Skizze von Bernd Schäfer (Dresden) über das Verhältnis der DDR zum Vatikan Interesse auf sich. Zuletzt kam die Ostberliner Regierung noch auf den Gedanken, den für 1991 vereinbarten Besuch des Papstes im zweiten deutschen Staat demonstrativ um ein Jahr vorzuziehen. "Solche Planspiele, die letzten davon noch im Februar 1990, wurden jedoch von der Wirklichkeit rasant überholt." Allerdings.

Die Arbeiten des Sammelbandes sind durchweg gut fundiert und materialreich angelegt. Ihr wissenschaftlicher Gewinn für die DDR- und Deutschlandforschung ist unverkennbar.

KARL WILHELM FRICKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Band versammelt die Vorträge der alljährlich an der Europäischen Akademie Otzenhausen stattfindenden interdisziplinären DDR-Forschertagung aus dem Jahr 1998. Aus den 50 Beiträgen hebt Rezensent Eckhard Jesse vor allem den von Siegfried Grundmann hervor, den er bestechend findet. Grundmann untersucht den "DDR-Alltag im Jahre 1987". Prägend ist die Bedeutung der Arbeit auch abseits des Arbeitsplatzes, auffällig sind "Gemeinsamkeiten im Lebenszyklus der Menschen" wie die frühe Heirat, die weit verbreitete Doppelrolle der berufstätigen Mütter. Axel Grosse beschreibt in einem zweiten von Jesse erwähnten Aufsatz die "Gegenkultur" in der DDR. Der Rezensent stimmt dem Autor darin zu, dass die These, "eine solche Gegenkultur sei von der Staatssicherheit lediglich simuliert worden", so keinesfalls haltbar ist.

© Perlentaucher Medien GmbH