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"Die Hände meines Vaters" ist eine epische russische Familiengeschichte vor dem Panorama der Oktoberrevolution, der Weltkriege wie des ganzen 20. Jahrhunderts. Irina Scherbakowas jüdische Großmutter hat die Pogrome, die Oktoberrevolution und den Bürgerkrieg von 1917/18 überlebt. Ihr Vater kämpfte als Offizier im Zweiten Weltkrieg vor Stalingrad. Und sie selbst wuchs zur Stalinzeit in Moskau auf: Irina Scherbakowa stammt aus einer Familie, die alle Schrecknisse des 20. Jahrhunderts miterlebt hat. Und doch empfindet die renommierte russische Publizistin ihre Familiengeschichte als eine…mehr

Produktbeschreibung
"Die Hände meines Vaters" ist eine epische russische Familiengeschichte vor dem Panorama der Oktoberrevolution, der Weltkriege wie des ganzen 20. Jahrhunderts.
Irina Scherbakowas jüdische Großmutter hat die Pogrome, die Oktoberrevolution und den Bürgerkrieg von 1917/18 überlebt. Ihr Vater kämpfte als Offizier im Zweiten Weltkrieg vor Stalingrad. Und sie selbst wuchs zur Stalinzeit in Moskau auf: Irina Scherbakowa stammt aus einer Familie, die alle Schrecknisse des 20. Jahrhunderts miterlebt hat. Und doch empfindet die renommierte russische Publizistin ihre Familiengeschichte als eine glückliche - sind ihre Vorfahren und sie doch immer wider alle Wahrscheinlichkeit davongekommen, Und so wird Irina Scherbakowas Buch zu einem beeindruckenden Porträt nicht nur einer Familie, der es stets mit viel Glück gelang, düstere Zeiten zu überstehen, sondern auch und vor allem die mitreißende Geschichte eines bewegten Jahrhunderts.

Autorenporträt
Scherbakowa, IrinaIrina Scherbakowa, geboren 1949 in Moskau, ist Historikerin, Publizistin und Übersetzerin. Sie war als Redakteurin unter anderem bei der renommierten Literaturnaja Gaseta tätig. Sie arbeitet bei der Moskauer Gesellschaft "Memorial", die sich für die Aufklärung der sowjetischen Repressionen und den Schutz der Menschenrechte in Russland einsetzt. Irina Scherbakowa war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und erhielt 1994 den Katholischen Journalistenpreis. Sie lebt in Moskau.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.12.2017

Gedächtnisarbeit
für die Zukunft
Irina Scherbakowas russische Familiengeschichte
Es gibt in Russland längst keine Adeligen mehr, wie sie im deutschsprachigen Raum noch vorkommen, die gelegentlichen Vons und Zus. In 75 Jahren proletarischer Diktatur entstand in Russland eine neue Elite, die sowjetische Parteinomenklatur. Später wurde sie abgelöst durch Präsident Putins Elite, eine einzigartige Gesellschaftsschicht, die raubkapitalistische Skills mit Geheimdienstpatriotismus sowjetischer Art verbindet.
Eine intellektuelle Elite, die Putins Regime bedient, gibt es natürlich auch. Die Moskauer Publizistin Irina Scherbakowa zählt nicht dazu. Sie ist kein Liebling der Staatsmedien, keine Bestsellerautorin. Dabei leistet sie genau jene intellektuelle Arbeit, ohne die Russland keine gute Zukunft haben kann: Gedächtnisarbeit.
Scherbakowa arbeitet für die Gesellschaft Memorial, eine vom Staat gegängelte Organisation, die mit Archivforschung, Ausstellungen, Aufsatzwettbewerben an Schulen die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus wachhält – in einer Zeit, in der im ganzen Land wieder Stalin-Denkmäler errichtet werden. Der Gründer von Memorial, der mutige Historiker Arsenij Roginskij, starb Anfang dieser Woche.
Irina Scherbakowa hat ein autobiografisches Buch geschrieben, „Die Hände meines Vaters: Eine russische Familiengeschichte“. In Russland ist es noch nicht erschienen, dafür aber bereits in Deutschland, im Droemer-Verlag in München. Das Buch ist jedem zu empfehlen, der über Russland nachdenkt, ob still oder öffentlich. Vor allem ist es jenen Russlanderklärern in Deutschland zu empfehlen – zum Beispiel der Bestseller-Autorin Gabriele Krone-Schmalz –, die „Russland“ vor Putin-Kritikern in Schutz nehmen, indem sie Putins Interessen mit den Interessen der russischen Gesellschaft gleichsetzen.
„Die Hände meines Vaters“ ist eine persönliche und detaillierte Antwort auf die Frage, wie der russische Staat im 20. Jahrhundert seine Bürger missbraucht hat und wie er das weiterhin tut, solange die alten Verbrechen nicht aufgearbeitet sind.
Scherbakowa stammt wohlgemerkt aus keiner Dissidenten-Familie, ihr Großvater mütterlicherseits war ein hohes Tier bei der Kommunistischen Internationale. Nach der Auflösung der Komintern 1943 wurde deren Exekutivkomitee de facto zur außenpolitischen Abteilung der Kommunistischen Partei der UdSSR, geleitet vom Bulgaren Georgi Dimitrow, dem späteren Ministerpräsidenten Bulgariens. Scherbakowas Großvater war dessen Referent.
Die Familie lebte im legendären Moskauer Hotel Lux, in dem viele ausländische Kommunistenführer lebten, die aus ihren Heimatländern geflohen waren. Etwa Walter Ulbricht. Scherbakowas Mutter lernte bei Ulbricht in einem Moskauer Vorort Skilaufen. „Das war vielleicht das einzige Menschliche an Walter Ulbricht, dass er den Kindern aus dem Lux in Kunzewo das Langlaufen beibrachte. (Sport war ihm schon immer sehr wichtig!)“, schreibt Scherbakowa. „Und meine Mutter war seine beste Schülerin, was sie an uns weiterzugeben versuchte.“
Scherbakowas Mutter ging auf dieselbe Schule wie Stalins Tochter Swetlana. Die beiden blieben jahrelang in Kontakt. Eine beklemmende Kindheitserinnerung von Irina (geboren 1949): Moskau 1956, oder um den Dreh herum, eine rothaarige Frau bleibt vor dem Konservatorium stehen, beim Tschaikowski-Denkmal. Eine langweilige Frau, aus der Sicht der siebenjährigen Irina. Irina zupft am Ärmel der Mutter, weiter, weiter. „Weißt du eigentlich, mit wem ich da gesprochen habe?“, fragt die Mutter, während die rothaarige Frau sich entfernt. „Das war die Tochter von Stalin!“ Nun muss die Mutter Irina hinter sich herziehen, das Kind dreht sich im Gehen ständig um.
Wie durch ein Wunder gelang es Scherbakowas Großvater, erstens Karriere zu machen, obwohl er jüdischer Abstammung war und der staatlich verordnete Antisemitismus bereits um sich griff; zweitens gelang es ihm, keiner der Säuberungswellen zum Opfer zu fallen, in denen unzählige Parteifunktionäre liquidiert wurden.
„Das Glück, zu Hause zu sterben“, heißt ein Kapitel dieses Buchs. Scherbakowa beschreibt, wie Mitte der Fünfzigerjahre Freundinnen der Großmutter eine nach der anderen bei ihnen zuhause auftauchten: „Alle hatte das gleiche Schicksal ereilt. Die Männer waren erschossen worden, sie selbst hatten zwischen acht und zehn Jahren im Lager abgesessen.“
Der Großvater, der ein kerngesunder Mann war, erlitt nach dem XX. Parteitag, auf dem Stalins Personenkult angeprangert wurde, einen Schlaganfall. „Ich bin überzeugt“, schreibt Scherbakowa, „dass ihn die Erkenntnis umbrachte, sein ganzes Leben und all seine Kraft diesem Regime und diesen Machthabern gewidmet zu haben.“
Hatte Opa nichts geahnt? Doch, hatte er. Er hatte zeit seines Lebens Schuldgefühle gehabt. Er hatte sie bloß verdrängt: „Er war mit Sicherheit ein Idealist, aber was sollte er jetzt mit dem Wissen tun, dass diese Ideale missbraucht und mit Füßen getreten worden waren?“
Scherbakowas Vater – die andere Familienlinie – verlor in der Schlacht um Stalingrad beinahe beide Hände (daher der Titel des Buchs). Nach dem Krieg wurde er zu einem prominenten Literaturkritiker, befreundet mit Heinrich Böll, Lew Kopelew, Andrei Tarkowski.
Er starb im Januar 2010, auch er mit schwerem Herzen, wegen der Tschetschenien-Kriege, wegen des Georgien-Krieges. Irina Scherbakowa, so sehr sie ihren Vater vermisst, war froh, dass er den Ukraine-Krieg nicht mehr erlebte.
Er hatte im Zweiten Weltkrieg um die Sawur-Mohyla-Anhöhe im Donbass gekämpft, eine verfluchte Höhe, bei der Zehntausende starben. Nun wurde die Anhöhe wieder umkämpft, zwischen der ukrainischen Armee und den Separatisten, unterstützt durch Russland. Das Denkmal, das an dieser Stelle im Jahr 1967 errichtet worden war, wurde im August 2014 zerstört.
TIM NESHITOV
Irina Scherbakowa: Die Hände meines Vaters. Eine russische Familiengeschichte. Aus dem Russischen von Susanne Scholl. Droemer Verlag, München 2017. 417 Seiten, 22,99 Euro. E-Book 19,99.
Die Familie lebte im legendären
Hotel Lux, wo viele ausländische
Kommunistenführer lebten
Nach dem Krieg wurde der Vater
Literaturkritiker, befreundet mit
Böll, Kopelew, Tarkowski
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(...) ein wichtiges Werk über die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung Russlands, das dem Leser vor Augen führt, unter welchen Bedingungen seit über 100 Jahren die Menschen in dem Riesenreich leben (...). www.deutschlandfunk.de 20180108