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Voller Melancholie und Wärme schreibt Linn Ullmann in ihrem neuesten Roman über die unstillbare Sehnsucht des Menschen nach Nähe und Zärtlichkeit.
Ein Mann und eine Frau balancieren auf dem Dach eines Hauses. Plötzlich stürzt die Frau in die Tiefe. Hat Martin sie gestoßen, oder ist Stella gesprungen? Dies herauszufinden ist die Aufgabe der Polizistin Corinne. Sie befragt den Ehemann Martin, die Töchter Amanda und Bi und einen Freund Stellas, den alten Axel Grutt. Bei ihren Nachforschungen erfährt Corinne nicht unbedingt viel über Stella, und am Ende bleibt die Tat auch ungeklärt. Dafür…mehr

Produktbeschreibung
Voller Melancholie und Wärme schreibt Linn Ullmann in ihrem neuesten Roman über die unstillbare Sehnsucht des Menschen nach Nähe und Zärtlichkeit.

Ein Mann und eine Frau balancieren auf dem Dach eines Hauses. Plötzlich stürzt die Frau in die Tiefe. Hat Martin sie gestoßen, oder ist Stella gesprungen? Dies herauszufinden ist die Aufgabe der Polizistin Corinne. Sie befragt den Ehemann Martin, die Töchter Amanda und Bi und einen Freund Stellas, den alten Axel Grutt. Bei ihren Nachforschungen erfährt Corinne nicht unbedingt viel über Stella, und am Ende bleibt die Tat auch ungeklärt. Dafür erzählen die Befragten um so mehr über ihre eigenen Sorgen und Träume. Martin träumt von ruhigen Nächten, Amanda von der Liebe, Axel von Riesenrädern und Musik. Bi schweigt. Und Stella hat vom Leben geträumt, und davon, einem Menschen nahe zu sein.
„Ab und zu, wenn ich bei dir bin, spiegele ich mich in dem vergoldeten Spiegel, der im Gang hängt. Dann stelle ich mir vor, dass du dich hinter mich stellst und dass es dein Gesicht ist, das ich sehe.“
Autorenporträt
Linn Ullmann wurde 1966 in Oslo geboren und arbeitet als Literaturkritikerin und Journalistin für die renommierte norwegische Zeitung "Dagbladet". Sie lebt mit ihrem Sohn in Oslo. "Die Lügnerin" ist ihr erster Roman.
Rezensionen
Ein Lebenspuzzle
Letztlich sind es unzählige Augenblicke, die sich zu einem Leben zusammenfügen. Manchmal besondere, meistens alltägliche. Es sind oft kleine Erlebnisse, die einen Charakter offenbaren. Und jeder Betrachter hat seine eigene Sichtweise. Was der eine als Stärke sehen will, zeigt sich dem anderen als Schwäche. Als Puzzle entwirft Linn Ullmann die Geschichte eines Lebens. Stellas Lebens. Immer wieder wechselt die Perspektive. Dadurch fügt sich Stellas Bild erst nach und nach zu einem Ganzen. Kaum glaubt der Leser sie zu kennen, muss er sie von einer anderen Seite neu entdecken. Eine kleine Geschichte reiht sich an die andere. Die Rahmenhandlung tritt dabei in den Hintergrund.
Der Sturz
Stella ist vom Dach eines Hochhauses gefallen. Ist sie gestrauchelt, ge- sprungen oder wurde sie gestoßen? Von Martin, ihrem Mann, der mit ihr am Abgrund balancierte? Sowohl oben auf dem Dach als auch in der Ehe. Martin erinnert sich, aber auch Alex ein alter Mann und Bekannter Stellas ebenso ihre Töchter Amanda und Bi. Bis auf Bi, die Schweigsame haben sie alle viel zu erzählen. Manchmal von Stella, öfter von ihren eigenen Sorgen, Freuden und Träumen. Amanda, 15 Jahre alt, sehnt sich nach der Liebe. Alex, alt und verbittert, hält Rückschau. Er hat immer den einfacheren Weg gewählt,sich immer angepasst und selten gewehrt.
Freiräume
Martin schließlich hat sich spektakulär in Stellas Leben gedrängt. Doch seine Familie bleibt ihm fremd. Er ist ein Egoist, die Menschen um ihn herum sind Statisten. Vielleicht ist das aber auch nicht die ganze Wahr- heit. Der Leser muss selbst entscheiden. Linn Ullmann liefert keine fertigen Figuren, sie zeigt ihre verschiedenen Facetten. Es sind Momentaufnahmen aus ganz unterschiedlichen Lebenswegen. Erzählt in einer klaren, schnörkellosen Sprache. Da bleibt viel Raum für eigene Gedanken und Interpretationen. (Rosina Wälischmiller)…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2003

Das Gefängnis
der Liebe
Mehr als Papas Kino: Linn
Ullmanns „Wenn ich bei dir bin”
Müsste der Himmel über Oslo, zumindest in den hellen Monaten des Jahres, nicht gelegentlich einen Blick wert sein? Die Bewohner der norwegischen Hauptstadt sehen das offenbar anders. Oslo ist, wenn wir Linn Ullmann glauben dürfen, „eine Stadt, in der man entweder starr geradeaus schaut oder auf den Boden. Deshalb gehen in den Höhen Oslos ständig Dinge vor sich, die kein Mensch bemerkt.” Und doch gibt es Zeugen für das, was sich an einem warmen Sommerabend auf dem Dach eines Hochhauses am Frogner Park ereignet. Ein Mann und eine Frau balancieren an der Dachkante, die Frau trägt ein rotgelbes Kleid und rote Sandalen, sie geht mit kleinen Schritten, wie eine Seiltänzerin, auf den Mann zu, er umarmt sie, sie verliert den Halt und fällt, neun Stockwerke tief.
Ein Unfall, Selbstmord oder Mord? Am Ende des Romans, dessen Titel „Wenn ich bei dir bin” so heimelig nach Liebesschnulze klingt, ist diese Frage nebensächlich geworden. Die Geschichte, die Linn Ullmann erzählt, hängt an einem dünnen kriminalistischen Faden, aber der „Fall”, um den sie kreist, ist nicht das möglicherweise begangene Verbrechen, sondern ein Geflecht menschlicher Beziehungen, dessen innere Dramatik nach und nach offengelegt wird. Auf die Tochter des Regisseurs Ingmar Bergman, die vor einigen Jahren mit „Die Lügnerin” vielversprechend debütierte, hat die Neigung ihres Vaters, in psychologische Abgründe zu blicken, unübersehbar abgefärbt.
Auch was Formbewusstsein und Inszenierungskunst betrifft, lässt sich eine familiäre Kontinuität nicht leugnen. Die Lebens- und Leidensgeschichten, die hier miteinander verknüpft werden, sind wenig spektakulär, das Problemniveau entspricht etwa dem nordeuropäischen Durchschnitt an Wohlstandseinsamkeit, Kommunikationsstörungen, Ängsten und unerfüllten Träumen. Dennoch gelingt es der Autorin, durch raffinierte Balance zwischen Direktheit und Verschleierung ein mitfühlendes Interesse an den Figuren wachzuhalten, und mit dem alten Trick, den Bericht über das Geschehene auf mehrere Stimmen zu verteilen, erzeugt sie ein Kaleidoskop verschiedener Empfindungen und Sichtweisen, dem man sich kaum entziehen kann. Die Monologe, verklammert durch die Nachforschungen einer Polizeikommissarin, offenbaren die unstillbare Sehnsucht der Redenden nach Verständigung und Nähe: Jeder ist hier ausweglos gefangen in seiner eigenen Welt – oder in seiner eigenen Hölle, wie man bei einem Bergman-Film sagen würde. Ein Schritt ins Irreale, auch dies ein gleichsam filmischer Kunstgriff, vollzieht sich, wenn die Tote selbst das Wort ergreift: Stella, die schwangere junge Frau, die aus der Umarmung ins Leere fiel, klärt zwar nicht die Umstände des Absturzes auf, aber sie vermittelt in ihrem Bericht die beinahe tröstliche Botschaft, dass sie dadurch dem Gefängnis einer heillosen Liebesbeziehung entkommen ist.
Libidoprobleme
Allerdings wirken auch die freudianisch kostümierten Gespenster, die zwischen diesen Stadtneurotikern ihr Unwesen treiben, wie aus Papas Kino entsprungen. Die Krankenschwester Stella, von Verlustängsten geplagt, steht im Bann ihrer verstorbenen Mutter, die körperfeindlich und schweigsam war und ein Doppelleben führte. Der Möbelhändler Martin, Stellas leichtfüßiger und bindungsscheuer Ehemann, hat Albträume, in denen ihm seine kleine Tochter Bi in immer neuer, abscheulicher Gestalt erscheint. Amanda, Stellas ältere Tochter, wird von finsteren Pubertätsphantasien heimgesucht, in denen Martin als „böser Zauberer” auftritt. Der pensionierte Studienrat Axel Grutt, der ungeduldig auf den Tod wartet und Stella heimlich liebt, quält sich noch immer mit dem Fiasko einer Ehe, die an seinen Libidoproblemen zerbrochen ist. Außerdem gibt es für Stellas Tragödie einen „historischen Hintergrund”, der Martins Großvater betrifft und auf noch kompliziertere Psycho-Verstrickungen hindeutet.
Das alles wird von der Kommissarin Corinne kolportiert, einer stark übergewichtigen Dame, die behauptet, nie verliebt gewesen zu sein, dafür aber auf eine Karriere als Bauchrednerin, Puppenmacherin und Puppentheaterchefin zurückblicken kann. Der alte Axel Grutt wiederum gedenkt voller Nostalgie seines Vorfahren George Washington Ferris, der 1893 auf der Weltausstellung in Chicago als Erfinder des Riesenrades Furore machte und später im Elend starb. Mit solchen Abschweifungen und Anspielungen gibt Linn Ullmann zu erkennen, dass das Gaukler- und Jahrmarktsmilieu, von dem Ingmar Bergman sich früh inspirieren ließ, auch für sie eine besondere Anziehungskraft besitzt. Noch muten die betreffenden Romanpassagen ein wenig wie bunte Pappkulissen an, die um ihrer dekorativen Funktion willen hereingeschoben werden, und der Spiegel, in dem Stella sich zu ihren Lebzeiten häufig betrachtet, ist ein Requisit von allzu aufdringlicher Symbolik. Die Einfühlungskraft und Wärme jedoch, mit der Linn Ullmann Lebenslinien nachzeichnet und Menschen zum Sprechen bringt, lassen vermuten, dass sie sich im Kreis der skandinavischen Erzähler einen festen Platz erobern wird.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
LINN ULLMANN: Wenn ich bei dir bin. Roman. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Droemersche Verlagsanstalt, München 2002. 288 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Autorin ist die Tochter des Regisseurs Ingmar Bergmann. Das erklärt für Kristina Maidt-Zinke den Hang Linn Ullmanns zu psychologischen Abgründen im zwischenmenschlichen Beziehungsgeflecht. Doch auch an Formbewusstsein kann es Ullmann mit ihrem Vater aufnehmen, meint die Rezensentin. Geschickt balanciere die Autorin zwischen direkter Beschreibung und bloßen Andeutungen und schaffe es so, das Interesse an den Figuren wach zu halten und Mitgefühl für sie zu erzeugen. Indem sie den Bericht über das Geschehene auf mehrere Stimmen verteilt, erzeugt sie ein fast suggestiv wirkendes Kaleidoskop verschiedenster Empfindungen und Sichtweisen, berichtet Maidt-Zinke anerkennend. Jeder sei heillos gefangen in seiner Welt - "oder in seiner eigenen Hölle, wie man bei einem Bergmann-Film sagen würde". Ein bisschen wirken all diese unglücklich liebenden Menschen allerdings auch "wie aus Papas Kino entsprungen", schreibt die Rezensentin. Freudianisch angehaucht das ganze und ein bisschen dick aufgetragene Symbolik, meint Maidt-Zinke. Diese kleinen Fehler sieht sie jedoch durch die Wärme und Einfühlungskraft der Autorin ausgeglichen.

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