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Rettet der Islam den Westen? Der Islam ist eine religiöse Weltmacht. Aber bedeutet er auch eine Bedrohung für die westlichen Demokratien und ihre Werte? Tariq Ramadan, der wichtigste Vertreter des Euro-Islam, plädiert für eine radikale Reform: Er bekennt sich zur Scharia als Grundlage aller Gesetze und gleichzeitig zu den Prinzipien von Rechtsstaat, Menschenrechten und Gewaltenteilung. Allen Hasspredigern und Reaktionären zum Trotz entwickelt Ramadan eine Lesart des Koran, die nicht nur Freiheit und Würde des Einzelnen betont, sondern auch Glaube und Vernunft versöhnt. An zahlreichen…mehr

Produktbeschreibung
Rettet der Islam den Westen?
Der Islam ist eine religiöse Weltmacht. Aber bedeutet er auch eine Bedrohung für die westlichen Demokratien und ihre Werte? Tariq Ramadan, der wichtigste Vertreter des Euro-Islam, plädiert für eine radikale Reform: Er bekennt sich zur Scharia als Grundlage aller Gesetze und gleichzeitig zu den Prinzipien von Rechtsstaat, Menschenrechten und Gewaltenteilung.
Allen Hasspredigern und Reaktionären zum Trotz entwickelt Ramadan eine Lesart des Koran, die nicht nur Freiheit und Würde des Einzelnen betont, sondern auch Glaube und Vernunft versöhnt. An zahlreichen Beispielen demonstriert er die Grundsätze einer modernen islamischen Ethik, die den Menschen aus den Fängen eines gewissenlosen Fortschritts befreit.
Autorenporträt
Tariq Ramadan, Jahrgang 1962, ist ein Schweizer Philosoph und Islamwissenschaftler ägyptischer Herkunft. Derzeit lehrt er am St. Antony's College in Oxford.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2009

Im Dienst des Nutzens
Tariq Ramadan über einen europäischen Reform-Islam

Tariq Ramadan gilt als "umstritten". Genau deshalb gehört dieser muslimische Autor und Reformdenker zu den interessantesten, die sich auf dem Feld einer Auseinandersetzung des Islams mit der Moderne tummeln. Westliche Kritiker trauen ihm nicht über den Weg, sehen in ihm bisweilen einen "Wolf im Schafspelz", muslimische Traditionalisten - von den Islamisten ganz zu schweigen - wollen in ihm hingegen einen Abweichler vom "wahren Islam" erkennen, der das nur geschickt kaschiere. Solche Personen bezeichnet man oft auch mit dem Begriff "schillernd", meistens, um sich nicht festlegen zu müssen.

Ein säkularer muslimischer Intellektueller wie Navid Kermani oder gar Bassam Tibi ist Tariq Ramadan gewiss nicht, aber unter jene islamistischen Theoretiker einer "islamischen Moderne", die in Wahrheit Rückwärtsgewandtheit und gesellschaftliche Abgeschlossenheit bedeutet, kann man ihn auch nicht rechnen. Das zeigt sein Buch "Radikale Reform. Die Botschaft des Islam für die moderne Gesellschaft" (Radical Reform: Islamic Ethics and Liberation). Radikal heißt dabei nicht, die Texte selbst literarisch zu säkularisieren (sie bleiben Gottes Wort), sondern die Wurzeln (usul) neu zu deuten. Ramadan, ein Abkömmling des Gründers der Muslimbruderschaft in Ägypten, Hassan al Banna (und daher vielen zusätzlich verdächtig), ist ein weltgewandter, vielsprachiger Mann, mit dem westlichen Denken vertraut, der in der Schweiz lehrte und dies nun seit geraumer Zeit in Oxford tut.

Auf der Suche nach dem Euro-Islam will Ramadan einen mittleren Weg steuern. So sitzt er zwischen allen Stühlen: Durch Neuinterpretation der Prinzipien islamischer (Sakral-)Rechtswissenschaft (usul al-fiqh) und des Korans soll ein mit europäischen Werten kompatibler Islam entstehen, der sich jenseits des traditionellen Taqlid, der bloßen Nachahmung der Altvorderen (salaf), die sich fundamentalistisch verfestigt hat, einerseits und gänzlicher Auflösung in weltliche ("literarische") Strukturen andererseits bewegt. Im Unterschied zu stärker laizis-tisch orientierten Reformdenkern, die auch westliche philosophische Methoden wie die Hermeneutik Gadamers oder Diltheys heranziehen, um im Koran als einem literarischen Text neue Auslegungen im Sinne einer religiösen Kommunikation zu finden, hebt Ramadan stärker die der eigenen Tradition inhärenten Elemente der Erneuerung hervor, die im Verlaufe der Geschichte des Islams in Verfall gerieten und wiederbelebt werden müssen. Maslaha - der gesellschaftliche Nutzen islamischer Prinzipien - muss immer aufs Neue bedacht und mitgedacht werden.

Dies gilt selbstverständlich für Muslime, die im Westen leben, auf eine noch etwas andere Weise, da der gesellschaftliche Nutzen maßgeblich mit den dort vorherrschenden Werten verbunden ist. Nach Ramadan kann ein Euro-Islam nur bedeuten, durch Neuinterpretation der Scharia im Sinne einer Ethik, weniger eines bloß gesetzesförmigen gesellschaftlichen Mechanismus gerecht zu werden - in einem Raum, der die konfrontativen Kategorien dar al-islam und dar al-harb ("Gebiet des Islam" und "Kriegsgebiet") zugunsten eines Raums der gemeinsamen Glaubensbezeugung der abrahamitischen Religionen aufgibt. Dies ist eine alte Idee Ramadans. Auch ein rational neu ausgelegter Islam kann Antworten auf moderne ethische Probleme geben - von der Sexualität über die Ökologie bis zur Medizin. Dabei geht es dem Autor, wie er schreibt, nicht allein um eine Anpassung, sondern um eine Transformation des Islams in der Moderne, die auch natur- und humanwissenschaftliche Kontexte berücksichtigt. Längst hatte sich Ramadan auch dafür ausgesprochen, die Todesstrafe und die körperlichen Züchtigungen, welche die Scharia für einige "Delikte" vorsieht, "ruhen zu lassen". Das hatte ihm den Unmut von Radikalen und auch von manchen Traditionalisten eingetragen.

Deutlich ist Ramadans Bemühen, aus den Quellen so etwas wie einen immerwährenden "idschtihad" zu erschließen, eine fortwährende Auslegungs- und Interpretationsmöglichkeit, die auch Erfordernissen einer individualisierten Gesellschaft, wie der westlichen, gerecht wird. An ihr findet er nicht alles bewundernswert, was ein "seelenloser" Fortschritt angeblich unausweichlich gebietet. Da lässt sich über manches streiten. Aber Ramadans Diskussionsbeiträge sind kundig und intelligent. Im Grunde steht ihm Abu Hamid Muhammad al Ghazali, der große Wiederbeleber des Islams im Mittelalter, näher als andere Denker. Bis heute ist al Ghazali der "Säulenheilige" all jener, die auf der Authentizität des Islams beharren, aber zu Mäßigung und Vernunft raten. Zu Zucht und Maß, wie Thomas von Aquin es ausgedrückt hat.

WOLFGANG GÜNTER LERCH

Tariq Ramadan: Radikale Reform. Die Botschaft des Islam für die moderne Gesellschaft. Diederichs Verlag, München 2009. 426 S., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wolfgang Günter Lerch begrüßt Tariq Ramadans neues Buch, denn er schätzt den Autor als "weltgewandten, vielsprachigen Mann", der mit dem westlichen Denken vertraut sei und seit geraumer Zeit in Oxford lehre.  Nicht ganz leicht fällt es ihm, die Position Ramadans zu bestimmen, sieht er in ihm doch weder einen säkularen muslimischen Intellektuellen wie Navid Kermani oder Bassam Tibi noch einen jener islamischen Theoretiker, für die "islamische Moderne" eigentlich Rückwärtsgewandtheit und Abgeschlossenheit bedeutet. Ramadan will in seinen Augen einen "mittleren Weg" einschlagen, jenseits bloßer Nachahmung der Traditionalisten aber auch jenseits der Auflösung in weltliche Strukturen. Besonders hebt Lerch Ramadans Ansatz einer Transformation des Islams in der Moderne hervor, der auch natur- und humanwissenschaftliche Kontexte einbezieht. Auch wenn Lerch nicht immer mit dem Autor einig ist, lobt er dessen Diskussionsbeiträge als "kundig und intelligent".

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