Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 0,99 €
  • Broschiertes Buch

3 Kundenbewertungen

Eine Heimkarriere in Deutschland. Authentisch, ungekünstelt und atemlos spannend erzählt. "Unsere Welt, die Welt der Jungen und Mädchen aus den Heimen, hatte keinen Platz für Träume, sie ließ uns keine Zeit dazu. Wir lebten wie batteriebetriebene Männchen, solange die Batterie voll war, liefen wir. Wenn die Batterie leer war, waren wir tot."
Dreizehn Jahre ist die Ich-Erzählerin, als sie in ein Heim kommt. Knapp drei Jahre und einige Heime später steht sie bereits vor den Scherben ihres jungen Lebens: Sie hat sich den Ruf eines 'schwererziehbaren' Mädchens erworben, mehrere Schulen
…mehr

Produktbeschreibung
Eine Heimkarriere in Deutschland. Authentisch, ungekünstelt und atemlos spannend erzählt.
"Unsere Welt, die Welt der Jungen und Mädchen aus den Heimen, hatte keinen Platz für Träume, sie ließ uns keine Zeit dazu. Wir lebten wie batteriebetriebene Männchen, solange die Batterie voll war, liefen wir. Wenn die Batterie leer war, waren wir tot."

Dreizehn Jahre ist die Ich-Erzählerin, als sie in ein Heim kommt. Knapp drei Jahre und einige Heime später steht sie bereits vor den Scherben ihres jungen Lebens: Sie hat sich den Ruf eines 'schwererziehbaren' Mädchens erworben, mehrere Schulen geschmissen und es sogar geschafft, bei einem Ausbruch einen Erzieher zu verletzen und mit ihrer Clique bis nach Spanien abzuhauen. Ihre Freunde sind ihr einziger Halt, ihre Ersatzfamilie. Ihnen geht es ähnlich, sie alle tragen dieses gehetzte Lebensgefühl ins sich, das nicht selten mit Hilfe von Alkoholexzessen betäubt wird. Und dennoch schafft es die Protagonistin immer wieder mit einer verblüffenden Schlagfertigkeit und Ironie weiterzumachen, indem sie sich selbst zuspricht: "Ich bin fünfzehn Jahre alt und habe schon verdammt viel gesehen ..."
Autorenporträt
Mirijam Günter ist in Köln aufgewachsen. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr hat sie bereits in sieben verschiedenen Heimen gelebt und etliche Schulen besucht. Nach turbulenten Jahren fand sie zum Schreiben. Mirijam Günter lebt heute in Köln-Ehrenfeld
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.12.2004

Zimmer ohne Aussicht
Die Heimkarriere eines schwer erziehbaren Mädchens
Die letzten zwei Zeilen des Buches von Mirijam Günter sind eine Zusammenfassung der tristen Lebensgeschichte eines jungen Mädchens: „Ich war fünfzehn Jahre alt und hatte verdammt viel gesehen und das hier kam mir irgendwie bekannt vor.” So vieles hat die namenlose Ich-Erzählerin schon erlebt: das x-te Heim für schwer erziehbare Jugendliche, in das sie an diesem Tag eingewiesen wird. Den x-ten Erzieher, der ihr Unterstützung anbietet, deren Annahme sie verweigert. Das x-te Mal, dass die Sozialarbeiter Regeln vorgeben, deren Einhaltung sie später nicht mehr durchzusetzen versuchen. Für das Mädchen ist es auch der x-te Umzug und der x-te Verlust einer Clique, die als Familienersatz herhalten musste. Ihr Leben - ein Teufelskreis ohne Hoffnung. Ihre Einsamkeit - selbstverschuldet, und doch auch begründet in einer Gesellschaft, die zwar Heime, Fürsorger und Vormunde anbietet - aber dafür vor allem Anpassung fordert.
Die Autorin, Mirijam Günter, war selbst einst ein Heimkind und hat erlebt, wovon sie erzählt. Ihr Buch enthält viele Redundanzen - was dem Bemühen um Wahrhaftigkeit geschuldet ist, da auch das Leben ihrer Ich-Erzählerin aus Wiederholungen besteht. Das junge Mädchen, dessen Familien- und Vorgeschichte im Ungewissen bleibt, wird von einem Heim ins andere verlegt. Nirgendwo kann und will es sich einleben, und so erzählt der Teenager von verpassten Gelegenheiten, verlorenen Freunden, von Schlägereien und Drogenexzessen, von Einsamkeit und Wut, von Polizeirazzien und Gerichtsprozessen. Die wenigen Versuche, in eine Schule zu gehen, scheitern immer wieder daran, dass die Erzählerin auffällt, aneckt, aber auch auf Ablehnung stößt - und wieder aufgibt. Durchzuhalten hat sie nie gelernt; sie kann schlagen, treten, abhauen - und weinen.
Der Roman heißt kurz: „Heim”. Das muss reichen, um den erzählerischen Ton vorzugeben für eine Welt, in der ein Heim dem anderen gleicht, und in der die Erzieher nur gesichtslose Figuren ohne Interesse an ihren Zöglingen sind. Einzig die Freunde, verlorene Kids wie die Protagonistin selbst, geben dieser einen Halt - sofern sie nicht mit einem gestohlenen Auto an eine Leitplanke rasen, durch einen Medikamentencocktail zu Tode kommen oder sich umbringen.
„Heim” ist schwer zu lesen, denn die Sprache des Mädchens entspricht ihrer Wahrnehmung: grau, hart, schroff, kaputt. „Unser Kumpel verreckt da unten, während du hier mit dieser Schlampe herumfickst”, ist ein O-Ton aus dieser Welt, ebenso wie „Die Asis hatten auch mein Radio kaputt gemacht. Ich hatte keinen Bock mehr”. „Heim” ist auch deshalb schwer zu ertragen, weil die Autorin mit den Heile-Welt-Vorstellungen einer funktionierenden Jugendhilfe aufräumt. Nur einen Lichtblick lässt sie übrig: Ihre Hauptperson wirkt wie ein Zombie, doch darunter steckt ein kleines, Mädchen, das eine Festung um sich herum gebaut und dann den Schlüssel fortgeworfen hat. Man könnte sie wie Dornröschen retten - wenn sich jemand die Mühe machte, den Schlüssel zu suchen.
CATHRIN KAHLWEIT
MIRIJAM GÜNTER: Heim, dtv, München 2004. 300 Seiten, 7,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2004

Passagier statt Pilot des Schicksals
Mirijam Günters schonungsloses Protokoll einer Heimkarriere

Ein Heim ersetzt kein Zuhause. Es ist kein verläßliches Refugium, sondern Zwischenstation. Wer im Heim landet, ist zuvor draußen aufgefallen, als unangepaßt oder überfordert. Am Rande der Gesellschaft soll auf ein Leben darin vorbereitet werden. Was es heißen kann, in einem solchen Abseits aufzuwachsen, erzählt Mirijam Günter in ihrem ersten Jugendroman.

Auf 300 Seiten wird ein Zeitraum von etwa zwei Jahren abgespult. Rastlos, gehetzt stolpert die zu Beginn dreizehn Jahre alte Ich-Erzählerin von einer Bredouille in die nächste - und kommt nirgends wirklich an. Ihr Name bleibt ungenannt, ebenso ihre Herkunft. Wenn jemand einmal als schwer erziehbar, später dann als kriminell abgestempelt ist, dann dienen die persönlichen Daten nur noch zur Identifikation des Falls. "So was wie du landet immer hier", sagt ihr jemand.

Ein kostbares Minimum an Sicherheit und Geborgenheit findet sie unter ihresgleichen. Freunde kommen und gehen, wenige begleiten sie die gesamten zwei Jahre. Sie alle verbindet Orientierungslosigkeit und das frustrierende Gefühl, nur Publikum bei der Performance ihres Lebens zu sein: Passagiere ihres Schicksals, nicht Piloten. Unfähig, Chancen zu nutzen, sind sie konditioniert auf Provokation. Wo Dialoge enden, wird mit Fäusten gesprochen. Schlagabtausch ist Alltag, Schulbesuche sind die Ausnahme. Auszeiten und kleine Entspannungen ermöglicht nur der Alkohol. Dann wieder dilettantisch verübte Einbrüche, Randale, Zusammenbruch - und alle Wege führen zurück ins Heim. Das unstete Hasten von Station zu Station könnte man Odyssee nennen, fehlte hier nicht ein Ende, das die Bezeichnung Heimkehr verdiente. Die Geschichte erreicht dabei das atemlose Tempo eines literarischen Daumenkinos.

Die permanente Ruhelosigkeit hinterläßt auch emotional Spuren. Die ehrlichen Gefühle eines Freundes, der sich in sie verliebt hat, erreichen das Mädchen nicht. Und selbst Schicksalsschläge wie den Suizid eines Kameraden protokolliert sie so knapp, als bedrohte sie die Berührung damit. Bei aller Gefühlsabwehr scheinen Empfindungen dennoch durch die Oberfläche ihres lakonischen Rapports. Angst ist davon die intensivste. Wo Träume und Perspektiven fehlen, bleibt Zukunft gesichtslos. Halbherzige, in trunkenen Launen phantasierte Visionen - zu mehr reicht es nicht. So steht für die Fünfzehnjährige am Ende, konsequent, ein Déjà-vu, das auf den Anfang verweist statt auf einen Neuanfang. Keine Wende, nicht die in Jugendromanen geläufige Initiationserfahrung. Doch trotz seelischer und körperlicher Erschöpfung gibt sie nicht auf. Deshalb ist dies mehr als die Geschichte eines Scheiterns.

Mitleid sei "nur die steckengebliebene Handlung, die niemals etwas an einem Zustand zu ändern vermag", schrieb Wolfgang Gabel zu seinem Jugendroman "Orte außerhalb", der im Jahr 1972, als diese Themen Mode wurden, ebenfalls das Schicksal eines Heimkinds behandelte. Doch sowohl Ton als auch Haltung haben sich seitdem geändert. Auch "Heim" verwahrt sich gegen Mitleid. Wolfgang Gabels sehr moralischem, sprachlich eher auf erwachsene Leser zugeschnittenem Roman hat Mirijam Günter die ungekünstelte, auch selbstironische freie Stimme ihrer Heldin voraus. Sie appelliert nicht und malt nicht schwarzweiß; die Mitschuld der Jugendlichen an ihrer Misere wird nicht ausgespart.

Ein paar unglaubwürdige Details können der Lebendigkeit und Intensität dieses Textes nichts anhaben. Die Geschichte ist fiktiv. Daß die Autorin selbst in Heimen aufgewachsen ist, gewährleistet aber ihre Authentizität und rechtfertigt ihre Drastik. Zu Recht hat Mirijam Günter den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis für dieses beeindruckende Debüt erhalten.

SIMONE GIESEN

Mirijam Günter: "Heim". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004. 301 S., 7,- [Euro]. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Als beeindruckendes Debüt feiert Rezensentin Simone Giesen diesen Jugendroman von Mirijam Günter, der aus ihrer Sicht völlig zu recht mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde. Auf dreihundert Seiten spule die Autorin zwei Jahre einer Heimkarriere ab, stolpere ihre zu Beginn dreizehnjährige Erzählerin rastlos von einer Bredouille in die nächste. Der Name der Protagonistin bleibe im Roman ebenso ungenannt, wie ihre Herkunft, was das Gefühl der Orientierungslosigkeit für die Rezensentin noch verstärkt. Bald hat die Geschichte für sie das atemlose Tempo eines literarischen Daumenkinos erreicht. Bei aller Gefühlsabwehr, die Giesen bei der Protagonistin beobachten kann, sieht sie doch Empfindungen durch die Oberfläche dieses lakonischen Rapports scheinen, als deren intensivstes ihr die Angst erscheint. Als Qualität empfindet die Rezensentin auch die ungekünstelte, selbstironische freie Stimme, welche die Autorin ihrer Heldin gegeben hat. Mirijam Günter appeliere nicht und male nicht schwarzweiß. Auch die Mitschuld der Jugendlichen an ihrem Schicksal bleibe nicht ausgespart. Zu Lebendigkeit und Intensität des Romans trägt aus Sicht der Rezensentin auch die eigenen Heimerfahrungen der Autorin bei, der selbst ein paar unglaubwürdige Details nichts anhaben könnten.

©