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Zwei Jungen, ein Mädchen - und das Meer Sie müssen schnell weg aus Frankreich - und ihre Idee ist so einfach wie verrückt: Lucky, der Kleine und das in Saint-Malo neu hinzugekommene Mädchen wollen nach England segeln, über den Kanal - ohne überhaupt segeln zu können. Die drei Jugendlichen klauen sich ein altes Segelboot und hoffen, bald in Plymouth ein Bier zu trinken. Auf dem Boot aber ist es eng, der Himmel über dem Kanal schrecklich weit, die Überfahrt wird zur Irrfahrt: Übermüdet, hungrig, zerstritten und ohne klare Orientierung treiben sie auf dem Wasser. Ein ergreifender Roman über drei…mehr

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Produktbeschreibung
Zwei Jungen, ein Mädchen - und das Meer
Sie müssen schnell weg aus Frankreich - und ihre Idee ist so einfach wie verrückt: Lucky, der Kleine und das in Saint-Malo neu hinzugekommene Mädchen wollen nach England segeln, über den Kanal - ohne überhaupt segeln zu können. Die drei Jugendlichen klauen sich ein altes Segelboot und hoffen, bald in Plymouth ein Bier zu trinken. Auf dem Boot aber ist es eng, der Himmel über dem Kanal schrecklich weit, die Überfahrt wird zur Irrfahrt: Übermüdet, hungrig, zerstritten und ohne klare Orientierung treiben sie auf dem Wasser. Ein ergreifender Roman über drei junge Menschen auf der Suche nach ihrem Leben und über das Meer mit all seiner Macht und brutalen Herrlichkeit.
Autorenporträt
Coher, Sylvain
Sylvain Coher wurde 1971 in Suresnes geboren, er lebt in Paris und Nantes. 2005/2006 war er Stipendiat der Villa Médicis in Rom. Er schreibt Romane, sowie für Theater und Oper.
Rezensionen
"'Nordnordwest' ist ein durch und durch faszinierender Roman."
Anna Beutel, buchstabentraeumerei.wordpress.com 19.01.2017

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2017

Ménage-à-trois auf hoher See
Virtuos: Sylvain Cohers maritimes Melodram "Nordnordwest"

Der 1971 in Suresnes geborene Franzose Sylvain Coher widmete sich in Werken wie "Hors saison" oder "Les Effacés" mit Vorliebe den Filous, Volatilen, Weltflüchtigen, den Suchenden, Schiffbrüchigen, für illegal Erklärten. Sein neuer Roman "Nordnordwest", der 2015 im französischen Original bei Actes Sud erschien, kopiert und konterkariert nun klassische Meeresliteratur. Die plastisch-elementare Prosa verknüpft Nautik und Philosophie, maritime Meditation und existentielle Reflexion. Die poetische Atlantiküberquerung ist ein Roman in 3D und zugleich eine Mini-Odyssee. Sie ist aber auch Initiationsreise und Erkundung juveniler Seelenlagen als Opfer von Krise und Globalisierung, Vernachlässigung und Langeweile.

Protagonisten sind Lucky und "Der Kleine", zwei Kleinganoven und Brüder im Geist. Ihre Irrfahrt beginnt, nachdem die beiden Jugendlichen aus Marseille bei der Schwarzarbeit auf einer Baustelle in Ligurien straffällig werden. Die Flucht quer durch Frankreich führt sie bis nach Saint-Malo - dort gabelt der Frauenheld Lucky als Dritte im Bunde ein namenloses Mädchen aus gutem Hause auf. Lucky, der als Ältester zum Chef der Dreierclique avanciert, überredet seine Freunde, per geklautem Segelboot in das erhoffte Dorado England überzusetzen.

Mit "dem Glück der Vagabunden und dem Polarstern fest im Blick" machen sich die Novizen des Meeres auf den Weg über den Ärmelkanal, der auf der Landkarte einem Kinderarm ähnelt. Coher entwirft das psychologisch intensive, moderne Märchen einer Ménage-à-trois auf hoher See. Im Kontrast des Mittelmeers zum sturmanfälligen Atlantik beschwört es eine Mentalitätsgeschichte der Meere.

Anders als typische Meeresromane, die Intrigen meist in Häfen entspinnen, spielt "Nordnordwest" zu zwei Dritteln auf dem rauhen Meer. Das Buch lebt von trügerischen Evasionen und Ambivalenzen zwischen Enge und Weite, der Beschränktheit des Segelboots und grenzenloser Freiheit.

Das Meer umgibt regenerative (sie atmen die "Luft der ursprünglichen Tage") und destruktive Attribute. Urängste umspielen die erste Nacht der drei auf dem Meer: Nur die Mondsichel ist Indiz fürs Vergehen von Zeit. Bei Rückzügen ins Refugium des Bootsinneren schwinden gar die Grenzen von Tag und Nacht. Fern von Romantik erscheint Adoleszenz als "Anmutung von Seenot und Schiffbruch". Da sich Erzählzeit und erzählte Zeit annähern, wird der Leser Zeuge der Navigation zwischen Neugeburt, Nihilismus und Monotonie: "Vor ihnen lag das Meer. Das offene Meer . . . Weit und breit gab es nichts, davon aber umso mehr."

Wie crashtest dummies treiben die Jugendlichen auf dem Meer. Im Zeitentrücktsein relativieren sich Fragen nach dem Woher und Wohin, nach Legalität und Illegalität. Der Roman lebt von Anspielungen auf Mythen, Dichtung, Psychologie: wenn die Helden in der Nacht vor dem Ablegen in Saint-Malo in einer Spelunke einem Coleridgeschen Seemann begegnen, der eine "wirre Geschichte von einem Matrosen und einem Albatros" erzählt, der Ärmelkanal den Styx evoziert oder der Leuchtturm von Bishop Rock die Säulen des Herakles als Weltende und Wissensgrenze anzeigt. Da wären im Sinne Todorovs von phantastischem Ambiente umgebene Fähren und ein "Geisterschiff" auf Autopilot. Das "Lumpenboot" der Jugendlichen ist nur ein winziger vernachlässigter Punkt auf dem Radar bisweilen kreuzender Containerschiffe.

In einer surrealen Todesszene verkündet die Schimäre eines alten Seemanns den Tod des Mädchens. Ihre Angst war manischer Hingabe an den Geschwindigkeitsrausch gewichen, ihr Heimgang ("Sie schwebte wie eine Feder zu Boden, die Augen weit offen, weil sie den Meeresgrund sehen wollte") erinnert an Legenden und Transgressionsphantasien. Die Schicksalsgenossen erreichen gebeutelt Land, wenn auch statt Plymouth das irische Crosshaven. Ohnehin erscheinen auf dem angelsächsischen Festland Städte und Dörfer als Brutstätte von Intrigen austauschbar. Während der "Kleine" sein Glück in Dublin sucht, holt Lucky die Meeressehnsucht wieder ein.

Der Roman "Nordnordwest" erzählt eine Ballade von Gischt, optischen Täuschungen, Illusionen und Halluzinationen. Sie ist auratisch und rätseldunkel, aber voller Humanismus und eine Hommage auf Außenseiter und Verlierer, die identitätslosen Migranten der Meere und verlorenen Kinder.

STEFFEN GNAM

Sylvain Coher:

"Nordnordwest".

Roman.

Aus dem Französischen

von Sonja Finck.

Deutscher Taschenbuch

Verlag, München 2017.

272 S., geb., 20,- [Euro].

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