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"Ihre kühlen Erzählungen sind aufklärende zeitgeschichtliche Dokumente, die ins Diplomatengepäck jedes China-Enthusiasten gehören." Focus Wenn eine chinesische Delegation von hohen Beamten, Funktionären und Unternehmern nach Berlin kommt, um an einer Konferenz teilzunehmen, und nebenbei noch in vierzehn Tagen halb Europa kennen lernen möchte, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Besonders, wenn die meisten Teilnehmer dieses Tour de force noch nie aus ihrer Heimatstadt Ningbo herausgekommen sind und die Reiseleiterin eine sehr selbstbewusste junge Frau ist, die schon jahrelang in Deutschland…mehr

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Produktbeschreibung
"Ihre kühlen Erzählungen sind aufklärende zeitgeschichtliche Dokumente, die ins Diplomatengepäck jedes China-Enthusiasten gehören." Focus
Wenn eine chinesische Delegation von hohen Beamten, Funktionären und Unternehmern nach Berlin kommt, um an einer Konferenz teilzunehmen, und nebenbei noch in vierzehn Tagen halb Europa kennen lernen möchte, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Besonders, wenn die meisten Teilnehmer dieses Tour de force noch nie aus ihrer Heimatstadt Ningbo herausgekommen sind und die Reiseleiterin eine sehr selbstbewusste junge Frau ist, die schon jahrelang in Deutschland lebt.

Ob es um eine verlorene Brieftasche geht oder um einen heimlichen Besuch im Rotlichtviertel von Amsterdam, die junge Song Danya hat alle Mühe, die Reisegruppe zusammenzuhalten. Besonders der machtbewusste Parteisekretär Wang Jian, der gewohnt ist, dass alle seine Anweisungen augenblicklich befolgt werden, und den die anderen nur den "Kommandanten" nennen, macht ihr das Leben schwer. Es kommt zu einem regelrechten Machtkampf, der zum Glück nicht tragisch endet.

Wie in einem Brennglas hat Luo Lingyuan die Konflikte eingefangen, die der rasche gesellschaftliche Wandel in China hervorruft. Dass dabei der Humor nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst.
Autorenporträt
Luo, Lingyuan
Lingyuan Luo wurde 1963 in der Volksrepublik China geboren, studierte Computerwissenschaften und Journalismus und lebt seit 1990 in Berlin. Seit 1992 Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien in China. 2000 Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste in Berlin; 2001 Literatur-Arbeitsstipendium des Berliner Senats; 2002 Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin; 2003 Literatur-Aufenthaltsstipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen. 2007 wurde sie für ihren Erzählband 'Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock!' mit dem Adelbert von Chamisso-Förderpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2007

Marx lebt hier nicht mehr
Kauft alle Gucci: Luo Lingyuan schickt Chinesen nach Europa

Eine Chinesin, die sich aus beruflichen Gründen in Köln aufhielt, erklärte mir dort einmal auf Englisch, diese Stadt sei in China sehr bekannt; nicht etwa wegen des Doms oder des Karnevals, sondern: "because Max and Angus lived here!" Max und Angus? Sind das die chinesischen Namen für Tünnes und Schäl? Doch es stellte sich heraus, dass Marx und Engels gemeint waren. Tatsächlich: Karl Marx war 1842/43 für ein halbes Jahr in Köln als Chefredakteur der "Rheinischen Zeitung" tätig, 1848/49 gab er dort unter Mitwirkung von Friedrich Engels die "Neue Rheinische Zeitung" heraus. Nicht allzu vielen Kölnern ist dieser Umstand bewusst, doch in der Volksrepublik China kennt man die Stadt am Rhein gerade deshalb.

Nach Köln gelangt die titelgebende Gruppe in Luo Lingyuans Roman "Die chinesische Delegation" auf ihrer neunzehntägigen Europatour im Frühjahr 2004 nicht. Aber der Besuch des Marx-Geburtshauses in Trier und das Gruppenfoto mit den Statuen am Berliner Marx-Engels-Forum gehören selbstverständlich zu den Höhepunkten der Reise - und das, obwohl sich in der Delegation für Stadtentwicklung aus der Hafenstadt Ningbo neben Beamten auch mehrere Bauunternehmer und eine Börsenspekulantin befinden. Einen Widerspruch scheint kaum ein Delegationsmitglied darin zu erblicken. Nur Herr Pan, der dicke Betreiber eines Baumarkts, mosert etwas an der Marx-Statue herum. Doch sofort wird er vom Delegationsleiter, seines Zeichens stellvertretender Parteisekretär, Vizebürgermeister und Stadtbaurat von Ningbo, zum Respekt gegenüber dem "Gedankenvater" ermahnt. Als Pan, selbst Mitglied der KP, feststellt: "Mir scheint, die Kapitalisten sind ehrlicher als wir", entgegnet der Funktionär, niemand werde Pan abstreiten, dass dieser selbst ein Kapitalist sei; aber er sei eben "ein roter Kapitalist" und dürfe deshalb nicht gegen die Regeln der Partei verstoßen.

Die merkwürdige Kombination aus kommunistischen Machtstrukturen und turbokapitalistischen Inhalten im heutigen China ist ein Thema dieses auf Deutsch geschriebenen Romans der 1963 in China geborenen, seit 1990 in Berlin lebenden Autorin. Das andere ist die Begegnung der Chinesen mit Europa. Immer wieder kommt es zu Missverständnissen und Problemen, etwa weil der Reisebus auf dem Nummernschild die Zahl 9044 hat, was für Südchinesen wie "fest vernagelter Doppeltod" klingt. Und ein Berliner Architekturprofessor bringt sich ahnungslos um lukrative Aufträge von den Chinesen, weil er das Reich der Mitte "am Ende der Welt" ansiedelt und es auch sonst an Verständnis für die chinesischen Vorstellungen von Höflichkeit mangeln lässt.

Die Reise führt die Delegation von Italien über Österreich, Deutschland und die Benelux-Länder bis zur letzten Station Paris. Den längsten Aufenthalt macht man in Berlin; dort stehen auch Fachtermine auf dem Programm. Ansonsten hat der Trip eher touristischen Charakter. In München zieht es die Gruppe ins Hofbräuhaus (hier klappt die Völkerverständigung am besten), in Amsterdam ins Rotlichtviertel. Als Reiseleiterin - und Vermittlerin zwischen den Kulturen - fungiert die junge Chinesin Song Sanya, die, im zweiten Monat schwanger, in Berlin mit ihrem deutschen Freund Kurt, einem Psychologen, zusammenlebt. In ihr kann man wohl eine Art Alter Ego der Autorin erblicken.

Der Delegationsleiter, von den anderen stets "Kommandant Wang" genannt, verkörpert alles, was die Reiseleiterin einst dazu gebracht hat, ihre Heimat zu verlassen. Zwischen beiden herrschen von Beginn an Spannungen. Doch da der despotische Funktionär daheim über die Auftragsvergabe entscheidet, wird er auch von den Unternehmern in der Gruppe hofiert. Einer von ihnen geriert sich geradezu als Wangs Adjutant und hat neuntausend Dollar in bar dabei, "um dem Kommandanten mal einen auszugeben". Dessen eher geringschätzigen Blick auf Europa teilen aber nicht alle Reiseteilnehmer. Ein Beamter bewundert den pfleglichen Umgang der Europäer mit ihren "Kulturschätzen", während er sich in der Heimat mit geringem Erfolg bemüht, alte Bauwerke vor dem Abriss zu retten. Kein Verständnis hat er hingegen dafür, dass einige weibliche Delegationsmitglieder in Rom vor allem nach "Gucci oder Armani" suchen: "Ningbo ist doch ein internationales Modezentrum. Alles, was es hier gibt, kriegt ihr dort auch, und dazu noch viel billiger. Wird doch alles bei uns gemacht!"

"Die chinesische Delegation" ist Luos erster Roman. An ihrem deutschsprachigen Debüt, dem Erzählband "Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock!", hat die Kritik besonders die schonungslose Konsequenz in der Darstellung von Härte und Brutalität in China hervorgehoben. In ihrem neuen Buch legt die Autorin das Schwergewicht eher auf die komischen Elemente. Anders als etwa ihre auch zum Teil auf Deutsch schreibende japanische Kollegin Yoko Tawada macht sie nicht die sprachliche Differenz selbst zum Thema, sondern erzählt einfach geradeaus, in einer klaren, direkten Sprache mit meistens relativ kurzen Sätzen. Man merkt die Herkunft vom Journalismus.

Diese Literatur lebt von dem thematischen Interesse, das hierzulande zurzeit aus naheliegenden Gründen an China und den Chinesen herrscht. Die Autorin vermag aus eingehender eigener Erfahrung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in zwei Teilen der Welt zu schöpfen und diese deutschen Lesern ohne die Zwischenschaltung eines Übersetzers zu vermitteln. Sie sollte diesen unschätzbaren Vorteil auch weiterhin nutzen. Denn sobald sie von ihrem Generalthema abweicht, wie in den "privaten" Szenen mit Sanya und deren Freund Kurt, unterscheidet sich ihr Buch nicht viel von einem konventionellen Unterhaltungsroman von der Stange. Doch angesichts der rasanten wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in ihrem Heimatland - und der vermehrten Berührungen und Begegnungen zwischen China und dem Westen - dürfte Luo Lingyuan der Stoff für Geschichten, die in der gegenwärtigen deutschen Literatur sonst niemand erzählen kann, so schnell nicht ausgehen.

HARDY REICH

Luo Lingyuan: "Die chinesische Delegation". Roman. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2007. 260 S., br., 14,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wohlwollend beurteilt Hardy Reich diesen ersten Roman der in Deutschland lebenden chinesischen Schriftstellerin Luo Lingyuan. Bei der Geschichte über eine chinesische Delegation, die in 19 Tagen durch halb Europa reist, setzt die Autorin in seinen Augen vor allem auf Komik - ganz im Unterschied zu ihrem Erzählband "Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock!", den die Kritik wegen der realistischen Schilderung des brutalen chinesischen Alltags lobte. Reich sieht neben der sonderbaren chinesischen Mischung von kommunistischem Glauben und krass kapitalistischem Handeln vor allem die Begegnungen der Chinesen mit Europa thematisiert, bei denen es natürlich zu etlichen amüsanten Missverständnissen und Problemen kommt. Lingyuans einfache, "klare, direkte Sprache" scheint Reich gut zur Art der Geschichte passend. Nicht verhehlen will er, dass das Buch vom thematischen Interesse lebe, das hierzulande an China und den Chinesen herrsche. Was er nicht weiter schlimm findet, zumal die Autorin aus ihrer persönlichen Erfahrung mit den Verhältnissen in zwei Teilen der Welt schöpfen und diese den "deutschen Lesern ohne die Zwischenschaltung eines Übersetzers" vermitteln kann.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Kein Zweifel, ihr Buch gehört zum interessantesten Genre überhaupt: es ist ein Tatsachenroman."
tagesspiegel.de 26.11.2007