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Pfarrerstochter, Physikerin, früher als "Kohls Mädchen" und jetzt als "mächtiger Politboss" bezeichnet: Wer ist diese Frau, die Chancen hat, erste Kanzlerin der Bundesrepublik zu werden?

Produktbeschreibung
Pfarrerstochter, Physikerin, früher als "Kohls Mädchen" und jetzt als "mächtiger Politboss" bezeichnet: Wer ist diese Frau, die Chancen hat, erste Kanzlerin der Bundesrepublik zu werden?
Autorenporträt
Gerd Langguth, Dr. rer. phil., ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Bonn, war lange im Bundesvorstand der CDU und hat bereits zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt. Er kennt Angela Merkel seit ihrer Tätigkeit als Stellvertretende Regierungssprecherin der DDR-Regierung unter Lothar de Maizière. Er hat sich als Analytiker von Fragen der politischen Macht ('Das Innenleben der Macht') einen Namen gemacht.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ulrike Ackermann hat drei Biografien Angela Merkels gelesen und stellt fest, dass sich die Lebensbeschreibungen aus männlicher und weiblicher Feder ab 1990 stark unterscheiden. Gerd Langguth zeichnet die CDU-Politikerin in ihren Jahren vor dem Mauerfall als "illusionslose Jungwissenschaftlerin", die zwischen öffentlichem und privatem Auftreten streng zu unterscheiden vermag. Ihrem Engagement als Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende und schließlich Kanzlerkandidatin dagegen begegnet er "eher abschätzig", auch wenn er hie und da lobende Worte einstreut, bemerkt die Rezensentin. Während Biografinnen ihren Einsatz bei der Aufklärung der CDU-Spendenaffäre als mutigen Einsatz loben, beurteilt Langguth dies als "Akt der Illoyalität", teilt die Rezensentin mit und findet das offenbar nicht gerecht. Als richtig "ärgerlich" dagegen moniert sie die durch nichts belegten Stasi-Vorwürfe gegen Merkels Vater und überhaupt scheint ihr diese Biografie gar zu "schulmeisterlich und waghalsig psychologisierend". Herausgekommen ist ein "ressentimentgeladenes Porträt" einer "Frau ohne Vision", konstatiert Ackermann wenig begeistert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2005

„Sie hat gelernt, wie man Dinger dreht”
Eine Biografie über Angela Merkel und viele offene Fragen
Aus amerikanischen Krimis kennt man die Rechtsbelehrung, die jeder Cop aussprechen muss, wenn er einen Verdächtigen am Wickel hat: „Sie haben das Recht die Aussage zu verweigern” und: „Alles was Sie jetzt sagen, kann gegen Sie verwendet werden.” An diese Formeln fühlt man sich in diesen Wahlkampfzeiten, die offiziell noch gar keine ist, in Berlin häufig erinnert. Nicht nur Politiker hinterlassen den Eindruck, dass sie permanent eine Art innerer Polizist am Wickel hat, der warnt: Sie haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Aussage zu verweigern. Alles kann gegen sie verwendet werden. Unter solchen Umständen kann sogar eine Buchvorstellung zum übervorsichtigen Eiertanz geraten, bei dem man sich bloß nicht festlegt - selbst dann nicht, wenn das Buch die derzeit interessanteste politische Figur Deutschlands behandelt - mit eigentlich klaren Thesen.
400 Seiten umfasst die Biografie über die Kanzlerkandidatin der Union („Angela Merkel”, dtv premium) , die der Politikwissenschaftler Gerd Langguth verfasst hat. Langguth ist ein intimer Kenner der alten, bundesrepublikanischen CDU, war lange im Bundesvorstand. Er hat für das Buch 140 Interviews auch mit spannenden Zeitzeugen aus Ostdeutschland geführt und am Ende zehn prägnante Thesen über Merkel formuliert.
Aber als Joachim Gauck, der Theologe und frühere Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, das Buch in Berlin vorstellt, bleibt alles im Ungefähren. Gauck
bewegt sich im Wolkigen, und wenn er doch konkret wird, dann in gedehnter Frageform. Er spricht von einem besorgten Autor, der wissen wolle, ob Merkel die Identität seiner Partei repräsentieren könne. Und ob sie denn auch in sich selber ruhe.
So viele Fragen, auf die man klare Antworten wünschte. Tatsächlich bleibt neben vielen Fragen nur eine klare Feststellung von Gauck im Raum stehen: Merkel habe gelernt, Macht zu benutzen. „Sie hat gelernt, wie man Dinger dreht!”, beschreibt der Theologe das hervorstechende Merkmal ihrer Karriere, um es dann gleich als positives Zeichen dafür zu nehmen, dass die Ostdeutsche im Westen angekommen ist. Wehner und Adenauer hätte eine solche Anpassung bestimmt gut gefallen.
Man gewinnt den Eindruck, dass in drei Monaten eine Frau Kanzlerin werden könnte, die selbst ihr Biograf rätselnd als Sphinx beschreibt. Dabei bleibt die Frage, ob diese Ungewissheit allein an Merkel liegt, oder auch daran, dass im Moment viele sich nach der Devise zurückhalten: Alles kann gegen Sie verwendet werden.
Jens Schneider
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2005

Versuch plus Irrtum
Frau Merkels naturwissenschaftliche Entscheidungsfindung

Gerd Langguth: Angela Merkel. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005. 399 Seiten, 14,50 [Euro].

Der Blickwinkel variiert. Mit jeder neuen Karrierestufe betrachten wir Angela Merkel mit veränderter Aufmerksamkeit und unerwarteter Neugierde. Schon im zurückliegenden Wahlkampf deuteten die Aufnahmen einer frisch gewählten Kanzerkandidatin auf eine überraschend "neue" Angela Merkel, die sich fröhlicher, erleichterter und auch weiblicher präsentierte. Nachdem klar war, daß die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD zur Kanzlerschaft Merkels führen könnten, dominierte der Eindruck von zurückhaltender Zufriedenheit. Es ist jetzt schon absehbar, daß ihr möglicher Einzug ins Kanzleramt mit den Insignien der Machtaura auch sie noch darstellungsreicher machen wird. Mit dem Zuwachs der Macht rufen wir Bilder der Macht ab. Die stilistisch gefestigte schüchterne Gestik wird als souveränes Profil der zukünftigen Machtmoderatorin der großen Koalition gefeiert. Das demoskopische Porträt Angela Merkels von 2004 arbeitete mit den Etiketten kalt, aber klug. Die Nachfrage nach dem Bild von Merkel wird in einigen Monaten mit Sicherheit ergänzende Eigenschaften wie beispielsweise durchsetzungsfähig und präsidentiell mehrheitlich abbilden.

Die Bilder der Wahrnehmung verändern sich mit dem Amt, das der politische Spitzenakteur erreicht. Das eigene Zutun - neues Outfit, gelernte Gesten - zu dieser angeblichen Veränderungsdynamik ist zumeist minimal. Vielmehr suchen wir uns als Betrachter stets einen neuen Blickwinkel auf die gleiche unveränderte Person im Rampenlicht der Macht. Die bebilderte Wechselhaftigkeit ist bei einer Person mit der Biographie von Angela Merkel geradezu vorprogrammiert. Denn wir wissen nur ausschnitthaft etwas über sie. Sie hat es bislang geschafft, die Deutungsmacht über ihr Leben zu behalten. "Sphinxhaft" - nennt der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth in seiner Merkel-Biographie diese stets verdachtsbestimmte Wahrnehmung der Angela Merkel in Westdeutschland.

Erst im Alter von 35 Jahren wurde sie im vereinigten Deutschland politisch aktiv. Ein kleine Anzahl an Merkel-Biographien liegen zwar schon vor, doch Langguth erarbeitet die erste Gesamtschau, die den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt und das zu Recht. Rund 140 lange Gespräche sind im Buch verarbeitet. Zahlreiche Anmerkungen dokumentieren im wissenschaftlichen Apparat, welch umfangreiche kritische Quellenarbeit dem Porträt zugrunde liegt. Das Buch kam zeitgleich zur Kanzlerkandidatur heraus und stieß auch vor dem Hintergrund dieses zeitgeschichtlichen Arrangements auf überregionale Resonanz. Die Besonderheit der Ausarbeitung liegt in Langguths politikwissenschaftlichem Interesse begründet. Die Auswahl der Entwicklungsgeschichten, die Beschreibungen der Lebensstationen, die Charakterisierungen des Elternhauses lassen machtpolitische Nachfragen erkennen. Insofern ist es folgerichtig, daß der Autor am Ende eine Profilierung des "System Merkels" für den Leser aufbereitet und mit 10 Thesen abrundet. Denn der Leser von heute möchte wissen, welche Qualifikationen für ein politisches Spitzenamt Frau Merkel mitbringt. Gleichzeitig mußte Langguth den Lese-Eindruck verhindern, daß ihre politische Geschichte zielgerichtet auf die Kanzlerschaft zugelaufen wäre. Doch Langguth argumentiert nicht geschichtsdeterministisch. So fehlt geradezu in dieser Biographie eine verbindliche Grundmelodie, die aus den Lebensstationen eine Gesamtkomposition macht - weder bildungsbürgerlich noch vom Glauben her bestimmt, wie es im Pfarrhaus denkbar gewesen wäre. Erst in den letzten Monaten artikuliert sich Frau Merkel deutlicher im Duktus protestantischer Demutsethik, sie will Deutschland "dienen".

Wenn es ein Leitmotiv von Langguth neben dem machtpolitischen Interesse am Lebensweg gibt, dann das Nachfragen bezüglich des naturwissenschaftlichen Berufskontextes bei Angela Merkel. Der Autor sieht darin eine Distanz- und Suchbewegung zugleich. Distanz vom Pfarrhaus des Vaters und seinen Anpassungsleistungen gegenüber dem SED-Regime und gleichzeitig die Suche nach unverfänglicher Rationalität jenseits ideologischer Fallstricke. So etwas wirkt bis heute nach. Denn ein biographisch nachvollziehbarer normativer Kompaß ist - wie die Umfragen belegen - schwerlich bei Angela Merkel klar erkennbar, gleichzeitig bleibt der Eindruck von gelernten Mechanismen der Entscheidungsfindung, die naturwissenschaftlichen Versuchsanordnungen folgen: Versuch plus Irrtum. Das funktioniert auf der einen Seite transparent und höchst funktional, aber ohne strategisches Zentrum. Auf der anderen Seite arbeitet dieses System zielstrebig mit dem Charme unverdächtiger Harmlosigkeit, wenn es darum geht, von der einen auf die andere Minute neue Handlungskorridore auszuloten und politische Optionen blitzschnell zu nutzen. Das führt zu immer neuen Überraschungssiegen von Frau Merkel, gerade dann, wenn ihre Gegner sie für längst geschlagen halten.

Große, verläßliche Gefolgschaft kann man mit solchen Überraschungstechniken nicht sammeln. So wird Frau Merkel die erste Kanzlerin, die ohne eigene Hausmacht antritt. Ob ihr diese damit einhergehende Unabhängigkeit nutzt oder eher schadet, kann man auch nach der Lektüre des Langguth-Buches nicht eindeutig sagen. Doch das Porträt ist ein sehr gut geeigneter Materialfundus für alle, die Angela Merkel weiter unterschätzen wollen.

KARL-RUDOLF KORTE

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