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Zum 250. Geburtstag des großen Homöopathen: Ein bewegtes Leben, spannend erzählt, und zugleich ein Einblick in die Grundprinzipien einer weltweit praktizierten Heilmethode.
An prominenter Stelle - unweit des Weißen Hauses in Washington - erinnert heute ein imposantes Denkmal an einen der bedeutendsten deutschen Ärzte der Goethezeit: Samuel Hahnemann (1755-1843), Begründer der Homöopathie. Millionen von Menschen in aller Welt vertrauen inzwischen seiner Heilweise. An dem 1790 von ihm entdeckten Ähnlichkeitsprinzip und den Arzneimittelgaben in hohen Verdünnungen scheiden sich immer noch die…mehr

Produktbeschreibung
Zum 250. Geburtstag des großen Homöopathen: Ein bewegtes Leben, spannend erzählt, und zugleich ein Einblick in die Grundprinzipien einer weltweit praktizierten Heilmethode.

An prominenter Stelle - unweit des Weißen Hauses in Washington - erinnert heute ein imposantes Denkmal an einen der bedeutendsten deutschen Ärzte der Goethezeit: Samuel Hahnemann (1755-1843), Begründer der Homöopathie. Millionen von Menschen in aller Welt vertrauen inzwischen seiner Heilweise. An dem 1790 von ihm entdeckten Ähnlichkeitsprinzip und den Arzneimittelgaben in hohen Verdünnungen scheiden sich immer noch die Geister.

Anschaulich schildert Robert Jütte das bewegte Leben Samuel Hahnemanns, von den schwierigen Anfängen als medizinischer Schriftsteller und Übersetzer in der sächsischen Provinz bis zu den Glanztagen als »Modearzt« der Pariser Gesellschaft. Zu seinen Patienten zählten u. a. der Feldmarschall Karl Philipp von Schwarzenberg und der Geiger Niccolò Paganini.

Über eine interessante und spannende Biographie hinaus, die sich auf neue Quellen stützt, werden hier nicht nur Einblicke in Grundprinzipien und Praxis der homöopathischen Heilkunst vermittelt. Das Augenmerk richtet sich auch auf das, was Patienten bereits zu Lebzeiten Hahnemanns an der Homöopathie schätzten.
Autorenporträt
Jütte, Robert
Robert Jütte, geb. 1954, bis 1990 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Haifa, ist seitdem Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart. Er ist Herausgeber der Krankenjournale Samuel Hahnemanns. Veröffentlichungen u.a.: 'Geschichte der alternativen Medizin' (1996), 'Eine Geschichte der Sinne' (2000), 'Lust ohne Last. Geschichte der Empfängnisverhütung von den Anfängen bis in die Gegenwart' (2003).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2005

Samuel Hahnemann entwickelt Sympathie für die Symptome
Zum zweihundertfünfzigsten Geburtstag: Robert Jüttes Biographie über den Begründer der Homöopathie

Samuel Hahnemann aß gerne Fleisch, trank morgens zwei Tassen warme Kuhmilch, ließ seinen Tag wie am Schnürchen ablaufen und kannte schließlich rund einhundert homöopathische Arzneimittel. Es fanden sich im Laufe der Jahre noch mehr Heilingredienzien: Heute kennen Homöopathen dreitausend homöopathische Arzneimittel.

Samuel Hahnemann wollte die Krankheiten auf eine sanfte Weise heilen. Zu seiner Zeit wurden die Patienten von den Ärzten, die es nicht besser wußten, gerne zur Ader gelassen oder mit Blutegel traktiert. Das gefiel ihm nicht. Hahnemann vertraute den Selbstheilungskräften des geschwächten Körpers. Woher aber der Körper die Kraft dazu nahm, darüber konnte auch er nur spekulieren. Doch spekulieren wollte er nicht. Die Ursachen der Krankheiten, erklärte Hahnemann, der sich lieber an seine Erfahrungen hielt, statt wilden Gedanken nachzuhängen, könne der Arzt nicht erkennen, sondern nur die Symptome. Das homöopathische Arzneimittel stammt aus der Tier- und Pflanzenwelt, seine Wirkung muß der Arzt vorher am gesunden Menschen getestet haben. Hahnemann erprobte Präparate auch an sich selbst. Der Arzt reicht dem Patienten Tropfen oder Kügelchen, sogenannte Globuli. Die Tropfen und die Kügelchen werden verdünnt. Die Heilung beruht darauf, der Krankheit mit einer Arznei beizukommen, die ähnliche Krankheitssymptome aufweist und im Patienten freisetzt. Diese Arznei aktiviert - da ist sie, die große Unbekannte - die Lebenskraft und vertreibt die Krankheit.

Die Grenzen des Globuli-Materialismus wurden vor allem in der berühmten sechsten Auflage des berühmten "Organons der rationellen Heilkunde" sichtbar, die zum ersten Mal im Jahr 1921 herausgegeben wurde. Dort tauchten die Q-Potenzen auf. Damit beschrieb Hahnemann den Verdünnungsgrad eines Kügelchens oder eines Tröpfchens. Die Verdünnung ist sehr, sehr stark, so stark, daß für Chemiker nun gar nichts mehr passieren dürfte. Doch Hahnemann sagte: Wenn etwas passiert, dann deswegen, weil die "Dynamisierung" gerade durch die enorme Verdünnung erhöht wird. Das Materielle schlägt in diesen Sphären der Heilung dynamisch in Geistiges um, aus dem Materiellen wird das Geistige gerade durch die Verdünnung, die Verflüchtigung hinausdynamisiert.

Ein verdünntes Streukügelchen wird dem Patienten mit einem Teelöffel eingegeben - und das Geistige wirkt im Körper auf die Lebenskraft ein. Diese Idee hat Goethes Leibarzt Hufeland, kein Homöopath, doch ein Anhänger des Vitalismus, der sich von der Einwirkung auf die Lebenskraft eine Heilung versprach, mit Wohlwollen quittiert. Die Q-Potenzen sind für die Nachfolger Hahnemanns entscheidende Raffinements der sechsten Auflage, die heute als Standardausgabe gilt.

Am 10. April 1755 wurde Samuel Hahnemann in Meißen an der Elbe geboren. Er studierte Medizin und Pharmazie in Leipzig und in Wien, war Bibliothekar in Siebenbürgen, promovierte in Erlangen und lebte von 1779 bis 1805 an vielen Orten: Hettstätt, Dessau, Gommern, Dresden, Leipzig, Stötteritz, Gotha, Georgental, Molschleben, Göttingen, Pyrmont, Wolfenbüttel, Braunschweig, Königslutter, Altona, Hamburg, Mölln, Machern, Eilenberg, Dessau, Torgau. Er wechselte seinen Wohnort einundzwanzigmal in sechs Jahren. Dabei lebte er nicht allein, er war Familienvater mit einem Sack voller Nachkommen. Von seiner ersten Frau hatte er elf Kinder.

Samuel Hahnemann ist der Begründer der Homöopathie, einer heute weltweit praktizierten Heilkunst. Im Institut für die Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart liegt der Nachlaß des eigensinnigen Mannes aus Meißen. Der Medizinhistoriker Robert Jütte leitet das Institut. Er hat zum 250. Geburtstag eine Biographie über Hahnemann veröffentlicht - eine flüssig geschriebene, kenntnisreiche Einleitung für alle, die Leben und Gedanken des berühmten Arztes kennenlernen möchten.

Das Grundprinzip der Homöopathie, Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen, fand Hahnemann bei einem Selbstexperiment mit Chinarinde heraus. Er stieß mit dieser neuen Einsicht bei vielen seiner Kollegen auf taube Ohren. Hahnemann kümmerte das nicht, ihm fehlte es nicht an Selbstbewußtsein. Seinen Kampf gegen die Schulmedizin verglich er mit Luthers Kampf gegen die katholische Kirche. Im Jahr 1805 blinzelte die Homöopathie in die Welt hinein, es erschien Hahnemanns "Heilkunde der Medizin". Das "Organon der rationellen Heilkunde" wurde 1810 veröffentlicht und schon zu Hahnemanns Lebzeiten in zahlreiche europäische Sprachen übertragen.

So geht's: Kommt der Kranke zum Homöopathen, bleibt der Arzt ruhig sitzen und macht sich erst einmal schlau. Der Kranke erzählt seine Krankengeschichte, und der Arzt folgt ihm mit jener "freischwebenden Aufmerksamkeit", die später - darauf weist Robert Jütte hin - Sigmund Freud für den Psychoanalytiker fordern wird. Der Arzt notiert seine eigenen Beobachtungen und stellt dem Patienten einige Fragen, die auch dessen Sexualleben berühren können. Hahnemann kannte keine Scheu. Der Arzt listet die Symptome auf, sucht darunter die Symptome aus, die am häufigsten auftreten und am hervorstechendsten sind, und präpariert die Medizin: Tropfen oder Globuli. Der Patient nimmt die Tropfen oder Globuli ein - und hält sich dabei genau an die Vorschriften des Arztes. Er spürt, wie sich neue oder noch mehr der alten Symptome einstellen, und kann darin eine erfreuliche Reaktion seines Körpers sehen. Hahnemann sah in diesen Reaktionen ein Zeichen, daß die verschriebenen Substanzen im Patienten die Lebenskraft weckten. Darauf beginnt die Heilung. Hahnemann veröffentlichte 1811 eine "Reine Arzneimittellehre". In diesem Nachschlagewerk findet der Arzt die Symptome und die entsprechenden homöopathischen Heilmittel. Heute steht zum Finden und Kombinieren ein Computerprogramm zur Verfügung.

Im März 1820 tauchten in Leipzig zwei Abgesandte aus Wien auf, fragten nach dem berühmten Arzt. Sie kamen von Karl Philipp von Schwarzenberg, dem Sieger der Völkerschlacht bei Leipzig. Sie wollten wissen, ob der Arzt ihren Auftraggeber, Schwarzenberg, behandeln wollte. Schwarzenberg war 1817 von einem Schlaganfall niedergestreckt worden. Seitdem litt er an Gedächtnisschwund und Sprachstörungen. Kein Arzt konnte ihm helfen, keine Kur schlug bei ihm an. Der Sieger persönlich traf am 19. April in Leipzig ein. Hahnemann hatte die Behandlung des berühmten Patienten nach reiflicher Überlegung angenommen. Er wußte, daß er seinen Ruf verlieren konnte, wenn die Heilung nicht gelang. Hahnemann konnte Schwarzenberg nicht helfen. Der Patient fiel ins Koma und starb am 15. Oktober. Die Sektion ergab - zum Glück für Hahnemanns Prestige -, daß Schwarzenberg an schweren organischen Erkrankungen gelitten hatte, vor denen auch die Schulmedizin in die Knie gehen mußte.

Als sich die Apotheker Leipzigs beim sächsischen König darüber beschwerten, daß Hahnemann seine Arzneien selbst herstellte, und der König darauf Hahnemann Vorschriften machte, kehrte der Homöopath der Stadt den Rücken und ging nach Köthen. Dort kamen immer mehr Patienten in seine Sprechstunde. Als 1830 die Cholera ausbrach, konnten die Homöopathen aus ganz Europa große Behandlungserfolge verzeichnen. Robert Jütte meint, daß dieser Erfolg darauf beruhe, daß die Homöopathen das einzig Richtige taten: Sie gaben dem geschwächten Körper Wasser. In Leipzig wurde ein homöopathisches Krankenhaus gegründet. Hahnemann zerstritt sich aber schließlich mit den dort behandelnden Ärzten, die in seinen Augen Halbhomöopathen waren.

Schließlich zog Mélanie d'Hervilby in Köthen ein und schnappte sich den alten Hahnemann: Sie war fünfunddreißig Jahre alt, er fünfundachtzig. Die beiden heirateten und zogen nach Paris, wo Hahnemann seinen Ruhm genoß. Dem Geigenvirtuosen Paganini konnte er nicht helfen. Paganini brach die Behandlung ab, weil er sich in Hahnemanns Frau verliebt hatte.

Samuel Hahnemann starb am 2. Juli 1843. Er brachte mit Tröpfchen und Kügelchen Elementares ins Rollen.

EBERHARD RATHGEB

Robert Jütte: "Samuel Hahnemann". Begründer der Homöopathie. Deutscher Taschenbuch Verlag. München 2005. 280 S., br., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.04.2005

Ein hoch dosiertes Individuum
Zwischen Miasmen und Bakterien: Robert Jüttes Biographie über Samuel Hahnemann, den Begründer der Homöopathie
Knapp eineinhalb Dutzend Biographien wurden seit dem Tod des Begründers der Homöopathie geschrieben, allein sechs sind aktuell im Buchhandel erhältlich - Indiz für das anhaltende Interesse an Samuel Hahnemann (1755- 1843) und seiner Lehre. Zu dessen Geburtstag, der sich am 10. April zum 250. Mal jährte (siehe SZ vom 8. April), liegt nun eine weitere, knapp 300 Seiten starke Abhandlung vor. Ihr Autor, Robert Jütte, ist Leiter des medizinhistorischen Instituts und Homöopathie-Archivs der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart, das sich in den vergangenen Jahrzehnten durch die Bearbeitung und Herausgabe des schriftlichen Nachlasses Hahnemanns verdient gemacht hat.
Wenn die neue Biographie den vielfach erzählten Stationen nachgeht und sie zu einem stimmigen Bild zusammengefügt, dann profitiert sie von diesen aktuellen Forschung: Bei der Ausbildung des außergewöhnlich sprachbegabten Knaben kann Jütte eine falsche Überlieferung korrigieren (die Immatrikulation in Leipzig erfolgte nicht Ostern 1775, sondern erst zum 22. Mai). An anderer Stelle gelingt ihm der Nachweis eines weiteren Wohnortes, womit sich deren Zahl zwischen 1780-1805 auf 20 erhöht.
Als Modearzt in Paris
Die eindringliche Schilderung der mühsamen Praxis, der Nachbarschaftshändel und der drückenden Unzufriedenheit vermittelt dabei ein plastisches Bild der rastlosen Wanderjahre, in denen Hahnemann vor allem als medizinischer Schriftsteller und Übersetzer den Lebensunterhalt der wachsenden Familie sicherstellte. Anschaulich wird die allmähliche Etablierung der homöopathischen Praxis, erst in Torgau, dann in Leipzig beschrieben. Der wenig erfolgreiche Versuch einer akademischen Karriere wird nicht beschönigt, wenn erzählt wird, wie es Hahnemann dennoch gelang, eine kleine, aber begeisterungsfähige Schar junger Ärzte an sich zu binden.
Auch der soziale Aufstieg als Köthener Hofrat und Pariser Modearzt wird mit sicherer Feder nachgezeichnet. Ebenso gewinnt die Schilderung der gar nicht so homöopathischen Liebesbeziehung zur jungen Melanie d’Hervilly dank der hinterlassenen Briefsammlung eine realistische Note, die das Alter des zu diesem Zeitpunkt achtzigjährigen Hahnemanns vergessen lässt.
Wie der Klappentext verspricht, liegt hier „endlich wieder eine aktuelle Biografie des großen Arztes” vor. Ihr besonderer Verdienst ist das Bemühen, der hagiografischen Heldenerzählung zu entkommen. Paradoxerweise verpasst sie damit ihre eigentliche Chance: Wenn die Erzählung im kritischen Abstand der klassischen Dramaturgie folgt, die ihre Spannung aus der Durchsetzung einer unbequemen Wahrheit gegen eine ignorante, wenn nicht gar missgünstige Schulmedizin schöpft, dann scheint die Zeit merkwürdig stillzustehen.
Anders ist kaum zu erklären, dass Jütte die naturphilosophische Schule unter Schellings Einfluss bis in die 1840er Jahre dauern lässt oder den therapeutischen Nihilismus der 1848er auf den Beginn des 19. Jahrhunderts verlegt. Und mit einem kontrastierenden Zitat aus einer bereits sprachlos gewordenen Krankenhausmedizin der 1870er Jahre wird die 1810 erstmals im „Organon”, dem Hauptwerk Hahnemanns, erschienene Anleitung für eine ausführliche Patientenbefragung gelobt, die eigentlich die einschlägige Ratgeberliteratur des ausgehenden 18. Jahrhunderts wörtlich fortschreibt. Hahnemanns Psora-Lehre hingegen kontextualisiert Jütte zwischen frühneuzeitlicher Miasmenlehre und Kochscher Bakteriologie, ganz so, als habe es die seit den 1830er Jahren einsetzende, differenzierte Auseinandersetzung über die sozialen Ursachen epidemischer Erkrankungen nie gegeben.
Mit anderen Worten: Den versprochenen „Einblicke in die Grundprinzipien und Praxis der homöopathischen Heilkunst” mangelt es etwas an historischer Tiefenschärfe. Das ist Folge der Fokussierung des individualbiografischen Rahmens. Dem angestrengten Blick auf das bewegte Leben Hahnemanns entgeht, dass jene Dekaden zwischen Aufklärung, Romantik, Biedermeier und „laboratory revolution” selbst zu den bewegtesten der Medizingeschichte zählen. Gleichzeitig mit Hahnemanns systematischem Lehrgebäude entstanden auch die begrifflichen, methodischen und schließlich instrumentellen Grundlagen der modernen Medizin.
So galt die Homöopathie um 1800 noch als ernsthafte wissenschaftliche Option, und tonangebende Mediziner waren willens, zwischen Hahnemanns ernsthaftem Bemühen um eine therapeutische Reform und seiner Polemik zu trennen. Aber schon in den 1820er Jahren geriet seine Lehre zunehmend ins wissenschaftliche Abseits. Das lag nicht nur an der schwierigen Persönlichkeit ihres Gründers, dessen überzogene Rechthaberei selbst wohlwollenden Biografen zufolge „die Grenze des Krankhaften” erreichte. Vielmehr hatte sich die Medizin von jenem Projekt des 18. Jahrhunderts verabschiedet, das Hahnemann noch revolutionieren wollte. Die Zeichen einer Erkrankung, die er nach ihrer therapeutischen Indikation zu ordnen suchte, wurden nun längst unter dem Modus ihres Entstehens betrachtet - mit dem Messer im Sektionssaal, mit chemischen Reagenzien im Labor oder mit der ätiologischen Herleitung klinischer Krankheitsbilder.
Die ABC-Bank der Erkenntnis
Doch während die akademische Medizin die materielle Eigenschaft und sinnliche Natur, die ein Phänomen zum Zeichen werden ließen, zum Anlass und Ansatz aller wissenschaftlichen Überlegungen erhob, verflüchtigte sich der geistartige Einfluss krankmachender Agenzien und Arzneimittel bei jeder weiteren Auflage des „Organon” in immer höhere Potenzen. Aus Sicht der akademischen Medizin hatte Hahnemann den Anschluss verloren und blieb, wie ein Zeitgenosse spottete, „auf der ABC-Bank der Krankheitserkenntnis sitzen”.
Schon seit geraumer Zeit gilt die eigentümliche Liebe zur Geschichte großer Männer als eine der Altlasten der herkömmlichen Medizingeschichtsschreibung. Auch Jüttes neuestes Buch bleibt dieser Liebe treu. Es repräsentiert die in der Tat aktuellste Fassung einer traditionellen Biografik, die Erfolg wie Scheitern mit der Einmaligkeit der historischen Persönlichkeit zu erklären glaubt.
VOLKER HESS
ROBERT JÜTTE: Samuel Hahnemann. Begründer der Homöopathie. Deutscher Taschenbuchverlag, München 2005. 280 Seiten, 14 Euro.
An Heilkräuter muss man nicht glauben. Sie funktionieren auch, wenn man sich über sie lustig macht.
Foto: Agentur Focus
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Diese Biografie des Entdeckers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, hat kein Mediziner, sondern ein Historiker geschrieben, konstatiert Balthasar Haussmann, der darin die Besonderheit und die Unterschiede zu bereits vorliegenden Hahnemann-Biografien sieht. So fehlt ihm zwar die "innere Anteilnahme" und auch der "medizinische Belang". Dafür, meint der Rezensent anerkennend, wartet Robert Jütte mit bisher unbekannten Fakten auf und ist imstande, selbst so schwierige Fragen wie die nach den Lebensdaten von Hahnemanns 10 Kindern zweifelsfrei zu klären. Im Mittelpunkt seines Buches steht deshalb auch nicht die Medizin, sondern das "Privatleben" des Homöopathen, so der Rezensent weiter, der es ganz angemessen findet, dass Jütte sich vor allem auf Fakten verlässt und nicht "spekuliert", weil Hahnemann seinerseits die Ansicht vertreten habe, "alle "Speculation" sei aus der Medizin herauszuhalten". Daneben ist aber auch Interessantes aus der Medizingeschichte zu lesen, wie etwas über das "Arzt-Patienten-Verhältnis", lobt Haussmann. Ein Buch für den "interessierten Laien", nicht zuletzt aufgrund seines Preises und seines überschaubaren Umfangs, meint der Rezensent durchaus eingenommen und verweist gleichzeitig die Experten auf die Hahnemann-Biografie von 1922, die jetzt auch wieder greifbar ist.

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