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Im Jahr 2052 macht Dr. Friedrich Sharavi, Leiter des Deutschen Instituts zur Dokumentation Zions, einen aufregenden Text der Öffentlichkeit zugänglich: die Erinnerungen eines gewissen Professor Gunther Wanker, der 1962 im israelischen Ramat Gan geboren wurde – also in einem Staat, den es 2052 schon nicht mehr gibt. Wankers Erinnerungen sind für Sharavi nicht nur ein wertvolles Zeitdokument, sondern auch das Vermächtnis einer wichtigen mahnenden Stimme während der letzten Jahre vor dem Untergang des Staates Israel und vor dessen möglicher Erneuerung. Bedeutung erlangt Wanker vor allem als…mehr

Produktbeschreibung
Im Jahr 2052 macht Dr. Friedrich Sharavi, Leiter des Deutschen Instituts zur Dokumentation Zions, einen aufregenden Text der Öffentlichkeit zugänglich:
die Erinnerungen eines gewissen Professor Gunther Wanker, der 1962 im israelischen Ramat Gan geboren wurde – also in einem Staat, den es 2052 schon nicht mehr gibt. Wankers Erinnerungen sind für Sharavi nicht nur ein wertvolles Zeitdokument, sondern auch das Vermächtnis einer wichtigen mahnenden Stimme während der letzten Jahre vor dem Untergang des Staates Israel und vor dessen möglicher Erneuerung.
Bedeutung erlangt Wanker vor allem als Gründer einer neuen philosophischen Richtung, der Peepologie, mit der er es zu Weltruhm brachte. Aufgewachsen in Israel als Enkel eines litauischen Juden, der vor den Nazis floh und dennoch seine Bewunderung für deutsche Kultur und deutsche Frauen bewahrte, lernt Gunther von Kindheit an alles Deutsche als Symbol für die Dialektik zwischen geistiger Größe und menschlichem Untergang zu begreifen. Später leistet er seinen Dienst an der Waffe, erkennt aber bald, dass sein Körper dafür zu schwach und sein Geist zu rege ist.
Er beginnt ein Studium der Philosophie, der Künste und vor allem der Frauen und erkennt bald: wer etwas verstehen will von der Welt, muss das eigene Land und damit den eigenen Standpunkt verlassen. So macht er sich auf nach Deutschland, studiert die dortigen Rotlichtbezirke, erhält einen Ruf als Professor und gründet die Peepologie, die Lehre vom Zweifel angesichts der Verlogenheit unserer Gesellschaft... Er wird zuletzt in Weimar am 13.Januar 2032 gesehen.
Zurück bleiben seine unvollendete Autobiographie, ein paar Briefe und E-Mails, die Sharavi als Anleitung für Zweifelnde veröffentlicht.
Autorenporträt
Gilad Atzmon, geboren 1963 in Jerusalem, lebt seit 1994 im Londoner Exil. Jazz-Saxophonist und Komponist; er war Mitglied von Ian Durys "Blockheads" und leitet heute das "Orient House Ensemble" (Gewinner des BBC Jazz Award "Best Album of the Year" 2003).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.03.2004

Die Lehre vom Spannen
Gilad Atzmons Roman „Anleitung für Zweifelnde”
Der Prägung durch den Vornamen kann sich niemand entziehen. Von der Familie gewählt, haftet er am Körper eines jeden Individuums, Zeit seines Lebens. Das ist fatal. Der Name wird zum Gefängnis auf der Suche nach der eigenen Identität. „Meinen Namen, Gunther, erhielt ich von meinen Eltern oder, genauer gesagt, meinem Großvater, dem Vater meines Vaters, der die deutsche Kultur unendlich schätzte und bewunderte.”
Gilad Atzmon, geboren 1963 in Israel, ist in einer Familie aufgewachsen, die politisch am äußeren rechten Rand beheimatet war. Sein Name ist zionistisch, nicht jüdisch. Atzmon nimmt 1982 am Libanon-Krieg teil. Die Erfahrungen lassen ihn zu einem radikalen Anti-Zionisten werden: „Während meiner Armeezeit wurde mir klar, dass dieses Land nicht meines ist. Dass ich sozusagen im Haus eines andern lebe und die Palästinenser entweder ethnischen Säuberungen zum Opfer fallen oder in einer Art Ghetto leben – und ich der Unterdrücker bin.” Atzmon studiert Komposition und Jazz in Jerusalem; in London, wo der Streitbare seit 1994 lebt, Philosophie.
Ein lebendes Denkmal
Heute ist er einer der führenden Jazz-Saxofonisten weltweit. Seine Platte „Exile”, aufgenommen mit seiner Band, dem „Orient House Ensemble”, und der palästinensischen Sängerin Reem Kelani, wurde letztes Jahr mit dem renommierten BBC Jazz Award ausgezeichnet. Die Musik bezieht ihre Einflüsse aus orientalischen und osteuropäischen Elementen. Und sie bezieht politisch Stellung: gegen den Staat Israel und für einen Staat Palästina. Ein Palästina, in dem beide Völker gleichberechtigt zusammenleben.
„Anleitung für Zweifelnde” heißt Atzmons Debütroman. Er erzählt die fiktive Lebensgeschichte von Gunther Wanker, der im Israel der sechziger Jahre als Enkel eines litauischen Juden aufwächst. Der Großvater ist vor den Nazis nach Palästina geflohen – ein Außenseiter, kauzig und tief gekränkt, weil seine Assimilierungsversuche von den Deutschen zurückgewiesen wurden. Trotzdem bleibt er ein Bewunderer ihrer Kultur. Und ihrer Frauen. „So war mein Großvater im Alter ein Mann, der von den Seinen verachtet wurde, und ich blieb als lebendes Denkmal zu seinen Ehren zurück, auf Wanderschaft unter den Menschen und für immer bekränzt mit dem Namen eines deutschen Weltraum-Ingenieurs.”
Verzweiflung schimmert durch die Ironie dieser Zeilen. Es sind leise Worte, in ihnen liegt der Keim für die spätere Einsamkeit des Ahasver Gunther: „Ich, für meinen Teil, habe keinerlei Vorteil aus meiner erfundenen arischen Herkunft ziehen können.” Man läuft Gefahr, diese Sätze zu überlesen. Denn Atzmon, Provokateur auch in der Literatur, hat eine bös-polemische Satire geschrieben, in der sich gegenwärtige Realität und ersehnte Utopie miteinander vermengen.
Wir befinden uns im Jahr 2052. Der Staat Israel existiert seit vier Jahrzehnten nicht mehr. An seine Stelle ist Palästina getreten. Das Deutsche Institut zur Dokumentation Zions betreibt Ursachenforschung: „Weshalb erkannten die Juden Israels ihren nahenden Zusammenbruch nicht?” Das Institut veröffentlicht die Erinnerungen von israelischen Intellektuellen, die frühzeitig gewarnt hatten. Dazu zählt Gunther Wanker, Begründer der „Peepologie”, der philosophischen Lehre vom Zweifel angesichts der Verlogenheit unserer modernen Gesellschaft: „Ich spanne, also bin ich.” In seiner Wahlheimat Deutschland schrieb der Israelkritiker Wanker im Jahr 2031 seine Memoiren nieder. Danach ist er spurlos verschwunden.
Als „Anleitung für Zweifelnde” vor zwei Jahren in englischer Sprache erschien, gab es in Israel und England viel Aufregung. Man verglich Gilad Atzmon mit Philip Roth und Michel Houellebecq. Auch hierzulande beschränken sich die Rezensionen auf die Verbindung von Voyeurismus, Onanie und Gummipuppe mit einem respektlosen Angriff auf die gegenwärtige Politik Israels, geäußert im Tonfall des beißenden Spotts. Atzmons schwarzer Humor ist gewitzt. Die Machoallüren seines meschuggenen Wanker sind deshalb erträglich, weil sich in sie eine gehörige Portion Selbstironie mischt: „Nun war ich erektionstechnisch kein Meister . . .” Doch der Roman ist tiefsinniger. Schiebt man Wankers sprachlich grobschlächtige Reden von „Liebesleuchtern” und „Lustmelonen” beiseite, so wird ein Getriebener sichtbar, heimat- und identitätslos: „Die Rolle, in die ich schlüpfte, war die des kalten, schlagfertigen Militärs.” „Und so schlüpfte ich in die Rolle des sensiblen Kriegstraumatisierten.” Ein „Meister der Assimilation” nennt sich Wanker einmal, doch hinter seinen Rollenspielen lauert Leere, Selbsthass, Existenzschmerz. Wanker wankt „als ein von holocaustischen Ängsten erfüllter Mensch” beständig.
Atzmon besitzt eine Hassliebe zu Israel. Sein Roman erzählt von ihr auf schrille und subversive Weise. Und auf leise und nachdenkliche. Der alte Wanker kehrt am Ende seines Lebens noch einmal an den Ort seiner Geburt zurück: „Ah, ich bin wieder zu Hause, ich betrachte die Landschaft meiner Kindheit.” Und macht sich dann aus dem Staub.
FLORIAN WELLE
GILAD ATZMON: Anleitung für Zweifelnde. Roman. Aus dem Englischen von Gabriela Hegedus. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003. 180 Seiten, 12,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Nicht wirklich überzeugt zeigt sich Marco Stahlhut von diesem "Schelmenroman" des israelischen Schriftsteller Gilad Atzmon. Zwar findet er das Buch anfänglich noch ganz lustig, etwa wenn Atzmon seinen Protagonisten, Gunther Wanker, der in die israelische Armee eingezogen wurde, sich bei einem Angriff ins Bein schießen lässt. Doch wird das Buch seines Erachtens ziemlich unoriginell, wenn Wanker nach Deutschland ins Exil geht, um sich dort der "Peepologie" zu widmen, einer Wissenschaft, die die Peep-Show-Erfahrung auf die Gesamtgesellschaft herunterbreche. Stahlhut sieht darin nicht viel mehr als einen "müden Aufguss von Houellebecq, Baudrillard und Foucault". Insbesondere Houellebecq habe für die literarische Rezeptur Pate gestanden: die originell gestörte Sexualität des Protagonisten, dessen übliche Ressentiments gegen Ausländer, Semiten, Schwule und Frauen, dazu einige Generalthesen zur Weltlage und Geistesgeschichte. Fazit des Rezensenten: Der Roman lehre den Leser weniger das Zweifeln als das Abc der literarischen Provokationsstrategie, an der deutsch-jüdischen Geschichte und dem israelisch-palästinensischen Konflikt pralle er jedoch ab.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine Mischung aus Philip Roth und Maimonides: Atzmons schonungsloser Versuch über ein israelisches Post-Utopie setzt die große Tradition der jüdisch-literarischen Subversion und Komik fort." (Elena Lappin, Autorin von 'Natashas Nase')
"Eine brillante Parodie über uns alle, eine schwarze Komödie, hinter der sich unsere schreckliche Tagödie verbirgt." (Jediot Acharonot)