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Die mit den Elchen sprechen Die Finnen sind wortkarg, verbringen viel Zeit in der Sauna und geben sich ausgedehnten Saufgelagen hin - über kaum ein nordeuropäisches Land kursieren so viele Klischees wie über Finnland, das Land der langen, dunklen Winter und kurzen, hellen Sommer. Doch mag auch manch ein Finne mit einer Thermoskanne voller Weinbrandkaffee auf die Jagd gehen oder die Unsicherheit beim ersten Rendezvous in einem Pfefferminzkakao mit Schuss zu ertränken versuchen, auch in Finnland gibt es einen ganz normalen Alltag, wird geliebt und gestritten, gelacht und geweint. Und nur ganz…mehr

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Produktbeschreibung
Die mit den Elchen sprechen
Die Finnen sind wortkarg, verbringen viel Zeit in der Sauna und geben sich ausgedehnten Saufgelagen hin - über kaum ein nordeuropäisches Land kursieren so viele Klischees wie über Finnland, das Land der langen, dunklen Winter und kurzen, hellen Sommer. Doch mag auch manch ein Finne mit einer Thermoskanne voller Weinbrandkaffee auf die Jagd gehen oder die Unsicherheit beim ersten Rendezvous in einem Pfefferminzkakao mit Schuss zu ertränken versuchen, auch in Finnland gibt es einen ganz normalen Alltag, wird geliebt und gestritten, gelacht und geweint. Und nur ganz ausnahmsweise ist ein Finne auch einmal mit einem Elch per du.

Inhaltsverzeichnis

Turkka Hautala: Sprungschanzenstädte
Juha Itkonen: Händel
Philip Teir: Bube Dame König
Maritta Lintunen: Schwarz und weiß
Peter Sandström: Sohn
Rosa Liksom: Der Jagdausflug
Daniel Katz: Grenzbegehung
Janne Huilaja: Vaters knauseriger Cousin
Taina Latvala: Der Lagerarbeiter
Päivi Alasalmi: Aktiver Autourlaub
Joel Haahtela: Zaia
Sari Malkamäki: Die kluge Ehefrau
Zinaida Lindén: Die Seiltänzerin
Pasi Lampela: Der Ring
Tuuve Aro: Taxi Driver
Eeva Tikka: Langsame Leidenschaft
Anna Tommola: Die Pilze
Janne Salminen: Es gibt Männer, die mit Maschinenpistolen nach Hause kommen und schießen
Mooses Mentula: Exotischer Touch
Petri Tamminen: Mein Anteil an den Balkan-Friedensverhandlungen
Miina Supinen: Dekadente Liköre
Johanna Holmström: Weitwinkel, Ida #2
Juha Hurme: Tivoli
Maarit Verronen: Das Ferienhaus
Riikka Ala-Harja: Die Insel
Turkka Hautala: Die Mannschaft der Menschen

Nachwort von Stefan Moster
Autoren- und Quellenverzeichnis
Autorenporträt
Moster, Stefan
Stefan Moster, geboren 1964 in Mainz, lebt als Autor, Übersetzer, Lektor und Herausgeber mit seiner Familie in Espoo, Finnland. Er hat zahlreiche Werke der finnischen Literatur ins Deutsche übertragen, u. a. von Juha Itkonen, Hannu Raittila, Ilkka Remes, Daniel Katz, Kari Hotakainen und Mikko Rimminen und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. 2001 erhielt er den Staatlichen Finnischen Übersetzerpreis. Stefan Moster ist Autor der Romane 'Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels', 'Lieben sich zwei' und 'Die Frau des Botschafters' - die Taschenbuchausgaben erscheinen bei dtv.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014

Ein Elch bittet um Asyl
Literarischer Schnelldurchlauf: Der Sammelband „Alles frisch“ mit Erzählungen überwiegend jüngerer Autoren aus Finnland
Elche sind schon vom Aussehen her merkwürdige Tiere: sehr hochbeinig, mit gedrungenem Rumpf und jenem sonderbaren Maul am langen Kopf, bei dem die Oberlippe entschieden über die Schnauze lappt. Dass der Elch in der Erzählung „Grenzbegehung“ von Daniel Katz auch sprechen kann, nimmt dann fast schon nicht mehr wunder. Der Elch also bittet den in die waldreiche Gegend zugezogenen Schriftsteller um Asyl. Zuvor allerdings hatten die Jäger aus der Nachbarschaft den Neuen gefragt, ob sie ihre Jagd auf Elche auch auf seinem Waldgrundstücke ausüben könnten, er würde dafür auch ein schönes Stück „noch blutiges Elchfleisch“ bekommen.
  Doch der Schriftsteller entscheidet sich nach längerem Gespräch mit dem großen Waldhirsch, bei dem es auch darum geht, ob für einen jüdischen Schriftsteller Elchfleisch überhaupt koscher sein kann, und sich der Elch selbst als „Juden der Wälder“ bezeichnet, für das Elchasyl. Mit seiner lang hängenden Schnauze erinnert er außerdem „an einen Vetter des Schriftstellers, einen Arzt für Frauenleiden, der einen bemerkenswert großen Kopf und eine spitz zulaufende Nase besaß, die sich gewissermaßen als übermäßig lange Oberlippe fortsetzte. Diese Ähnlichkeit und die pathetische Würde des Elchs erweichten das Herz des Schriftstellers.“ Der Elch genießt den Schutz seines Asyls, doch die Sache endet bitter, und im letzten Blick des Elchs spiegeln sich „Erstaunen und die Kränkung von jahrtausendealter Verfolgung und Unterdrückung“.
  So witzig, tragikomisch und doppelbödig wie diese Geschichte von Daniel Katz, geboren 1938, sind die anderen in diesem Band versammelten Erzählungen meist jüngerer finnischer Autoren eher nicht. Immerhin schreibt Tuurka Hautala, Jahrgang 1981, eine vergnügliche Prosa-Ode über „Sprungschanzenstädte“. Die immer etwas grotesk wirkenden Sportkonstruktionen sind bei ihm Orte lustvoller Freuden und erotischer Geheimnisse.
  Sonst herrschen in den meisten Erzählstücken über die Alltäglichkeiten finnischen Lebens Pastelltöne vor. Manche Frauen gewinnen ihrer Ehelangweile neue Farben ab durch eine unauffällig genossene Serie von Affären wie in Sari Malkamäkis „Die kluge Ehefrau“, die allerdings durch ein Foto erschüttert wird, das ihr Gatte bei einer Vernissage entdeckt. Neben leichtgewichtigen Coming-of-age-Storys gibt es auch Rückblenden in Zeiten, als die Großvater- und Vatergeneration gegen die Russen kämpfte. Peter Sandström, 1963 geboren und auf Schwedisch schreibend, lässt in der Erzählung „Sohn“ die inneren Verletzungen derer aufscheinen, die in diesen Kämpfen schuldig wurden. Das durch den Krieg wach gerufene Gewaltpotenzial bleibt aber auf unheimliche Weise virulent, wenn der Vater den Sohn plötzlich angreift und ihn deshalb warnt, er dürfe sich nie anschleichen, sondern müsse stets mit Lärm sich nähern. Zugleich möchte der Alte die jenseits der Grenze um Verzeihung bitten und sich schuldig bekennen, so vielen Menschen Trauer bereitet zu haben.
  Eishockey, Alkohol, Wälder voller Mücken und Beeren, Saunas und das Jagen, all das kommt vor, aber nicht als Klischee, sondern als mal ärgerliche, mal bedrohliche, mal banale Selbstverständlichkeit des finnischen Alltags, in dem schon Halbwüchsigen von den Männern Bier und Schärferes aufgedrängt wird, auch wenn die Frauen dagegen halten, aber selbst durchaus genauso gefährdet sind. So entsteht in diesen Erzähltexten von dreizehn Autorinnen und zwölf Autoren ein munteres, manchmal nur graues Bild vom Leben in finnischen Städten und Wäldern.
  Doch auch Thailand kommt vor, das alljährliche Sonnensehnsuchstziel finnischer Urlauber. In Miina Supinens „Dekadente Liköre“ ist ein thailändischer Schneiderladen jedoch nichts als der Ort für die unheilbare Enttäuschung von Saara, dass sie in dem für sie geschneiderten Hosenanzug weder nach Statur noch Bewegung einem androgynen Rockgott à la David Bowie gleichen wird : „Würde sie ein Theaterstück inszenieren, in dem ein Sofa eine Rolle hätte, irgend so ein absurdes Drama, in dem alle Figuren Möbelstücke sind, wäre das hier das perfekte Kostüm.“ Saaras Kummer über den Zwiespalt zwischen dem Traum von der eigenen Schönheit und ihrer plumpen Realfigur wird schonungslos aufgedeckt. Das ist aber dennoch tröstlich amüsant.
HARALD EGGEBRECHT
Ja, es ist wahr: Eishockey,
Alkohol, Mücken und Saunas
bestimmen den Alltag
            
  
  
      
Stefan Moster (Hrsg.):
Alles frisch.
Neue Erzählungen
aus Finnland. dtv,
München 2014.
270 Seiten, 9,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Harald Eggebrecht erscheint der von Stefan Moster herausgegebene Erzählband "Alles frisch" als literarischer "Schnelldurchlauf" durch die meist jüngere finnische Literatur. Das wertet der Kritiker jedoch nicht als Nachteil, entdeckt er doch auf diese Weise etwa die herrliche tragikomische und doppelbödige Geschichte "Grenzbegehung" des 1938 geborenen Schriftstellers Daniel Katz, der von einem Elch erzählt, welcher bei einem jüdischen Autor um Asyl bittet und die Frage diskutiert, ob Elchfleisch eigentlich koscher sei. Neben diesem literarischen Glanzstück liest der Kritiker Vergnüglich-Groteskes, etwa bei Tuurka Hautala, taucht bei zahlreichen Autoren aber auch in das "pastellfarben" erzählte finnische Alltagsleben und begleitet etwa Frauen durch ihre Ehelangweile. Neben einigen leichteren Coming-of-age-Storys und tieferen Rückblenden in Zeiten als die Finnen gegen die Russen kämpften, freut sich Eggebrecht über Wälder, Eishockey, Saunas und Alkohol und lobt den Verzicht auf Klischees.

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