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In einem eindringlichen, inneren Monolog erzählt Heike Geißler die Geschichte einer Flucht. Die tiefe Sympathie dieser Autorin für Ihre Protagonistin Rosa, die vor ihrem frühen Muttersein davonläuft, zeichnet diesen Roman aus. Geißler besitzt die Fähigkeit, ihrer Figur nicht nur eine Stimme zu verleihen, sondern die psychische Zerrissenheit und Getriebenheit genauestens fühlbar zu machen. "Rosa" ist die Geschichte einer Flucht vor dem eigenen Leben, einer Frau, die Mädchen bleiben und noch nicht erwachsen werden will. Sie hat gerade ein Kind geboren, ist ohne das Kind aus dem Krankenhaus…mehr

Produktbeschreibung
In einem eindringlichen, inneren Monolog erzählt Heike Geißler die Geschichte einer Flucht. Die tiefe Sympathie dieser Autorin für Ihre Protagonistin Rosa, die vor ihrem frühen Muttersein davonläuft, zeichnet diesen Roman aus. Geißler besitzt die Fähigkeit, ihrer Figur nicht nur eine Stimme zu verleihen, sondern die psychische Zerrissenheit und Getriebenheit genauestens fühlbar zu machen.
"Rosa" ist die Geschichte einer Flucht vor dem eigenen Leben, einer Frau, die Mädchen bleiben und noch nicht erwachsen werden will. Sie hat gerade ein Kind geboren, ist ohne das Kind aus dem Krankenhaus weggelaufen und weiß nicht wohin. Ihre Flucht führt sie in mehrere Städte und schließlich nach New York. Der Gefühlsaufruhr - Zweifel an ihrem Tun, Selbsthaß, Schuldgefühle, Trotz, Sehnsucht nach dem Kind, nach Geborgenheit - steigert sich allmählich, begleitet von äußeren Ereignissen, Begegnungen mit anderen Menschen, hilflosen Versuchen, sich neue, andere Leben zu schaffen, bis sich die Ereignisse überschlagen. Dieser Debütroman eröffnet uns die Innenwelt eines Menschen in einer Lebenskrise.
Autorenporträt
Heike Geißler wurde 1977 in Riesa geboren, wuchs dort und in Chemnitz auf, studierte Amerikanistik, Politik und Geographie in Dresden, Hispanistik und Literaturwissenschaften in Halle und lebt heute in München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2002

Blut in der Milch
Flucht vor sich selbst:
Heike Geißlers Roman „Rosa”
Wenn das Leben nur noch verworren ist, Sehnsucht und Wirklichkeit sich gar nicht mehr berühren, dann will der Mensch einen neuen Anfang machen und wünscht sich, wie Dante ein Kapitel eröffnen zu können, über dem steht: „Incipit vita nova”. Was zählt, kommt danach, was davor liegt, war ein Missverständnis, nicht einmal der Erinnerung wert. Rosa, die Protagonistin in Heike Geißlers gleichnamigem Debutroman, ist fest entschlossen, ein neues Leben beginnen zu lassen. Aber was vor dem Strich liegt, den sie mutwillig unter ihr bisheriges Leben zieht, ist nicht von der Art, dass es sich einfach verwerfen ließe.
Denn Rosa, Anfang zwanzig, ist Mutter geworden. Moritz heißt ihr Kind, Tom der einfühlsame Vater. Doch Muttersein ist nicht das Leben, in dem Rosa sich wiedererkennen könnte. Es ist eine Zwangsjacke, die Rosas indolente Biologie über die Freiheit ihres eigenen Lebensentwurfes geworfen hat. Eine Zwangsjacke, die zu tragen, wie Rosa findet, keiner sie zwingen kann. Während Tom und Moritz auf einem Spaziergang sind, macht sich Rosa davon. Sie flieht von Leipzig nach Berlin und achtet darauf, keine Spuren zu hinterlassen.
Für ihren Debutroman hat Heike Geißler, die 1977 in Riesa geboren wurde und heute in München lebt, bereits den Alfred-Döblin-Förderpreis erhalten. Tatsächlich hat sie für die Geschichte der unglücklichen Rosa einen Ton gefunden, der so beherrscht und so manisch zugleich ist, dass eine atemlose Dramaturgie den Leser im Tempo von Rosas gehetzter Flucht von Seite zu Seite weiter eilen lässt. Für Rosa stellt es sich so dar: Wer sich einen so radikalen Bruch mit solch enormen moralischen Kosten leistet, dem muss der Neuanfang gelingen. Aber ihr neues Leben ist eine Kopfgeburt, Rosas Körper bleibt der einer Mutter, der sich immer wieder zu Wort meldet, wenn die Muttermilch in Rosas Brüste schießt und schmerzhaft abgepresst werden muss, und die noch nicht verheilte Geburtswunde Blut absondert.
Lange rebelliert der Körper, aber irgendwann hat er sich dem hartnäckigen Willen Rosas unterworfen und schweigt endlich. Doch erst als der Körper Ruhe gibt, kommen die inneren Anfechtungen: „Rosa will jetzt kein neues Leben. Sie will das alte. Das älteste, an das sie sich überhaupt erinnern kann. Ein Kind will Rosa sein.” Für einen Moment möchte sie zu ihrer Mutter zurück, doch das wäre zu früh kapituliert, und so fliegt sie nach New York. „Und wenn das nicht so feige wäre, könnte es ganz schön mutig sein.”
Es ist eine Flucht ohne fremden Verfolger. Aber immer bleibt ihr die Selbstbeobachtung wie eine aufdringliche Kamera auf den Fersen. Diese Kamera entlässt sie nie aus der erbarmungslosen Nahaufnahme. Es ist zugleich die Kamera der Erzählperspektive, die aus der dritten Person berichtet, aber stets nur die Protagonistin im Blick hat. Kein Satz, in dem der Name Rosa nicht auftaucht. Und so sehr für den Leser die Nebenfiguren verschwimmen, weil der Fokus in dieser Rosa-Prosa nur der Protagonistin gilt, so wenig kann sich Rosa selbst als Teil einer Welt von Mitmenschen begreifen. Die Freiheit, die sie sich erhofft, ist deshalb so solipsistisch, dass sie sich in ein Ego-Gefängnis verwandelt.
Für Heike Geißlers nächstes Buch gilt es, den Kamerablick zu weiten: Dann wird man sehen wollen, ob ihre bemerkenswerte Schreibbegabung auch ein Gruppenbild einzufangen vermag.
IJOMA MANGOLD
HEIKE GEISSLER: Rosa. Roman. DVA, München 2002. 214 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2002

Scheitern in New York
Rosas Flucht: Heike Geißler beobachtet junge Menschen in Cafés

Daß die junge Frau auf der Flucht ist, wird mit den ersten Sätzen klar; daß sie in den Zug nach Berlin steigt, um der Verantwortung für ihr Baby zu entfliehen, wenig später: Rosa, die Heldin von Heike Geißlers Debütroman, ist zwar ihrer Umgebung ein Rätsel, nicht aber dem Leser. Er erlebt die Flucht nach Berlin und später nach New York aus nächster Nähe, da der Text vorwiegend Rosas Perspektive einnimmt und sie in kurzen, klaren Sätzen abbildet.

Vom Beginn an ist Rosa hauptsächlich damit beschäftigt, nicht aufzufallen - leider wird dieser Impuls nicht nur ausführlich dargestellt, sondern auch noch breit erklärt: "Rosa hat Hunger und kommt sich beobachtet vor. Als sie sich vorsichtig umschaut, ist da niemand, der zu ihr hinsieht. Dennoch möchte Rosa sich am liebsten verstecken. Für den Rest der Zugfahrt in einer Gepäcknische verstecken. Verborgen vor den Blicken der anderen, verborgen vor den Gedanken der anderen. Niemand soll über sie nachdenken."

Dieses Stilmittel der nachgeschobenen Erläuterung zieht sich durch den gesamten Roman. Und wer auf Seite vierzehn noch nicht verstanden hat, welchen Grund der Ausbruch aus der Kleinfamilie hat, erfährt hier, daß die junge Mutter "sich gern wie ein Mädchen fühlen" will, "wie ein abenteuerlustiges Mädchen, das einfach in einen Zug steigt, um eine andere Stadt auszuprobieren. Ein unbedarftes Mädchen wäre Rosa gern." Nur daß am Ende des nächsten Absatzes, als die Muttermilch zu fließen beginnt und Flecken auf dem T-Shirt hinterläßt, die Erkenntnis steht: "Rosa ist kein Mädchen mehr. Rosa ist" - was wohl? - "Mutter."

Insgesamt fürchtet der Roman offenbar nichts mehr, als daß irgend etwas im dunkeln bleibt. So leidet er an einer Überfülle der Worte und Erklärungen, und  manchmal klingt ein sanfter Pädagogenton an, der bekannte Klischees ausgiebig referiert, etwa in einer Szene aus Berlin: "Am Hackeschen Markt sind viele junge Menschen. Viele moderne Menschen. So viele Menschen, die gemeinsam mit anderen Menschen in Cafés unter freiem Himmel die Sommersonne genießen."

Geißler erzählt atemlos, von Augenblick zu Augenblick. Sie vermeidet Passagen, die längere Zeiträume zusammenfassen, und läßt Rosas wochenlangen Ausbruch als Abfolge einzelner Szenen entstehen. Es ist eine durchaus fesselnde Geschichte, die immer dann besonders überzeugt, wo die Sinneseindrücke Rosas nicht von Erläuterungen der Autorin durchsetzt sind, wo Rosas Arbeitskollegen in einer Berliner Kneipe, Zufallsbekanntschaften oder Hotelzimmer dargestellt werden, wo etwa Rosas Alkoholexzesse eine bedrückende Präsenz bekommen. Wo es hingegen um Gefühle geht, ist manchmal das Klischee nicht weit: "Irgendwann ist da einfach nur noch Traurigkeit", heißt es einmal: "Kraftlos fühlt sich Rosa. Unendlich kraftlos. Die Gefühle und Gedanken von vorhin sind weg." 

Als es sie nach New York verschlägt, gelingt es Rosa wieder, einen anderen Menschen an sich herankommen zu lassen - und wird schrecklich enttäuscht: "Aber dieses Scheitern jetzt übertrifft alle Fehlschläge zuvor. Dieses Scheitern nach vier Wochen ist endgültig. Das läßt sich nicht abschütteln. Das kann sich Rosa nicht ausweinen, nicht hinausschreien. Das läßt sich nicht kleiner machen, indem Rosa darüber redete, nachdächte. Sie weiß gar nicht, wo anfangen. Sie wird es nie erklären können. Denn es bedürfte vieler Worte."

An Versuchen, Rosas wechselnde Verfassung mit oft allzu vielen Worten zu erklären, mangelt es dem Roman nicht. Daß sich in diesem Übermaß dennoch einzelne gelungene Schilderungen einprägen, spricht sehr für die Verfasserin, deren Talent außer Frage steht, wenn es um die Detailschilderung der auf Rosa eindrängenden Realität geht, um die Obsessionen und Angstphantasien, die sich aus fremden Räumen, Straßenszenen oder Fernsehbildern speisen. Mit Rosa hat Heike Geißler eine Gestalt geschaffen, deren trotzige Flucht vor den Ansprüchen ihrer Umgebung das Leserinteresse von der ersten Seite an mühelos wachhalten könnte, wenn die Autorin der Sogkraft ihrer Geschichte nur etwas mehr vertraut hätte. Daß sie statt dessen ihre Figur in einem Wörtersee untergehen läßt, ist ein wirklicher Verlust.

TILMAN SPRECKELSEN

Heike Geißler: "Rosa". Roman. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2002. 240 S., geb., 19,90 [Euro].

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"Rosa ist 22 und auf der Flucht vor ihrem Freund Tom, vor Moritz, ihrem Baby, und einem Leben, das die so nicht geplant hat. Heimlich nimmt sie den nächsten Zug Richtung Freiheit, lässt Familie und Mutterrolle hinter sich, auf der Suche nach ihrem Traumleben, zu dem Lachen und Leichtigkeit, Freunde und und eine schöne Wohnung in einer tollen Stadt gehören. Ihre Flucht führt sie über Berlin bis nach New York, doch je weiter sich Rosa von zu Hause entfernt, desto stärker werden ihre Schuldgefühle. Heike Geißler erhielt für das Manuskript zu Rosa den Alfred-Döblin-Förderpreis."
(X-Mag)

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Die Geschichte sei kein normaler jugendlicher Selbstfindungstrip, beruhigt Katharina Granzin potentielle Leser. Was die erst 24-jährige Autorin in ihrem Debütroman zu erzählen hat, beschreibt die Rezensentin als "Suche nach dem Ort, wo es besser ist" als "Folge und Ausdruck einer fetten postnatalen Depression". Das Krisenhafte der geschilderten Odyssee der Protagonistin durch fremde Städte und Betten wird für Granzin dadurch ins Unerträgliche gesteigert. Zumal die manchmal "schmerzhaft klaustrophobische Prosa" mit ihrer erlebten Rede und der "unerbittlich durchgehaltenen Figurenperspektive" dem Leser kein Entkommen bietet. Dass der Roman dennoch "nicht wirklich deprimierend", sondern sogar unterhaltend wirkt, wie Granzin versichert, liegt an der durchgehaltenen Balance zwischen Figuren- und Lesersicht. Die Autorin und ihre Heldin geben einem nämlich das Gefühl, "eine zu kennen, die das eigene Leben noch weniger im Griff hat als wir selbst".

© Perlentaucher Medien GmbH