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Am Beispiel der Revolutionen und Demokratisierungsschübe in Europa gibt Hartmut Kaelble eine kurze, pointierte Darstellung der europäischen Geschichte von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart der Europäischen Union.
Europa erscheint uns als Hort der Demokratie. Daß aber viele mitteleuropäische Staaten erst seit zehn Jahren demokratisch verfaßt sind, gerät oft aus dem Blick. Das Demokratiedefizit der Europäischen Union dagegen ist zu einem Dauervorwurf an die Brüsseler Kommissare geworden. Hartmut Kaelble, einer der intimsten Kenner der europäischen Geschichte, legt hier eine…mehr

Produktbeschreibung
Am Beispiel der Revolutionen und Demokratisierungsschübe in Europa gibt Hartmut Kaelble eine kurze, pointierte Darstellung der europäischen Geschichte von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart der Europäischen Union.

Europa erscheint uns als Hort der Demokratie. Daß aber viele mitteleuropäische Staaten erst seit zehn Jahren demokratisch verfaßt sind, gerät oft aus dem Blick. Das Demokratiedefizit der Europäischen Union dagegen ist zu einem Dauervorwurf an die Brüsseler Kommissare geworden. Hartmut Kaelble, einer der intimsten Kenner der europäischen Geschichte, legt hier eine komprimierte Darstellung der Demokratisierungsschübe vor. Wendemarken sind die Revolutionen zwischen 1789 und 1989.
Er zeigt, daß die Demokratisierung der EU anders verläuft und anders zu beurteilen ist, als die demokratische Entwicklung der Nationalstaaten.
Autorenporträt
Hartmut Kaelble, geb. 1940, war bis zu seiner Emeritierung Professor für Sozialgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seitdem hat er dort eine Seniorprofessur inne.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.11.2001

Nur ein paar Paragraphen
In den Nationalstaaten war die Demokratie schneller als in der EU: Hartmut Kaelble zählt Stimmen
Europa rückt uns näher, jetzt sogar ins Portemonnaie – es wird Zeit, dass wir es kennenlernen. Europa-Handbücher begnügen sich gemeinhin mit einer Abschilderung der Institutionen und deren innerer Zusammenhänge, es sind Organigramme, die oft die Verwirrung nur unterstützen. Wer herrscht denn nun über was? Straßburg, Brüssel, Luxemburg? Wozu muss man das alles wissen und verarbeiten?
Vorliegende Arbeit hilft auf intelligente Weise, Europa zu verstehen. Es ist kein Handbuch, sondern ein materialgesättigter Essay mit einer guten kritischen Bibliographie. Trotz dieser Wissenschaftlichkeit ist es eine persönliche Reflexion. Hartmut Kaelble, zur Zeit wohl der beste Kenner deutsch- französischer Modernisierung, ist unter den Fachhistorikern auch derjenige, der sich am weitesten und gescheitesten auf die Grenzlinien von politischer Wissenschaft und historischer Forschung eingelassen hat. Sein neues Buch profitiert von seiner Fähigkeit zu Grenzüberschreitung und Interdisziplinarität ganz ungemein.
Franzosen erpressen
Das Buch ist systematisch in zwei Hauptteile unterteilt. Zunächst geht es um die „Wendepunkte der Demokratisierung der europäischen Nationalstaaten” zwischen 1789 und 1991; dann um die Probleme von Demokratisierung in ihrem Spannungsverhältnis zur europäischen Integration seit 1950. Kaelbles Grundbeobachtung ist interessant und produktiv: Er stellt eine pointierte Gegensätzlichkeit in der Entwicklung der europäischen Nationalstaaten zu Demokratien auf der einen Seite gegen die andererseits feststellbare „zögernde, immer noch defizitäre Demokratisierung der europäischen Union, die allmählich seit den 1950er Jahren entstand. Europa lebt daher mit zwei Demokratisierungen in der eigenen Brust”.
Im folgenden analysiert Kaelble die einzelnen Phasen dieser nationalstaatlichen Demokratisierung in ihren direkten und indirekten Auswirkungen auf Europa. Als exzellenter Kenner der französischen Geschichte untersucht er die Französische Revolution, die stärker als andere vergangene Revolutionen von Anfang an ein europäisches Ereignis war. Sie wurde nicht nur in den anderen Ländern genau beobachtet (und bekämpft), sie fand auch anfänglich viele Anhänger, weil ihre Ideen zum Teil aus der Aufklärung entstanden waren, die ihrerseits ein gesamteuropäisches Phänomen war.
Wenn sich die Ideen der Revolution dann nicht „demokratisierend” auf Europa niederschlugen, so lag das nach Kaelble vor allem an dem gewalttätigen Ausgreifen Napoleons. Es lag aber auch daran, dass das revolutionäre Frankreich den Kredit nach außen rasch verspielte: Nämlich durch den Krieg, den es „1792 ohne zwingende Notwendigkeit begann” und auch durch den mangelnden Respekt vor den vom ihm selbst proklamierten individuellen Freiheitsrechten in terreur-Zeiten nach 1793.
Es ist zwar nicht ganz einzusehen, warum der Krieg – ganz im Stil traditioneller deutscher Historiographie – nur den Franzosen untergeschoben wird, als ob es die Erpressung und Kriegsdrohung durch die koalierten europäischen Mächte nicht gegeben hätte, aber sei es drum: Wichtig ist, dass die (wie auch immer „demokratische”) Republik im Lauf der Revolution an Attraktivität verlor und eine Demokratisierung anderer europäischer Staaten dadurch eher behinderte, als dass sie sie gefördert hätte.
Was den zweiten mehr oder weniger gelungenen demokratischen Umbruch in Europa, die Revolution von 1848, angeht, stellt Kaelble zutreffend fest, dass – ungeachtet der sich über eine Reihe von Staaten erstreckenden demokratisierenden Ereignisse des Jahres – 1848 niemals zu einem Symbol europäischer Demokratie hat werden können. Kaelble gibt sich aber nicht mit diesen an sich schon weiterführenden Gedanken zufrieden, sondern glaubt feststellen zu können, dass gleichwohl – gleichsam unter der Haut des Systems – eine Art gelebtes Europa (im Unterschied zum nur „gewollten” Europa) seit 1848 existiert habe. Eine europäische Mentalitätengeschichte, heute nicht einmal umrissartig sichtbar, könnte von solchen Beobachtungen sehr profitieren.
Kaelbles Gedanken bezüglich des dritten europäischen Umbruchs, dem von 1918/19 und die damals nach seiner Auffassung gescheiterte Demokratisierung Europas, sind weniger überzeugend. Sicherlich ist es zutreffend, dass die seit 1789 begonnene Demokratisierung „1940 wie ein Auslaufmodell” wirkte. Es fragt sich indessen, für wen es so aussah und für wen nicht. Sicher nicht für de Gaulle und die Résistance, die Briten, die Amerikaner und Teile des deutschen Widerstandes. Man sollte, im Gegenteil, folgern, dass nichts der Unüberschreitbarkeit von Demokratie in Westeuropa nützlicher war als die Erfahrung des Verlustes von Demokratie zwischen 1933 und 1945.
Implizit stimmt Kaelble dieser Überlegung ja auch zu, wenn er den Umbruch von 1945 als eine wirkliche Wende zur Demokratie interpretiert. Und eben wegen des übergreifenden Charakters der totalitären Erfahrung hatte die Demokratisierung der Nachkriegszeit einen „übernationaleren und europäischeren Charakter als frühere Umbrüche”. Es gab eine neue Solidarität der demokratischen Staaten, es gab wegen wirtschaftlicher Prosperität in den europäischen Demokratien neue Formen von Massenloyalität, und es gab das neue Phänomen der Gewaltlosigkeit der demokratischen Umbrüche. Diese widersprachen der Tradition des 19. Jahrhunderts: Da war der Prozess der Demokratisierung durch den Kult von Gewalt und Gegengewalt gekennzeichnet. Es sind solche feinen Bemerkungen, die dieses Buch zu einem sehr wichtigen, weil nachdenklichen und anregendem Beitrag zur Europa-Problematik machen.
Diese wird im zweiten Teil noch durch die Problematisierung des Verhältnisses von Demokratiegewinn und supranationaler Integration im europäischen Rahmen ergänzt. Nach Kaelbles Auffassung haben sich trotz aller hinderlichen bürokratischen Verselbständigungen des europäischen Apparats neue Elemente einer demokratisierenden europäischen Öffentlichkeit gebildet, die von der weiten Verbreitung des europäische Gedanken zeugen. Noch gibt es allerdings eine Doppelidentität zwischen Nation und Europa. Die traditionellen Demokratiedefizite Europas sollten sich auf Dauer durch diese gemeinsame Dynamik abmildern. Es bleibt zu hoffen, dass Kaelble recht behält.
32 mal Umbruch
Während dies Buch zur Lektüre sehr empfohlen werden kann, sei der Leser doch gewarnt, dass ihn auch Unverdauliches erwartet. Kaelble schreibt nicht sonderlich stilsicher und verbeisst sich in die einmal gewählten Worte. Das führt zu oft unerträglichen Wiederholungen und Redundanzen, die viele Seiten etwas lächerlich anmuten lassen. Am schlimmsten ist das auf den Seiten 71 bis 73, wo das Wort „Umbruch” nicht weniger als 32 mal auftaucht. Das lässt den geduldigsten Leser ermatten. Gibt es bei der Deutschen Verlagsanstalt kein Lektorat, das etwa auch die achtmalige Wiederholung von „Unionsbürgerschaft” hätte vermeiden können? Und dazu vielleicht auch noch die vielen Schreib- und Grammatikfehler? Es versteht sich, dass die Faulheit oder Sorglosigkeit, die sich da zeigt, einem doch inhaltlich so reichen Buch abträglich ist.
GERD KRUMEICH
HARTMUT KAELBLE: Wege zur Demokratie. Von der Französischen Revolution zur Europäischen Union. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001. 232 Seiten, 36 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Die Untersuchung des Geschichtsprofessors Hartmut Kaelble, der an der Humboldt Universität Berlin tätig ist, lobt Carsten Schymik als "beste historische Grundlagenforschung, die dem Konvent für eine europäische Verfassung zur Pflichtlektüre aufgegeben sein sollte". Kaelbles historische Bestandsaufnahme ist für den Kritiker ein "längst überfälliger Beitrag zur aktuellen europäischen Verfassungsdebatte". Auf 200 Seiten unternimmt der Autor den Versuch, 200 Jahre Demokratie in Europa zu bündeln und zu analysieren, berichtet Schymik begeistert. Seine Studie unterteilt Kaelble in zwei große Linien: in die nationalen und europäischen Demokratisierungen, so der Rezensent. Obwohl das Buch keine Vorschläge zur Lösung des europäischen Demokratieproblems bringe, sei die Lektüre lohnenswert, da sie helfe, grundlegende historische Zusammenhänge zu erkennen. Die zentrale These der Analyse ist dabei, so Schymik, "dass der nationale Demokratiedurchbruch die Voraussetzung für das supranationale Demokratiedefizit geschaffen hat". Wer über die demokratische Zukunft Europas nachdenken will, werde durch die Lektüre des Buches sicherlich inspiriert werden: Eine Pflichtlektüre eben, meint der Rezensent.

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