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Wem gehört der Holocaust? Warum gibt es in Amerika so viele Holocaust-Museen? Können die Krematorien von Auschwitz auf Dauer die Basis einer kollektiven Identität bilden? Peter Novick hat ein Meisterwerk der Geschichtsschreibung verfaßt, auf schwierigem Gelände stellt er drängende Fragen. Novick erhellt in seinem ebenso spannenden wie fundierten Überblick die Hintergründe der Politischen Instrumentalisierung des Massenmords und unterzieht den heutigen Gebrauch des Holocaust mit Blick auf die Zukunft einer eindringlichen Prüfung. Peter Novick stellt beunruhigende Fragen nach unserem heutigen und zukünftigen Gebrauch des Holocaust.…mehr

Produktbeschreibung
Wem gehört der Holocaust? Warum gibt es in Amerika so viele Holocaust-Museen? Können die Krematorien von Auschwitz auf Dauer die Basis einer kollektiven Identität bilden? Peter Novick hat ein Meisterwerk der Geschichtsschreibung verfaßt, auf schwierigem Gelände stellt er drängende Fragen. Novick erhellt in seinem ebenso spannenden wie fundierten Überblick die Hintergründe der Politischen Instrumentalisierung des Massenmords und unterzieht den heutigen Gebrauch des Holocaust mit Blick auf die Zukunft einer eindringlichen Prüfung. Peter Novick stellt beunruhigende Fragen nach unserem heutigen und zukünftigen Gebrauch des Holocaust.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2001

Eine sehr amerikanische Debatte
Peter Novick reflektiert über den Umgang der USA mit einer historischen Schuld, die nicht die ihre ist – und die dennoch das Land geprägt hat
PETER NOVICK: Nach dem Holocaust. Der Umgang mit dem Massenmord, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München 2001. 350 Seiten, 44 Mark.
Fair ist das natürlich nicht – aber es lässt sich über Peter Novicks penibel recherchiertes und unaufgeregt geschriebenes Buch „Nach dem Holocaust” nichts sagen, ohne Norman Finkelsteins Pamphlet „Die Holocaust-Industrie” zu erwähnen. Es war Novicks Werk, das Finkelstein zu seiner Polemik veranlasste. Aber erst durch die Kontroverse, die sich um das Finkelstein-Traktat rankte, fand das seriöse, das wichtige, das nachdenkenswerte Buch Novicks einen deutschen Verleger. Nun, da die Debatte über beide Werke neu aufflammt, soll eine Rezension von Novicks Buch an dieser Stelle inhaltliches Rüstzeug für diese Auseinandersetzung liefern. Bei Amazon stand Novick vergangene Woche auf Verkaufsrang 126, Finkelsteins Buch hingegen auf Platz 1. Der Debatte zuliebe, dem Gehalt der beiden Bücher entsprechend, sollte sich dieses Verhältnis umkehren.
Täter und Opfer
Peter Novick steht an der Schwelle zum Pensionsalter. Er hat lange Jahre in Chicago Geschichte gelehrt, darunter auch die Geschichte des Holocaust. Während dieser Jahre sind in den USA Gedenkstätten, Museen und Lehrstühle zum Thema Holocaust aus dem Boden geschossen. Dabei hatte Amerika mit dem historischen Ereignis vergleichsweise wenig zu tun: Wohl gibt es bis heute Historiker, die den anglo-amerikanischen Bomberflotten vorwerfen, sie hätten Auschwitz und die Eisenbahnlinien dorthin nicht bombardiert. Aber die USA sind weder ein Täterland wie Deutschland noch das Land der Opfer wie Israel; sie haben sich nicht einmal mit den komplizierten Fragen nach einer Komplizenschaft einerseits und der heroischen Behinderung der Endlösung andererseits herumzuschlagen wie, beispielsweise, Frankreich oder Ungarn.
Dass die Judenvernichtung dennoch eine zentrale Rolle im öffentlichen Bewusstsein Amerikas erhalten hat, weckte Novicks Interesse. Er ist der Einstellung Amerikas und der amerikanischen Juden zum Holocaust in den gut 50 Jahren seit Kriegsende nachgegangen, hat die zeitgenössischen Quellen studiert – und dabei erstaunliche Unterschiede im Umgang mit dem Völkermord entdeckt, die er auf den politischen und gesellschaftlichen Kontext zurückführt.
Im amerikanischen Originaltitel „The Holocaust and collective memory” wird Novicks zentrale These sofort deutlich: Eine Gesellschaft erfindet sich ihre kollektiven Mythen und Erinnerungen immer wieder neu, um den momentanen Gegebenheiten entsprechende „Lehren” daraus zu ziehen. So galt der Hinweis auf Deutschlands Verbrechen Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre, also zu Beginn des Kalten Krieges, als wenig opportun; stattdessen wurde der jüdische Widerstand gegen die fabrikmäßige Vernichtung überbetont und der „Totalitarismus” als Ursache des Holocaust benannt. Damit ließ sich antisowjetische Propaganda betreiben.
Die intensive, öffentliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust begann erst später. Lag das an der Traumatisierung der Opfer, die zeitlichen Abstand zum Grauen brauchten, ehe sie Zeugnis ablegen konnten? Novick zieht andere Erklärungsmuster vor. Es war die Zeit, als die amerikanische Gesellschaft von der Idee der Assimilierung abging, stattdessen die Identifizierung mit einer Ethnie und die Betonung des Opferstatus modisch wurde. Schließlich sei auch die Sorge amerikanischer Juden um Israel hinzugekommen: Man habe in der Auseinandersetzung des Judenstaates mit seinen arabischen Nachbarn eine Art zweiten Holocaust für möglich gehalten.
Natürlich ist das Buch ein Beitrag zu einer sehr amerikanischen Debatte. Manchmal wirkt Novick wie der Vertreter des alten, skeptischen Kontinents gegen die begeisterungsfähigen Propagandisten der Neuen Welt – etwa wenn er sich wehrt gegen einfache ‚Lehren‘, die aus den Ereignissen gezogen werden könnten. Wird man wirklich ein besserer Mensch nur durch den Besuch des Washingtoner Holocaust-Museums, wie es einer seiner Organisatoren verkündete? Eine Besucherbefragung, über die der Autor berichtet, gibt dieser Hoffnung wenig Raum: Eine Abtreibungsgegnerin fühlte sich in ihrer Kampagne gegen Abtreibungskliniken bestärkt, schließlich mache man sich sonst der Gleichgültigkeit schuldig wie einst die Deutschen den Juden gegenüber. Und die Lehrerin einer Kirchenschule teilte ihren Schülern mit, Gott hätte die Gebete der Juden „weit mehr” erhören können, wenn sie Jesus als Messias anerkannt hätten.
„Wie die meisten Historiker stehe ich den sogenannten Lehren der Geschichte skeptisch gegenüber”, schreibt Novick. „Wenn aus der Begegnung mit der Vergangenheit Lehren gezogen werden können, muss die Begegnung die ganze Unordnung der Vergangenheit mit einbeziehen. ” Was Novick damit meint, demonstriert er am Beispiel Martin Niemöllers. Kaum jemand hat die Mitschuld des (protestantischen) Bürgertums an den Gräueln der Nazi-Zeit besser zusammengefasst als der frühere persönliche Gefangene Hitlers: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; Ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte. ”
Es gibt von diesem Zitat auch in Deutschland unterschiedliche Versionen. So werden manchmal „die Juden” durch „die Katholiken” ersetzt. Die Struktur aber, die ja der Verfolgung verschiedener Gruppen nach der Machtergreifung der Nazis entspricht, bleibt die gleiche. Anders in Amerika: Die dort erschienene „Enzyklopädie des Holocaust” setzt die Juden an die erste Stelle – prompt wurde es vom Nachrichtenmagazin Time sowie vom früheren Vizepräsidenten Al Gore so zitiert. Schlimmer noch: Time und Gore ließen Kommunisten und Sozialdemokraten gleich ganz weg, fügten dafür aber Katholiken ein. Selbst das historischer Wahrheit verpflichtete Washingtoner Holocaust-Museum löschte die Kommunisten aus der Erinnerung – sie wäre sonst wohl zu unordentlich geworden.
Vor dem Hintergrund solcher Beispiele wird Novicks Verstörung nachvollziehbar. Der Autor lässt keinen Zweifel daran: Er hält nichts von der Sakralisierung des Völkermordes an den Juden – dem, was Finkelstein die „Holocaust-Industrie” nennt. Novick aber argumentiert in abwägender, nüchterner Sprache. Seine Wirkung ist deshalb umso tiefer.
Nur ganz selten bedient er sich des Stilmittels der polemischen Zuspitzung – am deutlichsten wohl im vierseitigen Vorwort „An die deutschen Leser”: „In Washington gibt es ein großartiges Holocaust-Museum, aber kein Sklaverei-Museum. Was würden die Amerikaner davon halten, wenn die Deutschen sagten, der Holocaust sei zwar furchtbar gewesen, wirklich wichtig aber sei die Errichtung einer Berliner Gedenkstätte für die amerikanischen Negersklaven?”
Wer Novicks Buch liest, ohne davon intensive Denkanstöße zu erhalten, ohne sein Geschichts- und Holocaustbild zu überprüfen, hat immer schon alles gewusst. Wer daraus gar eine Berechtigung ableitet, von den schamlosen Verrenkungen abzulenken, mit denen deutsche Unternehmen sich ihrer Pflicht zur Wiedergutmachung entledigen wollten, ist nicht an ehrlicher Auseinandersetzung interessiert, sondern an einem wie auch immer gearteten Schluss der Debatte. Den aber, daran lässt Novick keinen Zweifel, kann und sollte es nicht geben – weder für Amerikaner noch für Deutsche.
SEBASTIAN BORGER
Der Autor ist Politikwissenschaftler und Journalist in London.
Ein Amerikaner in Berlin: der US-Historiker Peter Novick auf Deutschland-Tournee.
Foto: P/F/H-SZ-Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

"Schon komisch, meint Ulrich Speck, wie sich die Dinge so manchmal entwickeln. Gerade ist in Deutschland die Notwendigkeit einer Erinnerung an die Shoah einigermaßen etabliert, da sorgen zwei amerikanische Autoren, Norman Finkelstein und Peter Novick, mit einem "Fundamentalangriff auf die Holocaust-Erinnerungskultur" für Aufsehen. Der Rezensent glaubt, dass sich die Debatte um Finkelsteins Buch schnell legen wird. Nicht so bei Peter Novick. Dessen Abhandlung sei von einer ganz anderen Qualität. Der emeritierte Professor für Geschichte an der University of Chicago präsentiere hier die Ergebnisse zehnjähriger Recherchen und Reflexionen über den US-amerikanischen Umgang mit dem Holocaust. Durchweg intelligent und verfasst nach den Regeln der Geschichtswissenschaft zeichne Novick zum einen die Wahrnehmung des Holocaust in der US-amerikanischen Öffentlichkeit nach und biete zum anderen einen kritischen Kommentar über den Umgang mit dem Holocaust. Ein facetten- und gedankenreiches Buch, das mehr Fragen aufwirft als es Antworten bietet, denkt Speck. Der Rezensent bemängelt zwar, dass Novick zum Ende seines Buchs die sachliche zugunsten der polemischen Ebene wechselt. Trotzdem hält er Novicks Ausführungen für unbedingt lesenswert. Auch für Deutsche. Obwohl es hier hauptsächlich um die USA geht. Aber ein nicht unbeträchtlicher Teil der Holocaust-Gedenkkultur wurde schließlich von dort nach Deutschland importiert, betont Speck.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Ein provokatives, seriöses Werk." DIE ZEIT

"Der amerikanische Geschichtsprofessor Peter Novick macht in seinem Buch 'Nach dem Holocaust' klar, welche Verzerrungen sich aus dem Umstand ergeben, dass der Holocaust immer relevanter wird für die Politik, Öffentlichkeit und Kultur und gleichzeitig wachsender Kommerzialisierung unterliegt." Südkurier

"Novicks Untersuchung ist schonungslos, doch lässt sie sich nicht von falschen Freunden in Anspruch nehmen ... Die Position des Geschichtsprofessors an der Universität Chicago mag kritisierbar sein, doch hat er die bislang gründlichste Darstellung der Beschäftigung mit dem Holocaust in den USA geschrieben." Der Tagesspiegel

"Das Buch von Peter Novick ist eine sehr gute Grundlage zur Auseinandersetzung mit der Problematik des instrumentalisierten Umgangs mit dem Holocaust in den USA. Zwar sind die Verhältnisse nicht einfach auf Deutschland übertragbar, aber der Judenmord als Zentralereignis des 20. Jahrhunderts lädt in Deutschland natürlich in nicht weniger starkem Maße dazu ein, zur Grundlage politischer Gegenwartsargumentation zu werden - vom Kosovo-Krieg bis zum nivellierenden Vergleich mit der 'zweiten deutschen Diktatur'." Süddeutsche Zeitung

"Der Autor lässt keinen Zweifel daran: Er hält nichts von der Sakralisierung des Völkermordes an den Juden - dem, was Finkelstein die 'Holocaust-Industrie' nennt. Novick aber argumentiert in abwägender, nüchterner Sprache. Seine Wirkung ist umso tiefer." Süddeutsche Zeitung…mehr