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Roman Herzog hat die Verfassung und die Verfassungswirklichkeit von den verschiedensten Seiten kennengelernt: als Staatsrechtler, Minister, Verfassungsrichter und Bundespräsident. Ein halbes Jahrhundert nach seiner Verkündung unterzieht er das Grundgesetz einer kritischen Überprüfung und konstatiert Mängel - wirkliche und eingebildete. Eine spannende Lektüre für politisch interessierte Bürger.

Produktbeschreibung
Roman Herzog hat die Verfassung und die Verfassungswirklichkeit von den verschiedensten Seiten kennengelernt: als Staatsrechtler, Minister, Verfassungsrichter und Bundespräsident. Ein halbes Jahrhundert nach seiner Verkündung unterzieht er das Grundgesetz einer kritischen Überprüfung und konstatiert Mängel - wirkliche und eingebildete. Eine spannende Lektüre für politisch interessierte Bürger.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.08.2000

Bewährtes muss bleiben
Der einstige Bundespräsident Roman Herzog legt ein Buch über Strukturmängel der Verfassung vor, aber er findet kaum welche
ROMAN HERZOG: Strukturmängel der Verfassung? Erfahrungen mit dem Grundgesetz, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2000. 114 Seiten, 28 Mark.
Niemand scheint berufener zu sein, die Verfassungsreform zu initiieren und zu gestalten: Mit 32 Jahren Ordinarius für Staatsrecht, Mitverfasser eines hoch angesehenen Grundgesetzkommentars, zwei Jahre Rektor der Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer, nach 1974 Staatssekretär in Rheinland-Pfalz und Kultus- und Innenminister in Baden-Württemberg, 1983 Bundesverfassungsrichter und von 1987–1994 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, schließlich von 1994–1999 Bundespräsident. Roman Herzog kennt das Grundgesetz aus allen Perspektiven: der Wissenschaft, der Exekutive, der Verfassungsrechtsprechung – und als Inhaber des höchsten Amts der Bundesrepublik. Als Bundespräsident hat er es verstanden, die Brücke zum Bürger zu schlagen.
In diesem Buch trägt Herzog seine Erfahrungen mit dem Grundgesetz zusammen. Es beruht auf seinem Fachverstand und Amtsverstand wie seiner Altersweisheit. Dies kommt auch ungeniert zum Ausdruck, wenn er andere Meinungen ablehnt, weil diese von juristischen Laien, Sonntagsrednern, aber auch Kollegen stammen. Gleichzeitig erklärt sich damit seine spürbare Zurückhaltung gegenüber präzisen Reformvorschlägen. Herzog distanziert sich stattdessen von Idealvorstellungen und beschreibt den Status quo sowie vor allem Verfassungsprobleme.
So versanden seine Ausführungen zum Wahlrecht oder seine aus der französischen Politik abgeleitete Beobachtung der Mediatisierung von Parteien durch die Bildung von Parteiblöcken. Auch die Kritik der „parakonstitutionellen” 20 000 Seiten Bundesverfassungsgerichts-Entscheidungen endet nur in der leisen Mahnung, weniger sei weiser – und damit in der achselzuckenden Hinnahme des Gegebenen. Und wenn Herzog schon mal auf schärfere Zuständigkeitsabgrenzungen drängt, so tut er dies mit der Feststellung, „das ist alles leicht kritisiert und schwer zu beheben” .
Es gibt wenige Ausnahmen. Der Finanzverschiebebahnhof zwischen Bund, Ländern und Kommunen sollte in seinen Augen im Sozialbereich auch die Finanzverantwortung für die Sozialhilfe gerechter regeln. Und die strenge Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sollte dadurch zurückgeschnitten werden, dass die Gesetzgebung auf eine Richtlinienkompetenz beschränkt wird – wobei Herzog den deutschen Konstitutionalismus als Fehlentwicklung verwirft. Er will die Länder stärken, denen er gesetzgeberische Kompetenzen zurückgeben oder die Organisationshoheit übertragen will.
Doch wo sind die Strukturmängel der Verfassung? Herzog korrigiert die Fragestellung des Buchtitels, indem er vom „Strukturmangel, an dem unsere heutige Verfassung leidet” spricht. Herzog sorgt sich um die fehlende Innovationsfähigkeit der Demokratie im Lichte demographischer Veränderungen, deren Behebung in einer sich verändernden Welt offensichtlich sein Hauptanliegen bildet. Kein Wort also dazu, wie sich denn die Entwicklung der Alterspyramide mit der Herabsetzung der Arbeitsaltersgrenze verträgt und die Massenarbeitslosigkeit mit dem geforderten Arbeitnehmerimport. Haben diese offenbaren Widersprüche gar nichts mit dem Grundgesetz zu tun? Oder: Wie steht es mit der von Herzog beklagten Undurchsichtigkeit des Rechts? Ebenso bleibt offen, wie Herzog die Verdrossenheit des Bürgers an der Parteiendemokratie erklärt.
Im Großen und Ganzen gut
Der ehemalige Bundespräsident fragt nicht nach den Ursachen – wozu auch, hat sich doch „im Großen und Ganzen das Grundgesetz hervorragend bewährt”. So führt sein Buch, wie die vielen Einblendungen von Grundgesetztexten zeigen, denn auch mehr den Bürger an die Diskussion um Sekundärreformen heran, als dass es zur prinzipiellen Auseinandersetzung mit einer Verfassung taugt, die nicht deutscher verfassunggebender Gewalt entstammt und in fünfundvierzig Jahren sechsundvierzig Mal geändert worden ist. Weshalb Herzog den „Ruck” einfordert, der durch das gesamte deutsche Volk gehen müsse, bleibt nach der Lektüre unverständlich.
Das Buch enthält nachdenkenswerte Plaudereien eines Elder Statesman und die Mahnung, nicht den Maßstab der Perfektion an das Grundgesetz zu legen. Es sind Äußerungen, die vom unbestreitbaren Fach- und Amtsverstand und Common Sense des Verfassers zeugen und Beachtung und Respekt verdienen. Doch müssen sie auch auf die spezifische Perspektive Herzogs zurückgeführt werden. Wer das Buch zu orten sucht, wird feststellen, dass aus ihm der Staatsrechtslehrer und der ehemalige Minister spricht, der überdies geborener Bayer ist. In dieser Vorprägung, die auch durch die spätere Tätigkeiten nicht entscheidend verändert worden ist, hat er sich mit dem Grundgesetz identifiziert. Wer aber wie Herzog mit seinem Denken und Handeln in der vorgegebenen Ordnung verhaftet geblieben ist, dem fehlt das, was zur Befassung mit Strukturmängeln unumgänglich ist: die kritische Distanz, die Geschichte und Theorie zu geben vermögen.
THILO RAMM
Der Rezensent ist emeritierter Professor für bürgerliches Recht und Arbeitsrecht.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Thilo Ramm erläutert zunächst einmal in aller Ausführlichkeit, wieso es hierzulande kaum einen berufeneren Menschen für eine solche Abhandlung gibt als Roman Herzog - um letztlich jedoch guten Gewissens in einen Verriss einzubiegen. In erster Linie kritisiert Ramm die Zurückhaltung Herzogs in Bezug auf Reformen. Zwar führe Herzog in der Tat einige Probleme auf, jedoch reagiere er häufig darauf eher mit einer Art "achselzuckender Hinnahme des Gegebenen" und mit den Hinweis, dass Reformen oft nicht so leicht durchzuführen seien wie angenommen. Schade findet Ramm es darüber hinaus, dass hier die "Sekundärreformen" stärker im Mittelpunkt stehen als die "prinzipielle Auseinandersetzung mit einer Verfassung". Was den Inhalt betrifft, so hätte sich der Rezensent vor allem eine stärkere Behandlung von Problemfällen gewünscht. Als Beispiel nennt er unter anderem die demographische Entwicklung, die der Herabsetzung des Rentenalters entgegen steht oder auch die Politikverdrossenheit der Bürger.

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