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B Im Spannungsbogen zwischen Geist und Macht S Walther Rathenau und Theodor Heuss, kommunistische und nationalsozialistische Agitatoren, Mitglieder von Wählerinitiativen und Dissidenten in der Diktatur - was treibt Intellektuelle verschiedenster Provenienz in die Politik? In diesem Buch wird ausführlich nach Formen und Strategien politischer Intervention gefragt, die die strikte Opposition von Geist und Macht durchbrechen. Daraus entsteht ein ebenso variantenreiches wie beunruhigendes Bild vom Intellektuellen in der Politik des 20. Jahrhunderts: Neben dem skeptischen Kulturkritiker in der…mehr

Produktbeschreibung
B Im Spannungsbogen zwischen Geist und Macht S Walther Rathenau und Theodor Heuss, kommunistische und nationalsozialistische Agitatoren, Mitglieder von Wählerinitiativen und Dissidenten in der Diktatur - was treibt Intellektuelle verschiedenster Provenienz in die Politik? In diesem Buch wird ausführlich nach Formen und Strategien politischer Intervention gefragt, die die strikte Opposition von Geist und Macht durchbrechen. Daraus entsteht ein ebenso variantenreiches wie beunruhigendes Bild vom Intellektuellen in der Politik des 20. Jahrhunderts: Neben dem skeptischen Kulturkritiker in der Rolle eines Außenministers stehen die Vordenker des rassisch begründeten Angriffskriegs im Osten, neben dem an demokratischen Grundwerten orientierten Bildungsbürger im Parlament der kommunistische Kaderintellektuelle, neben dem Agitator der "Konservativen Revolution" die Exponenten des demokratischen Umbruchs in Mitteleuropa am Ende des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kurt Sontheimer weist darauf hin, dass dieser `hochinteressante` Band aus einer von den Herausgebern veranstalteten Tagung hervorgegangen ist, die sich mit der Rolle und Verantwortung von Intellektuellen im politischen Spektrum befasst hat: dem politischen Handeln. Dies ist nach Sontheimer - zumindest in theoretischer Hinsicht - ein bisher wenig erforschter Bereich. Es geht um Intellektuelle, die sich mit Kritik nicht begnügt haben, sondern selbst ein `konkretes politisches Mandat` ausgeübt haben. Sontheimer gefällt es, dass die Herausgeber die Notwendigkeit praktischen politischen Handelns Intellektueller dabei ausdrücklich betonen und dabei auch der Frage nachgehen, inwiefern dieses Handeln Intellektuelle in ihrem `Denken verändert und geprägt` hat. Dies werde anhand verschiedener Persönlichkeiten (Sontheimer nennt u. a. Walther Rathenau, Theodor Heuss, Kurt Eisner und Günter Grass) anschaulich untersucht. Befremden äußert er lediglich darüber, dass die Herausgeber auch die These vertreten, dass es auch im Dritten Reich politisch aktives Handeln und eine `öffentliche Debatte` Intellektueller gegeben haben soll. Denn nach Ansicht des Rezensenten ist `ein Rest an Humanität` für den Begriff des Intellektuellen unabdingbare Voraussetzung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2000

Geist und Mandat
Intellektuelle in der deutschen Politik und als Beweihräucherer des nationalsozialistischen Staates

Gangolf Hübinger, Thomas Hertfelder (Herausgeber): Kritik und Mandat. Intellektuelle in der deutschen Politik. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2000. 384 Seiten, 39,80 Mark.

Thomas Hertfelder von der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart hat mit Gangolf Hübinger, der in Frankfurt an der Oder vergleichende Kulturgeschichte lehrt, eine höchst fruchtbare Tagung veranstaltet. Der jetzt vorliegende Sammelband über die Tagung ist ein hochinteressanter und von einer klaren Fragestellung angeleiteter Beitrag zur politischen Geistesgeschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, der einen neuen Zugang zum Verständnis der Rolle des Intellektuellen in der Politik eröffnet.

Die Herausgeber haben das Verdienst, in ihren einleitenden Aufsätzen die theoretische Basis für eine bisher ziemlich vernachlässigte Seite der intellektuellen Existenz gelegt zu haben: den Aspekt der Tat, des politischen Handelns. Sie beschäftigen sich, unterstützt durch eine Reihe kundiger Historiker, mit jenen deutschen Intellektuellen, die sich nicht damit begnügt haben, sich im Reich des Geistes zu bewegen und die Kritik zu ihrer vornehmsten Aufgabe zu erheben, sondern sich nicht scheuten, ein konkretes politisches Mandat auszuüben. Es handelt sich um Repräsentanten des Geistes, die es für notwendig und verpflichtend hielten, an der Politik mitzuwirken, anstatt sie nur kritisch ins Visier zu nehmen.

Die publizistische Diskussion über Wesen und Funktion des Intellektuellen ist noch stark geprägt von der französischen Tradition seit der Dreyfus-Affäre. Hertfelder und Hübinger entfernen sich von der auch heute von dem Soziologen Pierre Bourdieu vertretenen Interpretation, die auf die Unabhängigkeit des Intellektuellen von allen Machtinteressen und Ideologien abhebt, indem sie den Intellektuellen nicht auf den autonomen Kritiker der Macht einengen, sondern auch solche "Geister" dazurechnen, die sich um die Stabilisierung von Macht kümmern. Ferner betonen sie mit guten Gründen die Notwendigkeit, Intellektuelle in das "politische Kommunikationsfeld" einzuordnen, in dem sie agieren, und dessen historische Ausprägung in ihrem Wandel zu berücksichtigen.

In der Tat ist das normative Konzept des unabhängigen, den universalen Ideen und Werten der Aufklärung verbundenen Intellektuellen nicht brauchbar, wenn man nicht damit zufrieden sein will, daß Intellektuelle politisch links oder zumindest liberal sein müßten. Das wäre in der Tat zu wenig und zu einseitig, wenn man das Wirken des "Geistes" auf die und innerhalb der "Macht" (um noch einmal das traditionelle Gegensatzpaar zu bemühen) untersuchen will.

Die Herausgeber öffnen das Feld der Intellektuellenforschung durch ihre konkrete Untersuchung von deutschen Intellektuellen, die ein politisches Mandat anstrebten und annahmen. Sie haben für die Einzelbeiträge, die hier nicht alle genannt werden können, kompetente Autoren gewonnen, die sich in der Regel an der interessanten Frage orientieren, ob und in welcher Weise das politische Mandat, das ein Intellektueller übernahm, diesen in seinem Denken verändert und geprägt hat.

Es beginnt mit Walther Rathenau und dem ohne Mandat bleibenden Großintellektuellen Maximilian Harden, untersucht den Kreis der Intellektuellen um Friedrich Naumann, speziell die geistig-politische Entwicklung von Theodor Heuss, ferner den Prozeß des Wandels politischer Wertideen durch die Praxis bei den Sozialdemokraten Gustav Radbruch und Rudolf Hilferding sowie das Wirken sozialdemokratischer Intellektueller in den Anfangsjahren der Bundesrepublik bis hin zur Sozialdemokratischen Wählerinitiative mit Günter Grass als Vorreiter.

Auch radikale politische Köpfe auf der Linken wie auf der Rechten werden nicht ausgespart: Kurt Eisner, Moeller van den Bruck, der Verfasser des "Dritten Reiches", sowie kommunistische Intellektuelle in der frühen DDR. Kurz: Die ausgewählten Figuren und Kreise sind so unterschiedlich wie das politische Kommunikationsfeld, in dem und mit dem sie operieren. Das Buch ist auch ein Beweis dafür, daß die Erforschung der Rolle und Bedeutung von Intellektuellen entlang den von Hübinger skizzierten Linien Erfolg verspricht und zu interessanten Ergebnissen führen kann.

Überrascht hat es mich, daß es auch im Dienste des "Dritten Reiches" Intellektuelle gegeben haben soll, wo doch der herrschende Totalitarismus die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ausgelöscht und jede öffentliche Diskussion, die dem Regime schaden konnte, unterdrückt hatte.

Ulrich Herbert schildert eine von dem regimetreuen Staatsrechtslehrer Carl Schmitt entfachte Diskussion über deutsche Großraumpolitik, bei der die - gegen das internationale Recht gerichteten - Thesen Schmitts durch einige jüngere Kollegen und SS-Führer noch zusätzlich verschärft wurden. Herbert räumt zwar ein, daß durch diese Debatte die Legitimität des Regimes nie in Frage gestellt wurde, meint aber gleichwohl, daß es sich um eine öffentliche Debatte unter Intellektuellen gehandelt habe.

Gewiß hat es im "Dritten Reich" an geistigen Rechtfertigungen der nationalsozialistischen Politik nicht gefehlt. Und diese Rechtfertigungen waren nicht alle gleichförmig. Jedoch ist es unannehmbar, die geistigen Beweihräucherer des NS-Staates und seiner Ideologie als Intellektuelle zu bezeichnen und die "Prinzipien des völkischen Radikalismus", die sie in der Debatte mit Schmitt vertraten, als eine intellektuelle Position zu deuten.

Richtig und wichtig ist es, den schwer genau zu definierenden Begriff des Intellektuellen zu fixieren. Aber die Propagandisten und Apologeten des Völkermords und der rassischen Reinheit des deutschen Volkes gehören nicht zu den Intellektuellen. Denn ein Rest an Humanität muß dem Intellektuellen innewohnen, wenn der Begriff nicht völlig entwertet werden soll.

KURT SONTHEIMER

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