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Produktdetails
  • Verlag: DVA
  • Seitenzahl: 205
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 302g
  • ISBN-13: 9783421052124
  • ISBN-10: 3421052123
  • Artikelnr.: 24062060
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2000

Einschläfernde Kinder

Mara, die Ich-Erzählerin, ist dreizehn. Sie malt und dichtet, schnüffelt Aceton und andere Farblöser, treibt sich grell geschminkt mit ihrer buckeligen Freundin Lori in Bars herum und schläft mit einem Chinesen. Ein bisschen dick aufgetragen vielleicht, aber cool, auf jeden Fall. Eine normale Familiengeschichte sollte es bestimmt nicht werden. Tatsächlich ist diese sechsköpfige holländische Familie keineswegs gewöhnlich. Der Vater, tagsüber Statistiker und nach Feierabend Kunstmaler, liebt seine etwas chaotische Frau abgöttisch. Die vier Kinder bezeichnet die Mutter als Rudel und überlässt ihre Brut weitgehend sich selbst. Mara bekommt also kaum Vorwürfe zu hören, wenn sie die Nächte nicht in der Mustersiedlung zwischen zwei feindlichen Dörfern verbringt, oder später mit Helmi, dem Freund ihres Bruders, akrobatische Liebesspiele im eigenen Bett ausprobiert.

Manon Uphoff hat bereits für ihre Erzählungen einen niederländischen Literaturpreis erhalten. "Schlafkind" ist ihr erster Roman, der seltsame Titel findet eine nicht recht einleuchtende Erklärung: "Manche Leute verlieren ihre Streitlust schon bei der Geburt. Das sind die Schlafkinder." Seltsam ist manches in dieser Geschichte vom Erwachsenwerden. Die Beschreibungen von Maras ersten sexuellen Erfahrungen sollen möglicherweise schockieren und die Gefühlskälte des jungen Mädchens beweisen. Doch sowohl die kurze Beziehung zu Huang aus Hongkong als auch die Teenager-Liebe zu einem schüchternen, pickeligen Gleichaltrigen bleiben ebenso unglaubwürdig wie die erotischen Abenteuer, die Mara für ihren jüngeren Bruder erfindet. Der Verdacht liegt nahe, dass Phantasie und Wirklichkeit sich heillos verwirren. Muss es ausgerechnet ein Bisamrattenfänger sein, mit dem Mara sich am Teich trifft und dem sie eine nackte Brust anbietet? (Wie er darauf reagiert, erfahren wir nicht.) Der ältere wohlhabende Richter in seinem prächtigen Haus, der ihr hörig sein soll, ist eine erdachte Kunstfigur, auf die nicht einmal der naive Bruder Nicolaj hereinfällt.

Wenn Manon Uphoff dagegen Mara von ihrer Familie erzählen lässt, gelingen ihr lebendige Szenen. Die Liebe zum Vater ist vielleicht die einzige Beziehung dieses so angestrengt coolen Mädchens. Für den Vater hat die Tochter Verständnis, sie kann sogar zärtlich sein, wenn er ihr sein Herz ausschüttet und verzweifelt ist, weil die Mutter damit droht, ihn zu verlassen. Den älteren Bruder Theo, dem es ohne Schwierigkeiten gelungen ist, sich aus dem Elternhaus zu lösen, bewundert die Schwester, den behinderten Bruder Eddie erträgt sie wie alle Familienmitglieder geduldig und nachsichtig; zu Nicolaj, dem Jüngsten, hat sie sogar ein geschwisterliches Verhältnis.

Doch das alles scheint Manon Uphoff viel zu normal. Sie möchte ihrer Mara unbedingt ein paar perverse Züge verleihen. Goyas "Enthauptung" genießt die nun allmählich Siebzehnjährige fast ebenso wie sie es liebt, ihrem akne-geplagten Freund bei der Körperreinigung zu helfen. Sie habe Angst, bekennt sie einmal, mehr Gedanken zu haben, als in die Zeit passen. Eine große Täuschung: zu wenig sind es und dazu noch ungeordnet und mit falschen Effekten belastet. (Manon Uphoff: "Schlafkind". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Thomas Hauth, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München 2000. 206 S., geb., 34,- DM.)

MARIA FRISÉ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenig überzeugend findet Rezensentin Maria Frise diesen holländischen Roman über das Erwachsenwerden. Mit zu grellen Effekten und ausgewalzten "perversen Zügen" ist die zu Beginn der Geschichte dreizehnjährige Mara ausgestattet: malend, dichtend, Aceton schnüffelnd und grell geschminkt rennt sie ihrem sexuellen Erwachen entgegen, das dann als "sexuelle Akrobatik" mit einem Chinesen, einem Bisamrattenfänger und einem alternden Richter inszeniert wird. Dabei sind viele Szenen aus ihrer ungewöhnlichen Familie oft "lebendig" beschrieben und insgesamt wesentlich glaubwürdiger geraten als die viel zu aufgedonnerte Hauptfigur, meint Frise.

© Perlentaucher Medien GmbH