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Eine Lichtgestalt der Diplomatie, einen Superstar der Außenpolitik, ja einen "Weltenlenker" (DIE ZEIT) hat man Henry Kissinger genannt. Kaum ein Außenpolitiker des 20. Jahrhunderts ist mit so überschwenglichen Ruhmesworten gefeiert worden wie Henry Kissinger. Wer bislang Henry Kissinger Vorwürfe zu machen hatte, er habe sich im Zuge seiner heldenhaften Missionen Fehler zu Schulden kommen lassen, hat das zumeist nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Zum ersten Mal hat der englische Journalist Christopher Hitchens anhand bislang verschlossener Quellen den Beweis geführt, dass Kissinger sogar…mehr

Produktbeschreibung
Eine Lichtgestalt der Diplomatie, einen Superstar der Außenpolitik, ja einen "Weltenlenker" (DIE ZEIT) hat man Henry Kissinger genannt. Kaum ein Außenpolitiker des 20. Jahrhunderts ist mit so überschwenglichen Ruhmesworten gefeiert worden wie Henry Kissinger. Wer bislang Henry Kissinger Vorwürfe zu machen hatte, er habe sich im Zuge seiner heldenhaften Missionen Fehler zu Schulden kommen lassen, hat das zumeist nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Zum ersten Mal hat der englische Journalist Christopher Hitchens anhand bislang verschlossener Quellen den Beweis geführt, dass Kissinger sogar Strafverfolgung verdiene "wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen Verschwörung zu Mord, Entführung und Folter."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Schweres Geschütz gegen Henry
War der ehemalige amerikanische Außenminister Kissinger ein Kriegsverbrecher?

Christopher Hitchens: Die Akte Kissinger. Aus dem Englischen von Peter Torberg und Jürgen Bürger. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/München 2001. 250 Seiten, 39,80 Mark.

Henry A. Kissinger, ein aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die Vereinigten Staaten geflohener Jude, gehört zu den markantesten Persönlichkeiten der amerikanischen Außenpolitik, und zwar gleichermaßen als Denker und Handelnder. Der Friedensnobelpreisträger von 1973 war unter dem psychopathischen Präsidenten Nixon und neben dem Ehrenmann Präsident Ford als nationaler Sicherheitsberater und Außenminister ein Chef-Architekt der Außenpolitik von 1969 bis 1977. Von großer schriftstellerischer Produktivität, als Historiker, Analytiker von Außenpolitik und Interpret seiner eigenen Taten ebenso sichtbar wie umstritten, Liebling der Medien und der Gesellschaft, ein macht-, geldund ruhmsüchtiger Ironiker und Zyniker, wurde er seit Beginn seiner Karriere von einem Teil seiner akademischen Kollegen und des außenpolitischen Establishments gehaßt und bekämpft.

Der Grund dafür liegt nicht in erster Linie in Kissingers Charaktereigenschaften, sondern an einem fast homerischen Kampf zweier Schulen um die richtige Außenpolitik. Kissinger will dem auserwählten Volk der Amerikaner das moralisch-demokratische Sendungsbewußtsein als Leitmotiv ihrer Außenpolitik nehmen und sie vom Manichäismus befreien. Er will ihnen ausgerechnet jenes Konzept der internationalen Beziehungen zurückgeben, von dem der Moralist und Missionar Woodrow Wilson, der die Welt für die Demokratie sicherer machen wollte, das Staatensystem, besonders das verrottete Europa, erlösen wollte: das Konzept des Gleichgewichts der Mächte.

Kissinger, der schon in seiner Magisterarbeit alle geschichtsphilosophischen Fortschrittsmodelle einer Kritik unterzogen und sein außenpolitisches Denken an europäischen Konservativen und "Realisten" wie Richelieu und Metternich, Castlereagh und Bismarck geschult hatte, hält den Wilsonschen Moralismus für die Dauerversuchung amerikanischer Außenpolitik. Alle Versuche, die naturgegebenen Machtegoismen der Staaten nicht durch Macht- und Gleichgewichtspolitik, sondern durch Völkerrecht und kollektive Sicherheit zu zähmen, sind für Kissinger überdies Tagträume realitätsvergessener Utopisten. Durch diese Überzeugungen wird Kissinger für alle diejenigen zum roten Tuch, die die internationalen Beziehungen durch Moral, Völkerrecht und militärische Interventionen zur Durchsetzung von Menschenrechten humanisieren wollen.

In der vorliegenden provokativen Streitschrift wird Kissinger der Prozeß gemacht, von einem giftigen Enthüllungsjournalisten und berufsmäßigen Ankläger, der ideologisch ganz in der Tradition der Verächter von Kissinger steht. Christopher Hitchens, ein Journalist jüdischer Herkunft, hat so unterschiedliche Persönlichkeiten "entlarvt" wie Mutter Teresa, Prinzessin Diana und Präsident Clinton. Hitchens will den Beweis führen, daß Kissinger während seiner Amtszeit eine ganze Reihe von Verbrechen begangen habe und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden müsse. Der selbsternannte Moralist Hitchens will nur jene "Vergehen Kissingers untersuchen, die als Grundlage für eine Strafverfolgung dienen könnten und sollten". Dazu gehören "Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Delikte gegen das allgemeine Rechtsverständnis oder internationales Recht, darunter Verschwörung zum Mord, Entführung und Folter".

Das ist schweres Geschütz. Hitchens' Angriff zielt auf die persönliche, berufliche und bürgerliche Vernichtung Kissingers. Denn eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als daß ein Exaußenminister der einzig verbliebenen Supermacht irgendwo in der Welt vor ein Gericht gestellt würde. In einem Prozeß müßten die Richter Hitchens' Tatsachenbehauptungen prüfen und die rechtlichen Zuordnungen der tatsächlich bewiesenen Handlungen vornehmen. In einer Buchbesprechung kann lediglich die historische und juristische Einschätzung der Anklage durch den Rezensenten in Form von Behauptungssätzen vorgetragen werden.

Die Streitschrift hat erhebliche Schwächen: Die Quellenangaben für alle seine Behauptungen fehlen. Viele von Hitchens' sogenannten "prima facie"-Beweisen sind Vermutungen und Unterstellungen. Der geschichtliche Hintergrund und der Möglichkeitshorizont der Entscheidungen Kissingers werden nur schemenhaft erkennbar: etwa der alles dominierende Antikommunismus in Washington, die Dominotheorie und die Tendenz amerikanischer Regierungen, auch mit rechten Diktaturen gegen den Kommunismus zusammenzuarbeiten.

Hitchens' Kenntnisse des Völkerrechts erscheinen lückenhaft. Sein Pamphlet ist ein Durcheinander von Sachaussagen, Erklärungen, moralischen und juristischen Argumenten, die das Ziel verfolgen, beim Leser eine moralische Empörung zu erzeugen. Für folgende Anklagepunkte fehlen die tatsächlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen: für die Anklage, daß Kissinger im Oktober 1968, in den letzten Tagen der Amtszeit von Präsident Johnson, durch eine Intrige zugunsten des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Nixon ein mögliches Friedensabkommen über Vietnam hintertrieben und damit für die Millionen Toten und Verwüstungen des Vietnam-Krieges bis zum Jahre 1973 verantwortlich sei; für die Anklage, daß Kissinger den pakistanischen General Yahya Khan vorsätzlich nicht am Völkermord im damaligen Ostpakistan (Bangladesh) und den indonesischen Diktator General Suharto nicht an Massakern und dem Aushungern der Bevölkerung von Osttimor gehindert habe; für die Anklage, daß Kissinger sich persönlich an Plänen zur Ermordung des zypriotischen Staatspräsidenten Makarios und eines griechischen Journalisten in Washington beteiligt habe.

In zwei Anklagepunkten hätte Kissinger erhebliche Mühe, seine Unschuld zu beweisen. Nur aus diesem Grund verdient diese Streitschrift Aufmerksamkeit. Hitchens legt überzeugend dar, daß Kissinger nach den Präsidentenwahlen in Chile im September 1970 den Plan für die Entführung des schließlich ermordeten, verfassungstreuen Chefs der chilenischen Armee, General René Schneider, anordnete. Die vorgetragenen Tatsachenbehauptungen reichen hin, um den Anfangsverdacht zu begründen, daß in diesem Fall amerikanisches Staatshandeln, verkörpert in der Person Kissingers, an der konkreten Vorbereitung eines Verbrechens beteiligt war. Das wäre nach amerikanischem Recht strafbar. Für die Unterstellung, daß Kissinger - nachdem Salvador Allende gegen den Willen von Präsident Nixon vom chilenischen Kongreß im Amt des Präsidenten bestätigt worden war - bis zur Ermordung Allendes im Jahre 1973 und der Machtergreifung der Militärs auf kriminelle Weise in die chilenische Innenpolitik eingriff, fehlen allerdings die Beweise.

Schließlich der Vietnam-Krieg: Hier besteht ein schwerwiegender Anfangsverdacht, daß Kissinger durch die vorsätzlich in Kauf genommene Tötung von Hunderttausenden von Zivilpersonen in Indochina - besonders durch das Bombardement der neutralen Staaten Laos und Kambodscha - zum Kriegsverbrecher geworden ist. Kissinger hat bei den - von ihm mitzuverantwortenden - Einsätzen für militärische Zwecke "Kollateralschäden" in einer Größenordnung hingenommen, die durch kein Völkerrecht (ius in bello) gedeckt ist. Ein solches Urteil dürfte nur ein internationaler Gerichtshof fällen. Aber, wie schon gesagt: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr . . .

DETLEF JUNKER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Abgesehen von zwei Anklagepunkten, die allerdings Aufmerksamkeit verlangen, wie es in der Besprechung heißt - betreffend die Entführung des chilenischen Generals René Schneider und die Verantwortung für den Tod Hunderttausender Zivilisten in Indochina während des Vietnam-Kriegs -, sieht Detlef Junker in dieser "provokativen Streitschrift" keine wirkliche Gefahr für "Henry". Zu offensichtlich sind die Mängel, die der Rezensent in seiner "historischen und juristischen Einschätzung der Anklage" gegen den früheren US-Außenminister entdeckt. So vermisst Junker neben Quellenangaben für die Behauptungen des "selbsternannten Moralisten" Hitchens, Darstellungen zum geschichtlichen Hintergrund und zum Möglichkeitshorizont der in Frage stehenden Entscheidungen Kissingers. Des Autors Kenntnisse des Völkerrechts (eine der Anklagen lautet auf Verbrechen gegen internationales Recht) erscheinen Junker "lückenhaft", Sachaussagen, Erklärungen, moralische und juristische Argumente sind ihm ein Durcheinander, in dem er einzig das Ziel erkennen kann, "beim Leser eine moralische Empörung zu erzeugen."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Buch ist wichtig und aktuell. Einzelne Kapitel lesen sich wie eine crime story. Für Deutschland zeigt es, daß eine Revision des Kissinger-Bilds ansteht. Und es illuminiert die 68er-Debatte im neuen Licht." Stefan Reinecke, Der Tagesspiegel "Der Engländer Hitchens ist eine berüchtigte Natter unter den Journalisten in Washington und kann besser schreiben als alle anderen. Jetzt hat er sich einem würdigen Gegenstand zugewandt, Dr. Kissinger. Nur Hans Magnus Enzensberger nahm sich einmal die Freiheit, Kissinger als 'Kriegsverbrecher' zu bezeichnen. Hitchens trägt in seiner Anklageschrift die Belege für diesen Vorwurf zusammen." Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung "Hitchens stützt sich auf Akten und Gesprächsprotokolle aus der Nixon-Ära, die zum Teil erst in den vergangenen zwei Jahren in den USA freigegeben wurden. Der Vergleich zwischen Kissingers eigener Darstellung einzelner Unterredungen in seinen Memoiren und dem tatsächlich Gesagten bestätigt die schlimmsten schlimmsten Befürchtungen über die Diskrepanz zwischen Kissingers politischer Fassade und seiner faktischen Politik hinter den Kulissen." Stefan Schaaf, die tageszeitung "Christopher Hitchens Ruf ist legendär. Seit Wochen steht er mit seinem Buch in den Schlagzeilen. Henry Kissinger, ein wahrer Bismarck-Bulldozer, versucht den Angriff totzuschweigen. Dennoch liegen seine Nerven blank." ZDF Aspekte, Sendung vom 6. Juli 2001