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"Dieser Roman zeigt Howard Jacobson auf dem Höhepunkt seines Schaffens." (The Independent)
Die Bewohner Port Reubens leben in scheinbarer Harmonie, sie hören nur noch Schnulzen und lesen kitschige Liebesromane, und nach dem schrecklichen Ereignis, über das nur als »Was geschah, falls es geschah« gesprochen wird, bekamen alle neue Namen. Kevern Cohen misstraut als Einziger dieser »großen Familie« und ihrer freiwilligen Ahnungs- und Meinungslosigkeit. Er ist ein Eigenbrötler, der die Bücher und Jazzplatten seines Vaters aufbewahrt hat und allein in einer Hütte auf den Felsen wohnt. Eines…mehr

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Produktbeschreibung
"Dieser Roman zeigt Howard Jacobson auf dem Höhepunkt seines Schaffens." (The Independent)

Die Bewohner Port Reubens leben in scheinbarer Harmonie, sie hören nur noch Schnulzen und lesen kitschige Liebesromane, und nach dem schrecklichen Ereignis, über das nur als »Was geschah, falls es geschah« gesprochen wird, bekamen alle neue Namen. Kevern Cohen misstraut als Einziger dieser »großen Familie« und ihrer freiwilligen Ahnungs- und Meinungslosigkeit. Er ist ein Eigenbrötler, der die Bücher und Jazzplatten seines Vaters aufbewahrt hat und allein in einer Hütte auf den Felsen wohnt. Eines Tages wird ihm Ailinn Solomons vorgestellt, eine schwarzhaarige Schönheit, und die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Doch Keverns Unbehagen wächst: Ist ihre Liebe wirklich nur aus ihren spontanen Gefühlen genährt, oder haben andere Interesse an ihrer Beziehung? Ist er nur paranoid, oder werden sie tatsächlich überwacht und sind Teil eines allumfassenden, perfekt ausgeklügeltenPlans?

Ein prophetischer Gesellschaftsroman, ein psychologisches Meisterwerk, das uns und dem aktuellen Zeitgeist unerbittlich den Spiegel vorhält.
Autorenporträt
Jacobson, HowardHoward Jacobson, 1942 in Manchester geboren, lebt in London. Er hat bisher dreizehn Romane und vier Sachbücher vorgelegt und zählt zu den renommiertesten Autoren Großbritanniens. Seine Romane erscheinen in zwanzig Ländern und wurden schon vielfach ausgezeichnet, u.a. erhielt er für "Die Finkler-Frage" 2010 den Booker-Preis, den wichtigsten Literaturpreis der englischsprachigen Welt. Nach "Liebesdienst" (2012) und "Im Zoo" (2014), für den er den Bollinger Everyman Wodehouse Prize for Comic Fiction erhalten hat, ist "J" Jacobsons neuester Roman. Er stand 2014 auf der Shortlist des Booker-Preises.

Rathjen, FriedhelmFriedhelm Rathjen, Jahrgang 1958, ist ausgewiesener Joyce-Kenner und einer der profiliertesten deutschen Übersetzer (Herman Melville, Mark Twain, Robert Louis Stevenson u.a.); seine 2004 erschienene Joyce-Monografie gilt als Standardwerk. 2013 erhielt er den Paul-Celan-Preis für sein Gesamtwerk und insbesondere für die Übersetzung von James Joyce' "Porträt des Künstlers als junger Mann" (Manesse Verlag).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch verdankt Howard Jacobsens neuem Roman "J" herrliche, leuchtende Einzelszenen. Als Ganzes vermag der Roman die Kritikerin aber nicht zu überzeugen: Zu unübersichtlich erscheint ihr die Dystopie, in der Jacobsen von einem postapokalyptischen Land erzählt, in dem jeglicher "experimenteller Intellektualismus", alle Erinnerungen und "Proustsche Schwälle von Rührseligkeit" verbannt werden sollen. Dass mit der Katastrophe der Holocaust gemeint sein könnte, kann die Rezensentin nur vermuten. Während sie den Autor einmal mehr für sein psychologisches Gespür und seine Figurenzeichnung lobt, bleibt ihr Lesevergnügen unter all den Spekulationen und Stilmitteln leider auf der Strecke.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2016

Das Land, in dem Lesezirkel verboten sind
Auf Schaum gebaut: Howard Jacobsons böser Zukunftsroman "J"

Howard Jacobson, 1942 in Manchester geboren, gehört mit dreizehn Romanen nebst Sachbüchern zu den Schriftstellern, die schwer einzuordnen sind. Bekannt geworden ist er mit seinem Roman "Die Finkler-Frage", der jüdische Identität an verschiedensten Figuren durchspielt. Gespickt mit tragikomischem Humor à la Woody Allen, leiden seine sprachgewandten Melancholiker nicht nur an Symptomen wie zu großen Füßen, sondern immer auch am Leben selbst. Dieser seiltänzelnde, in London lebende Booker-Preisträger hat fast gleichzeitig zu seiner Verarbeitung des "Shylock"-Stoffes (F.A.Z. vom 7. April) einen Roman mit dem mysteriös zweimal durchgestrichenen Buchstaben "J" als Titel vorgelegt: eine bissigböse Parabel auf verrottende Gesellschaften, die mehr auf Schaum denn auf Essenz gründen.

Jacobsons Dystopie spielt Jahre nach einer Katastrophe, die das Land in eine Diktatur verwandelt hat. Man hört Staatsrundfunk, "Proustsche Schwälle von Rührseligkeit" sind aus der Mode gekommen. Vergessen statt Erinnern ist angesagt. Lesezirkel müssen genehmigt werden, Bücher sind schwer zu beschaffen. Naive Landschaftsmalerei ist die passgenaue Kunst für eine Regierung, die sich offenbar vorgenommen hat, jeden intellektuellen Experimentalismus aus dem Alltag zu verbannen. Es soll nicht mehr in der alten Wunde gewühlt werden, sondern vorwärtsgehen, unter anderem mit dem seltsamen Brauch, bei jeder Unstimmigkeit mit Entschuldigungen nur so um sich zu werfen. Das aber hat die Gewalt in dieser Postapokalypse, die Jacobson mit theatralischer Überspitzung schildert, keineswegs eingedämmt. Die Verrohung der Sitten zeigt sich vor allem in der Stadt, in der "Nekropole".

Kevern Cohen, ein introvertierter Holzkünstler, der verzierte "Liebeslöffel" schnitzt und Kurse an der Kunsthochschule gibt, bewohnt am Rande des Küstenstädtchens Port Reuben ein Cottage. Zwangsneurotisch, hasst er Unordnung und leidet unter dem Phänomen "Netzhauthysterie". Als er durch unerlaubte Ahnenrecherche feststellt, dass seine Mutter eine Affäre mit dem Dorfmetzger hatte, weil sie mit jemandem "über Blut sprechen" wollte, plagt ihn die genealogische Frage, ob ihn diese Information wohl befleckt. Mit den Blutergüssen seiner Freundin Ailinn Solomon findet er sich offenbar ab.

Das "Findlingspaar" mit unklarer Vergangenheit, das unter Observation zu stehen scheint, ist ein besonderes Gespann in diesem figurenreichen Roman. Er splittert sich in nicht immer spontan zuzuordnende Tagebucheinträge, alte Briefe und Protokolle auf. Zweifelnde Geheimdienstschergen kommen zu Wort wie der auf Kevern angesetzte Professor "der Gutartigen Bildenden Künste"; oder Esme Nussbaum, die mit dem Gedanken spielt, mit Kevern und Ailinn ein neues Volk zu gründen. Auch Jungfernzeugung (Kevern ist Zimmermann!) steht im Raum, hat man einmal den Ehrgeiz entwickelt, die Schlüssel zu diesem rätselhaften Roman aufzuspüren.

Sich zurechtzufinden ist nicht leicht, vielleicht nicht einmal erwünscht. Jacobson hat Vergnügen daran, disparate Ansichten aufeinanderprallen zu lassen. Kevern und Ailinn fühlen sich verfolgt und manipuliert. Sie wirken wie aus dem Nichts in dieser Welt ausgesetzt. Ahnungslos hüten sie Familienschätze, alte Jazzplatten von Keverns Vater, der immer, wenn er ein "J"-Wort sagen musste, zwei Finger über den Mund legte. Die rätselhaften Querstriche im Titelbuchstaben "J" finden sich im ganzen Buch. Durchgestrichen? Eine Marotte? Oder Anspielung auf die Wörter Jude oder Jesus?

"J" ist ein Mitmachroman, der den Leser in seiner Unübersichtlichkeit allerdings oft ermattet. Es wird viel und seitenlang spekuliert. Das In-der-Schwebe-Halten ist bevorzugtes Stil- und Kommunikationsmittel. Das mindert die Lesefreude und schmälert auf langer Strecke die Leuchtkraft wunderbarer Einzelszenen.

Die Architektur des Romans gerät da fast aus dem Blick. Es liegt nahe, ihn in den Kontext des Holocausts zu stellen, obwohl das Wort nie fällt und das, "was geschehen war, falls es geschehen war" - so die offizielle Sprachregelung -, in der erzählten Gegenwart ein Tabu ist. Durch Briefe der Urgroßelterngeneration sickert jedoch durch, wie es dazu gekommen war. Stichworte sind "biblischer Rufmord", "wirtschaftliche Instabilität" und ein "bösartiges Genie" samt Fanatismus.

Vor diesem greifbaren Hintergrund umkreist Jacobson Themen wie Schuld und Scham und lässt sein Personal die Frage diskutieren, wie eine Wiederholung des Horrors verhindert werden kann. Jacobson überzeugt als Psychologe, der dunkle Schlingen durchs wahnhaft-phantasievolle Innere seiner Figuren verlegt. Als literarischer "Trickster", der Bekanntes aufruft und es verfremdet, hat er sich diesmal aber überhoben.

ANJA HIRSCH

Howard Jacobson: "J". Roman.

Aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2015. 410 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dieser dystopische Roman ist auf bittere Weise traurig, aber auch von beissender Komik und so fein wie scharfsinnig.« Neue Zürcher Zeitung, Renate Wiggershaus