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Eheliche Machtverhältnisse waren in der Frühen Neuzeit immer auch Gewaltverhältnisse. Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch bedeutete Gewalt in der Ehe aber nicht notwendig eine Störung der Ordnung, sondern war im Gegenteil integraler Bestandteil der Regelung sozialer Beziehungen und Machtverhältnisse. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vollzog sich ein Wandel der Ordnung der Ehe, bei dem die Neuordnung der Gewaltverhältnisse eine zentrale Rolle spielte. Die Studie zeigt diesen Prozess anhand einer vergleichenden Untersuchung von erzählender Literatur und Gerichtsakten aus…mehr

Produktbeschreibung
Eheliche Machtverhältnisse waren in der Frühen Neuzeit immer auch Gewaltverhältnisse. Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch bedeutete Gewalt in der Ehe aber nicht notwendig eine Störung der Ordnung, sondern war im Gegenteil integraler Bestandteil der Regelung sozialer Beziehungen und Machtverhältnisse. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vollzog sich ein Wandel der Ordnung der Ehe, bei dem die Neuordnung der Gewaltverhältnisse eine zentrale Rolle spielte. Die Studie zeigt diesen Prozess anhand einer vergleichenden Untersuchung von erzählender Literatur und Gerichtsakten aus dem Frankreich des beginnenden Absolutismus auf: Mehr und mehr trat die unbedingte Gehorsamspflicht der Ehefrau an die Stelle der zuvor vom Ehemann - nicht zuletzt vermittels physischer Gewalt - zu leistenden Unterwerfung der Frau. Damit zeichnete sich ein Übergang von der physischen zur symbolischen Gewalt als Grundlage ehelicher Herrschaft ab, ein Übergang, der sich jedoch keineswegs br uchlos und widerspruchsfrei vollzog, sondern zunächst zu konkurrierenden Ehemodellen führte. Am Beispiel der Tötung des Ehepartners, die von Staats wegen als Offizialdelikt verfolgt wurde, wird deutlich, wie eng eheliche und staatliche Entwicklungen miteinander verflochten waren.
Autorenporträt
Dorothea Nolde ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Universität Basel sowie wissenschaftliche Koordinatorin des Forschungsprogramms "Cultural Exchange in Europe, 1400-1700" der European Science Foundation.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2003

Verprügeln: ja, töten: nein!
Nur im Geltungsbereich des Grundgesetzes versteht die Gender-Forschung die Welt nicht mehr: Dorothea Nolde über den Gattenmord

Das englische "gender" heißt eigentlich nur "genus, grammatisches Geschlecht". "Körperliches Geschlecht" ist "sex". Die seit einigen Jahren vor allem von Frauen betriebene "Genderforschung" hat also mit Geschlechtlichkeit nichts zu tun, auch nicht mit Liebe, Treue oder gar Ritterlichkeit, sondern allein mit der Unterscheidung zwischen Mann und Frau und ihren sozialen Folgen. Beispiel: Von hundert Direktorenposten werden sechzig von Männern und vierzig von Frauen besetzt, ein Indiz dafür, daß Männer Frauen unterdrücken. Nach dieser Feststellung kann man fragen, wie das Verhältnis im achtzehnten, neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert war und, ohne nachzuzählen, antworten: Der Anteil der Direktorinnen ist von Jahrhundert zu Jahrhundert gestiegen, aber fünfzig Prozent sind noch nicht erreicht, es gibt noch Unterdrückung.

"Gattenmord" ist eine typische Genderstudie. Das Buch will die Verhältnisse zwischen Eheleuten in Frankreich von 1580 bis 1620 an Hand von literarischen Zeugnissen und etwa zweihundert Entscheidungen des Pariser Parlaments, also des Pariser Berufungsgerichtes, analysieren. Aus den literarischen Zeugnissen zieht die Verfasserin ein Bild der Ehe, dessen Bestätigung sie dann in den Gerichtsentscheidungen sucht.

Das Bild der Ehe wird zunächst geprägt von der katholischen Lehre, nach der die Ehe ein Sakrament und die Frau dem Manne untergeordnet ist. "Frieden und Freundschaft" ist das Ideal. Dieser Normativität stand aber die reale Normalität gegenüber, daß die Ehe ein Konfliktverhältnis war. Die Eheleute waren Feinde. Die Feindschaft wurde entschieden durch die realen Machtverhältnisse, und die wurden bestimmt durch die Gewalt, die der Mann über die Frau ausübte, Gewalt aber nicht im Sinne von Munt, von fürsorglicher Vertretungsmacht, sondern im Sinne von Anwendung körperlicher Kraft. Der Mann durfte seine Frau verprügeln. Töten durfte er sie aber nicht. Nur, Konflikte eskalieren. Am Ende bringt der Mann seine Frau um, oder die läßt sich das Prügeln nicht gefallen und bringt ihn um.

Im sechzehnten Jahrhundert schränkt der Staat die Prügelbefugnisse des Ehemannes ein, um sein Gewaltmonopol zu sichern, wie die Verfasserin meint. Das verbesserte die Position der Frauen jedoch nicht, weil die körperliche durch "symbolische Gewalt" ersetzt wurde. Darunter versteht die Verfasserin, daß im Gegenzug zur Einschränkung der Prügelbefugnisse von den Frauen verlangt wurde, ihre Gehorsamspflicht zu verinnerlichen.

Bei der Analyse der Gerichtsentscheidungen zum Gattenmord hätte man erwartet, daß das Pariser Berufungsgericht deutlich die Männer bevorzugte. Die Verfasserin strengt sich auch an, genau das zu zeigen. Aber wider Erwarten ergibt das Entscheidungsmaterial kein eindeutiges Bild. Die Verfasserin hat große Mühe, die sie aber auch nicht scheut, den ersten Eindruck zu zerstreuen, in Gattenmord-Fällen seien die Frauen vor Gericht statistisch sogar etwas günstiger weggekommen als die Männer. Manchmal greift sie zu Argumentationen wie dieser: 1604 klagte Philippes de Danneval auf Trennung von Tisch und Bett, weil ihr Mann sie erwiesenermaßen jahrelang mißhandelt habe. Der Ehemann erklärte seine Frau für zänkisch und liederlich. Aus der Gerichtsentscheidung: "Das Gericht hat gemäß seinem Brauch in Trennungsverfahren beide jeweils an ihre Pflichten gemahnt." Dazu die Verfasserin: "Es ist bezeichnend, daß das Gericht hier nicht nur gegenüber dem Ehemann, sondern auch gegenüber der klagenden Ehefrau eine Ermahnung aussprach." Das zeige, daß aus der Einschränkung des Züchtigungsrechtes kein Recht auf Gegenwehr für die Frau entstanden sei. Dafür gibt es in der Tat Gründe. Aber aus dem Zitat folgt es nicht.

Obwohl die Verhältnisse wahrscheinlich so gewesen sind, wie die Verfasserin sie schildert, überzeugt "Gattenmord" insgesamt nicht. Das liegt freilich weniger an der Verfasserin und mehr an der Genderforschung. Die leidet unter zwei Problemen. Das erste ist, daß sie ständig den Satz mitführt "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Vor diesem Satz wird natürlich Gottes Wort an Eva: "Er aber wird über dich herrschen" mehr als ungerecht, es wird absurd und unverständlich. Das braucht man nicht einmal mehr zu sagen. Sätze wie "Der Mann ist das Haupt der Frau wie Christus das Haupt der Kirche" betrachtet die Verfasserin ohne weiteres als repressiv. Das heißt, die Genderforschung ist angetreten im Zeichen der Gleichberechtigung von Mann und Frau und kann daher die Welt außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes kaum noch verstehen.

Das zweite Problem ist die platte, gefügige Universalität der Unterscheidung von Mann und Frau. Die Unterscheidung antwortet auf alle Fragen mit "männlich" oder "weiblich" wie entsprechend arm und reich, Herr und Knecht, Täter und Opfer, Hochmut und Bescheidenheit. Deshalb kann die Verfasserin sogar Beweismittel wie Geständnis, Zeugen, Tatwaffen und Verteidigungsstrategien wie Alibi oder guter Ruf nach männlich/weiblich tabellarisch aufschlüsseln. Und deshalb ist die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften die Geschichte von Genderkämpfen (Marx).

GERD ROELLECKE

Dorothea Nolde: "Gattenmord". Macht und Gewalt in der frühneuzeitlichen Ehe. Böhlau Verlag, Köln 2003. X, 462 S., br., 59,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Dorothea Nolde widmet sich in ihrer Dissertation dem Gattenmord im Frankreich der frühen Neuzeit, erklärt Rezensentin Caroline Schnyder. Im ersten Teil untersuche die Autorin das Eheverständnis im 16. und 17. Jahrhundert. Im zweiten Teil hat Nolde dann 202 Gattenmordprozesse analysiert, die in Paris zwischen 1580 und 1620 geführt wurden. Mit Hilfe der Gerichtsakten kann Nolde belegen, dass die Prozessbeteiligten für ihre Argumentation häufig "Geschlechterstereotypen" benutzten, schreibt unsere Rezensentin. So wurden Männer meist nach dem Tathergang befragt, Frauen dagegen nach ihrem Lebenswandel. Nolde könne auch das Vorurteil revidieren, dass Frauen weniger hart bestraft wurden als Männer: "aufgrund des Stereotyps der 'aufsässigen Ehefrau'" wurden sie im Gegenteil sogar schneller angeklagt. Nicht überzeugend findet Schnyder die These der Autorin, die Einschränkung des Züchtigungsrechts des Ehemanns habe zu einem Wandel im Gewaltverhältnis zwischen Eheleuten geführt. Für Nolde habe sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts damit die Rolle der Frau verändert: sie war jetzt eher symbolischer als physischer Gewalt ausgeliefert, nicht nur Gehorsam, 'aktive Unterordnung' wurde von ihr gefordert. Diese These sieht Schnyder nicht ausreichend belegt. Ihrer Ansicht nach hat die Beschränkung des Züchtigungsrechts eher zur "Befriedung der Gesellschaft" beigetragen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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