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  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Böhlau
  • 2000.
  • Seitenzahl: 239
  • Deutsch
  • Abmessung: 230mm
  • Gewicht: 428g
  • ISBN-13: 9783412096991
  • ISBN-10: 3412096997
  • Artikelnr.: 08491758
Autorenporträt
Jürgen Wilke ist Professor für Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2001

Torwärter des Nachrichtenflusses
Das Neueste: Von der Agentur über die Redaktion in die Zeitung

Jürgen Wilke (Herausgeber): Von der Agentur zur Redaktion. Wie Nachrichten gemacht, bewertet und verwendet werden. Böhlau-Verlag, Köln 2000. 239 Seiten, 58,- Mark.

Was kommt in die Nachrichten? Von mehr als 99 Prozent allen Geschehens auf Erden erfahre der Zeitungsleser nichts, weil es nicht zur Kenntnis der Presse gelange, schreibt Manfred Steffens in seinem immer noch lesenswerten Buch "Das Geschäft mit der Nachricht" (1969). Aber damit nicht genug, fährt der frühere leitende Redakteur der Deutschen Presse-Agentur (Steffens ist sein Pseudonym) fort: "Über 99 Prozent aller Nachrichten, die schließlich doch der Presse bekannt werden, gelangen nie vor die Augen des Lesers" - weil sie von Redakteuren aussortiert werden. Und von den publizierten Nachrichten nehmen die Leser wiederum nur einen Bruchteil zur Kenntnis. Dies gilt noch heute.

Trotzdem ist es einseitig, zu behaupten: "Was die ,Königin der Presseagenturen' nicht meldet, findet nicht statt." Mit diesem Zitat aus der "Frankfurter Rundschau" beginnt das von Jürgen Wilke herausgegebene Buch. Mit der "Königin" ist die Deutsche Presse-Agentur (dpa) gemeint. Das trifft in dieser Ausschließlichkeit schon deshalb nicht zu, weil es mehrere Nachrichtenagenturen gibt, die miteinander konkurrieren, darunter die Weltagenturen Associated Press (AP), Reuter und Agence France Presse (AFP). Außerdem muß dieses Urteil eingeschränkt werden, weil nicht alle in der Presse abgedruckten Nachrichten den Weg über Nachrichtenagenturen nehmen.

Es zeichnet große Zeitungen aus, daß ihre Redakteure und Korrespondenten einen beachtlichen Teil der veröffentlichten Nachrichten und Artikel selber recherchieren und selber verfassen - und zwar in allen Ressorts, also auch im politischen und im Wirtschaftsteil sowie im Feuilleton und im Sport. Und unter allen großen Blättern in Deutschland ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung wiederum das Presseorgan, das den größten Anteil an eigenbeschafften Stoffen publiziert. Das wird auch in dem von Wilke herausgegebenen Band sorgfältig belegt. Von 100 Berichten stammen im politischen Teil der F.A.Z. 77 von eigenen Redaktionsmitgliedern und nur 23 Prozent aus Agenturdiensten. In anderen Ressorts der Zeitung liegt der Anteil der eigenbeschafften Stoffe noch höher. Überdies entnimmt die F.A.Z. Agenturdiensten in der Regel kürzere Beiträge, die quantitativ noch weniger ins Gewicht fallen, als deren Zahl verrät.

Nachrichten müssen stimmen; sie sollen daher möglichst objektiv sein. Aber weil das Geschehen immer von einem Subjekt beobachtet, notiert und, zu Berichten verarbeitet, weitergegeben wird, sind subjektive Einflüsse unvermeidlich. Um so wichtiger ist es, daß über ein und dasselbe Ereignis konkurrierende Meldungen veröffentlicht werden; nur so kann eine subjektive Sicht durch eine andere korrigiert werden. Große Zeitungen legen daher Wert darauf, möglichst viele Stoffe selbst zu beschaffen und damit direkt zu anderen Weltblättern und indirekt zu Presseagenturen in Konkurrenz zu treten.

Eine große Redaktion zu unterhalten ist allerdings teuer. Die meisten Zeitungen veröffentlichen daher in ihren politischen Teilen vorwiegend oder ausschließlich Berichte, die sie von Nachrichtenagenturen erhalten. Deutsche Tageszeitungen abonnieren in der Regel nicht verschiedene Dienste miteinander konkurrierender Agenturen, sondern den dpa-Basisdienst mit den überregionalen Nachrichten und einen Landesdienst der Deutschen Presse-Agentur. Insofern, aber nur insoweit, ist es kaum übertrieben, wenn man behauptet: "Was die ,Königin der Presseagenturen' nicht meldet, findet nicht statt."

Um so erstaunlicher ist es, daß über Nachrichtenagenturen so wenig geforscht und geschrieben worden ist. Agenturen sind ja nicht nur Sammelstellen für und Lieferanten von Nachrichten, sondern auch Torwärter des Nachrichtenflusses (Gatekeeper). Sie können gar nicht alles weiterleiten, was sie erfahren, und auch ihre Abnehmer haben nur eine begrenzte Aufnahmekapazität. Wie Agenturen arbeiten, ist für die Bürger lebenswichtig.

Jürgen Wilke und seine Mitarbeiter füllen mit dem vorliegenden Buch eine empfindliche Kenntnislücke. Der Band ist in drei Hauptteile gegliedert. Im ersten werden Aufbau, Finanzierung, Kompetenzverteilung und Produkte der Deutschen Presse-Agentur überzeugend analysiert sowie die Arbeitsabläufe in der Hamburger Zentralredaktion beschrieben, die in Deutschland 57 und im Ausland fast 50 eigene Büros unterhält. dpa beschäftigt 780 redaktionelle Mitarbeiter.

Der zweite Hauptteil des Buchs widmet sich dem Nachrichtenmarkt in Deutschland, dem Angebot in den Nachrichtenagenturen sowie ihrer Nutzung. Ferner untersucht und erörtert er, nach welchen Kriterien Nachrichten von Journalisten bewertet und ausgewählt werden: Objektivität und (bei Agenturen wie dpa) politische Ausgewogenheit, Quellenzuverlässigkeit, Aktualität, Nachrichtenmenge, Themenbreite und Gewichtung, Sprachstil, journalistische Darstellungsformen, Hintergrundmaterial. Der dritte Hauptteil befaßt sich damit, wie Journalisten in Tageszeitungen mit dem Agenturmaterial umgehen. Unter anderem wird die Redigierpraxis in verschiedenen Zeitungsredaktionen verglichen.

KURT REUMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gemessen an der hohen Bedeutung von Presseagenturen für das Entstehen und die Verbreitung von Nachrichten ist es für Kurt Reumann erstaunlich, wie wenig bislang dazu geforscht worden ist. Eine "empfindliche Wissenslücke" bestünde, die nun durch den vorliegenden Band Jürgen Wilkes und seiner Mitarbeiter gefüllt werden könne. Ihre Untersuchungen gälten der Position, dem Angebot und der Nutzung von Presseagenturen auf dem deutschen Nachrichtenmarkt. Daneben analysierten sie die Kriterien, mit denen in den Zeitungsredaktionen Nachrichten selektiert und bewertet werden. Exemplarische Analysen beschäftigen sich, so Reumann, mit der größten Agentur, der Deutschen Presse-Agentur, ihrem Aufbau, ihrer Finanzierung und ihren Produkten.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Erstaunlich ist, daß über Nachrichtenagenturen so wenig geforscht und geschrieben worden ist. Agenturen sind ja nicht nur Sammelstellen für und Lieferanten von Nachrichten, sondern auch Torwärter des Nachrichtenflusses. Wie Agenturen arbeiten, ist für die Bürger lebenswichtig. Jürgen Wilke und seine Mitarbeiter füllen mit dem vorliegenden Buch eine empfindliche Kenntnislücke." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)