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Johann Gottfried Herder, geboren 1744 im ostpreußischen Mohrungen und gestorben 1803 in Weimar, gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Weimarer Klassik. Vor allem durch sein Hauptwerk "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit", seine "Volkslieder"-Sammlung sowie die "Briefe zur Beförderung der Humanität" gebührt ihm ein Ehrenplatz in der deutschen Literatur- und Geistesgeschichte. Mit Blick auf den 200. Todestag Herders im kommenden Jahr legt Michael Zaremba eine moderne Biografie vor, die erstmals auf die Gesamtausgabe von Herders Briefen zurückgreifen kann. Anschaulich…mehr

Produktbeschreibung
Johann Gottfried Herder, geboren 1744 im ostpreußischen Mohrungen und gestorben 1803 in Weimar, gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Weimarer Klassik. Vor allem durch sein Hauptwerk "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit", seine "Volkslieder"-Sammlung sowie die "Briefe zur Beförderung der Humanität" gebührt ihm ein Ehrenplatz in der deutschen Literatur- und Geistesgeschichte. Mit Blick auf den 200. Todestag Herders im kommenden Jahr legt Michael Zaremba eine moderne Biografie vor, die erstmals auf die Gesamtausgabe von Herders Briefen zurückgreifen kann. Anschaulich verfolgt der Autor die entscheidenden Stationen auf Herders Lebensweg: sein Studium in Königsberg, seine Reise- und Lehrjahre u.a. in Riga, Darmstadt, Straßburg und Bückeburg sowie sein fast dreißigjähriges Wirken in Weimar. Das Buch würdigt die Verdienste, die sich Herder als Philosoph und praktischer Reformer, als aufgeklärter Patriot und protestantischer Prediger erworben hat. Es zeigt aber a uch den Ehegatten und Privatmann, den Menschen mit einer schwachen körperlichen Konstitution und einem knorrigen Naturell.
Autorenporträt
Zaremba, Michael§Erstes Staatsexamen (Germanistik, Politikwissenschaft) 1983. Promotion über Herders Nations- und Humanitätsidee 1985. Lehraufträge an der Freien Universität Berlin 80er Jahre. Freier Mitarbeiter bei Berliner Monatsschrift, wissenschaftliche Artikel, Ausstellungstätigkeit. Verfasser einer Bezirkschronik 1999, einer artistengeschichtlichen Biografie 2000.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2003

Niemals, niemals nur Tinte sein!
Auftakt des Herderjahrs: Eine Biographie und eine Werkausgabe

Johann Gottfried Herder wird augenblicklich eine Aufmerksamkeit wie noch nie zuteil. Der zweihundertste Todestag im Dezember kann dafür der Grund nicht sein, auch wenn die Forschung fleißig auf diesen Termin hinarbeitet. Das neu erwachte Interesse an diesem Klassiker hängt eher mit der seit zwei Jahrzehnten grundsätzlich gewandelten Sicht auf die Aufklärung zusammen. Die Alleinherrschaft des Denkens, vom cartesianischen Rationalismus bis zur kritischen Philosophie Kants, ist durch das Andere der Vernunft systematisch gebrochen worden. Der ganze Mensch als ein erkennendes und zugleich empfindendes, als geistig freies und zugleich körperlich naturgebundenes Wesen triumphiert als neuer Held des achtzehnten Jahrhunderts über die reine Vernunft.

Bis Herder als der vielleicht wichtigste Anwalt dieser anthropologischen Wende entdeckt wurde, hat es längere Zeit gedauert. Mangelnde stilistische Prägnanz und überbordende Gelehrsamkeit mögen dazu beigetragen haben. Entscheidender sind aber editorische Versäumnisse. Selbst in der großen Herder-Ausgabe von Bernhard Suphan fehlen Texte wie "Versuch über das Sein" oder "Zum Sinn des Gefühls". Ebendort wird aber die entscheidende neue Logik der Sinne, der Empfindungen, also der unteren Erkenntnisvermögen fundiert und ohne schlußfolgerndes "ergo" der cartesianischen Tradition entgegengeschmettert: "Ich fühle mich! Ich bin!" Die jetzt abgeschlossenen kommentierten Ausgaben des Deutschen Klassiker Verlages und des Hanser Verlages haben durch Aufnahme solcher Schriften das Bild des Autors ergänzt und verändert. Statt als streitlustiger Theologe, Anwalt von Volk und Nation oder Sammler germanischer Mythen und Volkslieder erfährt Herder jetzt als Kulturpsychologe, Völker- und Naturkundler, mithin als Anthropologe größte Aufmerksamkeit.

Dieser Funken ist bislang nur verhalten aus den Fachkreisen auf die Öffentlichkeit übergesprungen. Um das im Herderjahr zu ändern, entwirft Michael Zaremba ein sehr lesenswertes Lebensbild. Im Unterschied zu der kleinen Werkeinführung von Hans Dietrich Irmscher schreibt Zaremba eine klassische Biographie. Herders rasanter Aufstieg aus der "Mittelmäßigkeit" eines ostpreußischen Elternhauses läßt sich mit seinem eigenen Lieblingsbegriff als Geschichte einer grandiosen "Bildung" beschreiben: Studium in Königsberg, Lehr- und Predigerjahre in Riga, ehrenvolle, aber drückende Ämter in Bückeburg und Weimar statt der erhofften Professur in Göttingen, zwischendurch ausgedehnte Reisen durch Frankreich und Italien, alles begleitet von rastlosem Schreiben und vor allem Lesen. Herders hinterlassene und zur Schuldentilgung verkaufte Bibliothek von achttausend Bänden war in Weimar nicht nur die größte, sondern auch die am intensivsten genutzte. Zu den geschmähten "Büchermotten" gehört dieser zurückgezogene Stubenphilosoph indes selbst: Wohl keiner in Weimar wußte mehr, aber auch niemand sonst litt derart unter der schwächenden Kraft des "verruchten Lesens".

Elegant und kundig führt Zaremba an Herders Leben und geistige Entwicklung heran und lädt damit zur Lektüre seiner Werke ein. Der zum Titelbegriff erhobene Humanitätsgedanke stammt aus Herders Opus magnum, den "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784 - 1791). Wolfgang Proß beschließt mit diesem Hauptwerk seine gegenüber dem Klassiker-Verlag weitaus schlankere, dafür aber selbst zur These profilierte Ausgabe bei Hanser. Denn bereits die Auswahl der vorangehenden Bände mit Schriften zum Sturm und Drang und zur Anthropologie baut den nun monumental kommentierten "Ideen" konsequent vor. Die "Einziehung der Philosophie auf Anthropologie" ist Programm schon vor dem "Journal meiner Reise im Jahre 1769", in dem Herder dann das große Projekt einer "Geschichte der menschlichen Seele" entwirft: Dieses "als Mensch und für die Menschen" verfaßte Buch sollte "die Grundsätze der Psychologie und der Ontologie, der Kosmologie, der Theologie, der Physik enthalten! Es sollte eine lebendige Logik, Ästhetik, historische Wissenschaft und Kunstlehre werden!" Schon hier beschreibt Herder sein Ziel einer "Universalgeschichte der Bildung der Welt", die er erstmals in "Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit" (1774) skizziert.

Für Proß ist Herders Menschennaturgeschichte seit den frühen Schriften kontinuierlich herangereift und gegen den etablierten Gedanken eines göttlich gelenkten Universums entwickelt worden. An die Stelle eines Nachwortes, das wie in Martin Bollachers Parallelband des Klassiker Verlages knapp und klar die Struktur und Methode der "Ideen" erläutern würde, rückt Proß eine zweihundertseitige Spezialabhandlung. Herders frühes Diktum, daß der Mensch vor dem Philosophen rangiere, verliert er dabei häufig aus dem Blick. Seine überragende Quellenkenntnis, die tausend Seiten Kommentar und Register höchst eindrucksvoll prägen, vermag Proß kaum zu zügeln. Der fast auf keiner Seite der gedanklichen Rekonstruktion fehlende philosophiegeschichtliche Basso continuo - stets in Originalsprache und Übersetzung! - droht dabei die Leitmotive zu übertönen. Leider, denn die präsentierten Thesen sind bestrickend und fordern dazu heraus, Herder neu zu verorten.

Einen Mangel an Konzeption und Stringenz der "Ideen", den die Forschung ziemlich einhellig behauptet, streitet Proß vehement ab. Seine Herleitung des Werks konzentriert sich auf die Naturgeschichte des Menschen als Mittelwesen zwischen Tier und Gott, Mikro- und Makrokosmos. Die theologische Trennung von Schöpfer, mechanischer und lebendiger Welt, von Offenbarung und Natur, hebt er damit ebenso auf wie die moralphilosophisch eingeschränkte Theodizee. Geschichtsphilosophie bedeutet hier letztlich Naturphilosophie und behandelt den in die Kette physischer Erscheinungen eingeordneten Menschen. Anthropodizee und Kosmotheismus bilden den Rahmen für diese Deutung von Herders Menschheitsgeschichte. Sie handelt von der Entstehung der Erde als "Wohnhaus" des Lebens, der Evolution der Naturreiche und der Eingliederung des Menschen, seinen spezifischen Existenzformen in unterschiedlichen Klimazonen und der Entwicklung zur Sprache und Vernunft, der Herausbildung von Institutionen und Kulturen, der Völkerwanderung von Asien nach Europa sowie den zugehörigen Hochkulturen und Religionen.

Stärker als je zuvor macht Proß Herder zu einem Paten der empirischen Naturforschung, der eine Brücke zu den Leitwissenschaften des neunzehnten Jahrhunderts schlägt: zur Biologie, Evolutionslehre, physischen Geographie oder Völkerpsychologie. Sein geradezu besessen verfolgtes Erkenntnisinteresse muß man erfassen, um diesem überreich dokumentierten und kommentierten Schlußstück in einer eigenwillig komponierten Ausgabe höchsten Respekt entgegenzubringen. Herder haust in dieser dreiteiligen Architektur als klug wählender Eklektiker der Wissenschaftsgeschichte, dem von der Antike bis zu seiner Zeit, von Plinius über Bonnet, Buffon, Haller, Leibniz, Newton bis zu Shaftesbury und vor allem Spinoza alles geläufig war. In Proß hat er einen kongenialen Herausgeber gefunden, der auch für die entlegenste Anspielung die Ursprungsquelle und oft noch einen historischen Vermittler aufspürt. Dem "Tintenfaß von gelehrter Schriftstellerei", das Herder nie sein wollte, stets aber blieb, sieht er dabei manchmal allzu ähnlich.

ALEXANDER KOSENINA

Michael Zaremba: "Johann Gottfried Herder. Prediger der Humanität". Eine Biografie. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2002. 270 S., geb., 24,90 [Euro].

Johann Gottfried Herder: "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit". Werke, Bd. III/1 und III/2. Hg. von Wolfgang Proß. Hanser Verlag, München, Wien 2002. 1185 S., 1031 S., geb., 100,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Aufmerksamkeit, die Johann Gottfried Herder in jüngster Zeit zuteil wurde, ist nach Auffassung von Alexander Kosenina einer grundsätzlich gewandelten Sicht auf die Aufklärung zu verdanken. Erst jetzt, verkündet der Rezensent, wisse man Herder mehr als Anthropologe denn als Philosoph zu würdigen. Das eingeschränkte Bild Herders sei jedoch auch auf editorische Versäumnisse zurückzuführen, da wichtige Texte in der alten großen Herder-Ausgabe fehlten. Zum zweihundertsten Todestag im Dezember wird diesem Mangel in neukommentierten und ergänzten Ausgaben des Deutschen Klassiker Verlags und des Hanser Verlags abgeholfen. Das ganze wird laut Kosenina abgerundet von Michael Zarembas äußerst lesenswerter Herder-Biografie. Zaremba habe eine klassische Biografie verfasst, die auf elegante Weise Herders rasanten Aufstieg aus einer eher durchschnittlichen Herkunft in die Sphären einer höheren und umfassenden Bildung und Gelehrtheit beschreibe und mit seiner intellektuellen Entwicklung verknüpfe. Eine gute Grundlage für eine kundige Lektüre des eigentlichen Werks, so Kosenina.

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