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5 Kundenbewertungen

Es ist eine fantastische und doch ganz und gar wahre Geschichte: Am Vorabend der angolanischen Revolution mauert sich Ludovica, nachdem sie einen Einbrecher in Notwehr erschossen und auf der Dachterrasse begraben hat, für dreißig Jahre in ihrer Wohnung in einem Hochhaus in Luanda ein. Sie lebt von Gemüse, gefangenen Tauben und von einer Hühnerzucht, die sie auf der Dachterrasse wie durch Zauber beginnt, und bekritzelt die Wände in ihrer ausgedehnten Wohnung mit Tagebuchnotaten und Gedichten. Allmählich setzt sich aus Stimmen, Radioschnipseln und flüchtigen Eindrücken zusammen, was im Land…mehr

Produktbeschreibung
Es ist eine fantastische und doch ganz und gar wahre Geschichte: Am Vorabend der angolanischen Revolution mauert sich Ludovica, nachdem sie einen Einbrecher in Notwehr erschossen und auf der Dachterrasse begraben hat, für dreißig Jahre in ihrer Wohnung in einem Hochhaus in Luanda ein. Sie lebt von Gemüse, gefangenen Tauben und von einer Hühnerzucht, die sie auf der Dachterrasse wie durch Zauber beginnt, und bekritzelt die Wände in ihrer ausgedehnten Wohnung mit Tagebuchnotaten und Gedichten. Allmählich setzt sich aus Stimmen, Radioschnipseln und flüchtigen Eindrücken zusammen, was im Land geschieht. In den Jahrzehnten, die Ludovica verborgen verbringt, kreuzen sich die Wege von Opfern und Tätern, den Beteiligten an der Revolution, ihren Profiteuren und Feinden. Bis sie alle eines Tages erneut vor der Mauer in dem wieder glanzvollen Apartmenthaus stehen. José Eduardo Agualusa hat mit seinem wunderbaren, dicht und spannend gewobenen Roman, der das Fantastische der Wirklichkeit und eine Art höhere Gerechtigkeit beschwört, unvergessliche Szenen geschaffen, tragisch, komisch, grotesk. Dieser Roman feiert die Kunst des Erzählens selbst.
Autorenporträt
José Eduardo Agualusa, 1960 in Huambo/Angola geboren, studierte Agrarwissenschaft und Forstwirtschaft in Lissabon. Seine Gedichte, Erzählungen und Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, für seinen Roman "Ein Stein unter Wasser" (1999) erhielt er den Grande Prémio de Literatura da RTP. Auf Deutsch erschienen die Romane "Die Frauen meines Vaters", "Barroco Tropical" und "Das Lachen des Geckos", für den er 2007 den britischen Independent Foreign Fiction Prize erhielt. "Eine allgemeine Theorie des Vergessens" stand auf der Shortlist des Man Booker International Prize 2016. Agualusa lebt als Schriftsteller und Journalist in Portugal, Angola und Brasilien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2017

Eingemauert
in Ironie
José Eduardo Agualusas neuer
Roman verrät seine Hauptfigur
Manchmal tanzt auf dem Balkon gegenüber ein Nilpferd. Gut, es ist ein kleines Exemplar, ein Zwergnilpferd, aber trotzdem ist das komisch, selbst für Luanda, die Hauptstadt Angolas, wo 1974 die Revolution aus der Kolonialmacht Portugal anbrandet, Menschen in den Gefängnissen vergessen werden oder versuchen, ihren eigenen Tod vorzutäuschen und der Gefängniswärter „Robinson Crusoe“ liest, als würden Realität und Fiktion, die Wirren der Revolution und der Schiffbruch, fließend ineinander übergehen.
Der in Angola geborene und auf Portugiesisch schreibende José Eduardo Agualusa erzählt in „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“ von einem besonderen Fall des Verschwindens, der sich tatsächlich so zugetragen haben soll. Während der Revolution mauert sich Ludovica Fernandes Mano aus Angst in ihrer Wohnung in Luanda ein und verlässt diese die nächsten 30 Jahre nicht. Sie lebt von selbstangebautem Gemüse und Hühnern, die sie von der Dachterrasse aus fängt. Nach und nach verheizt sie das Parkett und die Bücher, die sie gelesen hat. Sie schreibt die Wände und Hefte
mit philosophisch-esoterischen Tagebüchern voll. So wird das Leben Ludos, wie sie genannt wird, in dem Roman beschrieben. So ähnlich soll es wirklich gewesen sein, denn die reale Ludovica Fernandes Mano, die 2010 starb, hat vor ihrem Tod ihre Aufzeichnungen an Agualusa übergeben, der daraus dieses Buch gemacht hat.
Von ihrer Wohnung aus beobachtet Ludo das Leben auf den Straßen, das auch ohne ihre Teilnahme weitergeht. Die Revolution wird zur fernen Kulisse, vor der kleine skurrile Geschichten einander überkreuzen, die alle früher oder später in das zugemauerte Treppenhaus führen. Dieses literarische Wimmelbild will nicht so recht zu der Revolution oder zu der traurigen Geschichte der Hauptfigur passen. Auch die Zitate aus den Texten der weltabgewandten Großmutter machen rat- bis teilnahmslos: „Manche Farben sollten in einem gesunden Himmel nicht vorkommen“ oder „Ich bin meinen Hund näher als den Leuten da draußen“.
Ein Mann stürzt beim Montieren einer Satellitenschüssel für die Ehefrau vom Dach und stirbt. „Genau genommen starb er aus Liebe“, schreibt Agualusa. Diese gebrochene poetische Ungerechtigkeit ist typisch für den Roman und erzeugt einen eigenartig hippen, ironischen Ton, der auf Dauer befremdet. Der Text scheint sich über die eigene Form lustig machen zu wollen. „Wir haben es mit einer Radikalisierung und Ästhetisierung jener Technik des Pastiches zu tun, die Fredric Jameson in den frühen Achtzigerjahren als den prototypischen Erzählmodus der Postmoderne bezeichnet“, schreibt der amerikanische Autor Mark Greiff in einem Essay über den Hipster. „Wir erleben eine Ironie ohne Sarkasmus, ohne Bitterkeit und ohne kritischen Impetus.“ Agualusas Roman ist wie ein solcher Hipster, der die Schwächen der anderen zitiert, nur zu dem Zwecke, die eigene vermeintliche Überlegenheit zu demonstrieren.
NICOLAS FREUND
José Eduardo Agualusa: Eine allgemeine Theorie des Vergessens. Roman. Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. C.H. Beck, München 2017. 197 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2017

Hungern im Haus der Beneideten
José Eduardo Agualusas Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens"

Luanda, die Hauptstadt der einst portugiesischen Kolonie Angola, führt die jüngste Rangliste der teuersten Städte für ins Ausland entsandte Angestellte an. Die Acht-Millionen-Metropole am Atlantik gilt dank des angolanischen Öl- und Diamantenreichtums als Eldorado des globalen Kapitalismus. Ein Mix aus Hunderten, oft von Chinesen hochgezogenen Wolkenkratzern, Wellblechhütten und einigen Kolonialbauten bestimmt das Stadtbild, dazu Verkehrschaos, Lärm rund um die Uhr, Gestank und ständige Stromausfälle.

"Es ist eine sehr, sehr, sehr aggressive Stadt", sagt José Eduardo Agualusa, einer der bekanntesten lusophonen Schriftsteller, Nachkomme der kolonialen angolanischen Oberschicht aus Portugal, heute zumeist in Lissabon lebend. Aber er fügt hinzu: "Luanda hat eine ganz besondere Energie, eine Kraft, eine Stärke. Hierher kommen Abenteurer aus der ganzen Welt, aber auch Leute vom Land mit ihrer eigenen Mythologie. Es reicht, um auf die Straße zu gehen und mit den Leuten zu sprechen, um unglaubliche Geschichten zu finden."

Eine dieser unglaublichen Geschichten erzählt Agualusa auf beeindruckende Weise in seinem nun auf Deutsch vorliegenden Roman "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". Die schüchterne Portugiesin Ludovica (oder Ludo) lebt mit ihrer Schwester und deren Mann im obersten Stockwerk eines eleganten Hochhauses, dem "Haus der Beneideten" in Luanda, als Angola 1975 unabhängig wird. Die drei stehen kurz vor der Ausreise, doch Schwester und Schwager verschwinden plötzlich spurlos. Ludo erschießt in Notwehr einen Einbrecher, den sie anschließend auf der Dachterrasse verscharrt, und mauert die Eingangstür zum Apartment zu. Fortan lebt sie für dreißig Jahre abgeschnitten von der Außenwelt in der Wohnung: Nur der Hund Fantasma leistet ihr bis zu seinem Tod Gesellschaft. Sie versorgt sich zunächst aus den umfangreichen in der Wohnung gelagerten Vorräten, später baut sie auf der Terrasse Gemüse an, stiehlt mit Hilfe eines Seils Hühner von den Nachbarn und fängt Tauben. Gleichwohl ist der Hunger Ludos ständiger Begleiter.

"Die Tage verrinnen wie Flüssigkeit. Ich habe kein Heft mehr, um hineinzuschreiben. Ich habe auch keine Stifte mehr. Ich schreibe mit Kohle die Wände voll. Kurze Verse. Ich spare an Essen, an Wasser, an Feuer und Adjektiven." Das schreibt Ludo tatsächlich an die Wand: Tagebucheinträge und Gedichte. Später notiert sie: "Alle Wände in der Wohnung sind mein Mund." Unten auf den Straßen spielen sich derweil die Dramen des unabhängigen Angolas ab: Bürgerkrieg, Gewalt, Verrat, Korruption, Mangel, Zerfall der öffentlichen Ordnung, geschmeidige ideologische Seitenwechsel, massive soziale Gegensätze, aber auch Menschlichkeit, Solidarität und Liebe.

Diese Dramen erfahren die Leser durch zahlreiche in den Roman eingebaute Nebenstränge und -figuren. Letztere sind allesamt durch Gewalterfahrungen geprägt: die von Opfern, vor allem aber die von Tätern, die Gewalt in der Annahme ausüben, für das Richtige einzustehen. So der Soldat und Geheimdienstoffizier Montes, der portugiesische Söldner exekutieren lässt und abtrünnige "Linksabweichler" ins Gefängnis sperrt. Und am Ende vom Dach fällt, als er versucht, eine Satellitenschüssel zu befestigen. "Der frühere Agent der Staatssicherheit, letzter Repräsentant einer Vergangenheit, an die sich in Angola nur wenige gerne erinnern, war von der Zukunft erschlagen worden; die freie Kommunikation hatte gesiegt, über den Obskurantismus, das Schweigen und die Zensur." Auf Montes' Todesliste steht lange der Journalist Daniel Benchimol, der unter dem Regime verschwundene Personen sucht. Und da ist der Straßenjunge Sabalu, der schließlich in Ludos Wohnung eindringt. Alle Handlungsfäden und Geschichten dieser und anderer Figuren werden in einem fulminanten Finale zusammengefügt.

Agualusa ist ein versierter, stellenweise brillanter, oft lakonischer Erzähler. Und wie nebenbei, auf gleichsam unaufdringliche Weise enthält der Roman nicht nur einen Abriss der nachkolonialen Geschichte Angolas, sondern thematisiert überdies die Tatsache, dass der Bürgerkrieg, der das Land über nahezu drei Jahrzehnte zerrüttete, bis heute nicht aufgearbeitet ist.

Am Ende des Romans sagt Ludo: "Man kann Fehler nicht wiedergutmachen. Vielleicht muss man sie einfach vergessen. Wir sollten das Vergessen üben." Man könnte dies als ein - nicht unproblematisches - Plädoyer für eine Politik des Vergebens und Vergessens lesen. Ist das Vergessen im Titel des Romans etwas, das überwunden oder akzeptiert werden soll? Einfache Antworten liefert das Buch jedenfalls nicht.

ANDREAS ECKERT.

José Eduardo Agualusa: "Eine allgemeine Theorie des Vergessens". Roman.

Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. Verlag C. H. Beck, München 2017. 197 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein unglaublich gutes Buch."
Helmut Zechner von der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt

"Ein Roman wie ein Film."
Manfred Loimeier, Neues Deutschland, 25. November 2017

"Dank seiner schwerelosen, auf Aussparungen gründenden Prosa gelingt es Agualusa auch, Angola auf die literarische Landkarte zu heben."
Patrick Straumann, Neue Zürcher Zeitung, 25. November 2017

"Ein versierter, stellenweise brillanter, oft lakonischer Erzähler."
Andreas Eckert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06. September 2017

"Verhandelt äußerst humor- und liebevoll [Angolas] intime und kollektive Tragödien."
Elise Graton, taz, 02. September 2017
"Ein Meisterwerk."
Antje Liebsch, Brigitte, September 2017 "Ein Kammerspiel mit überwätigender Panoramaaussicht (...) ein Lektüreereignis."
Katrin Hillgruber, Tagesspiegel, 6. August 2017
"Melancholische Chronik eines Landes, konzentriert erzählt, genussvoll zu lesen und hervorragend ins Deutsche übersetzt."
Holger Ehling, Buchkultur, August/September 2017

Eingemauert
in Ironie

José Eduardo Agualusas neuer
Roman verrät seine Hauptfigur

Manchmal tanzt auf dem Balkon gegenüber ein Nilpferd. Gut, es ist ein kleines Exemplar, ein Zwergnilpferd, aber trotzdem ist das komisch, selbst für Luanda, die Hauptstadt Angolas, wo 1974 die Revolution aus der Kolonialmacht Portugal anbrandet, Menschen in den Gefängnissen vergessen werden oder versuchen, ihren eigenen Tod vorzutäuschen und der Gefängniswärter „Robinson Crusoe“ liest, als würden Realität und Fiktion, die Wirren der Revolution und der Schiffbruch, fließend ineinander übergehen.

Der in Angola geborene und auf Portugiesisch schreibende José Eduardo Agualusa erzählt in „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“ von einem besonderen Fall des Verschwindens, der sich tatsächlich so zugetragen haben soll. Während der Revolution mauert sich Ludovica Fernandes Mano aus Angst in ihrer Wohnung in Luanda ein und verlässt diese die nächsten 30 Jahre nicht. Sie lebt von selbstangebautem Gemüse und Hühnern, die sie von der Dachterrasse aus fängt. Nach und nach verheizt sie das Parkett und die Bücher, die sie gelesen hat. Sie schreibt die Wände und Hefte

mit philosophisch-esoterischen Tagebüchern voll. So wird das Leben Ludos, wie sie genannt wird, in dem Roman beschrieben. So ähnlich soll es wirklich gewesen sein, denn die reale Ludovica Fernandes Mano, die 2010 starb, hat vor ihrem Tod ihre Aufzeichnungen an Agualusa übergeben, der daraus dieses Buch gemacht hat.

Von ihrer Wohnung aus beobachtet Ludo das Leben auf den Straßen, das auch ohne ihre Teilnahme weitergeht. Die Revolution wird zur fernen Kulisse, vor der kleine skurrile Geschichten einander überkreuzen, die alle früher oder später in das zugemauerte Treppenhaus führen. Dieses literarische Wimmelbild will nicht so recht zu der Revolution oder zu der traurigen Geschichte der Hauptfigur passen. Auch die Zitate aus den Texten der weltabgewandten Großmutter machen rat- bis teilnahmslos: „Manche Farben sollten in einem gesunden Himmel nicht vorkommen“ oder „Ich bin meinen Hund näher als den Leuten da draußen“.

Ein Mann stürzt beim Montieren einer Satellitenschüssel für die Ehefrau vom Dach und stirbt. „Genau genommen starb er aus Liebe“, schreibt Agualusa. Diese gebrochene poetische Ungerechtigkeit ist typisch für den Roman und erzeugt einen eigenartig hippen, ironischen Ton, der auf Dauer befremdet. Der Text scheint sich über die eigene Form lustig machen zu wollen. „Wir haben es mit einer Radikalisierung und Ästhetisierung jener Technik des Pastiches zu tun, die Fredric Jameson in den frühen Achtzigerjahren als den prototypischen Erzählmodus der Postmoderne bezeichnet“, schreibt der amerikanische Autor Mark Greiff in einem Essay über den Hipster. „Wir erleben eine Ironie ohne Sarkasmus, ohne Bitterkeit und ohne kritischen Impetus.“ Agualusas Roman ist wie ein solcher Hipster, der die Schwächen der anderen zitiert, nur zu dem Zwecke, die eigene vermeintliche Überlegenheit zu demonstrieren.

NICOLAS FREUND

José Eduardo Agualusa: Eine allgemeine Theorie des Vergessens. Roman. Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. C.H. Beck, München 2017. 197 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.

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