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Der große Psychoanalytiker Sudhir Kakar legt in diesem Band sein eigenes Leben "auf die Couch". Die tiefen und bleibenden Eindrücke, die das Leben in eine andere Bahn bringen, die Konflikte in der Familie, das Verblassen mancher Gefühle und die ständige Suche nach einem Ausgleich zwischen inneren Gewissheiten und äußeren Notwendigkeiten verwebt er zu einem beeindruckenden Selbstporträt.
Wir verfolgen den Weg aus der Geborgenheit einer indischen Mittelschichtsfamilie im Punjab, damals noch Teil des britischen Kolonialreichs, sehen die seelischen Verwerfungen, die die gewaltsame Ablösung
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Produktbeschreibung
Der große Psychoanalytiker Sudhir Kakar legt in diesem Band sein eigenes Leben "auf die Couch". Die tiefen und bleibenden Eindrücke, die das Leben in eine andere Bahn bringen, die Konflikte in der Familie, das Verblassen mancher Gefühle und die ständige Suche nach einem Ausgleich zwischen inneren Gewissheiten und äußeren Notwendigkeiten verwebt er zu einem beeindruckenden Selbstporträt.

Wir verfolgen den Weg aus der Geborgenheit einer indischen Mittelschichtsfamilie im Punjab, damals noch Teil des britischen Kolonialreichs, sehen die seelischen Verwerfungen, die die gewaltsame Ablösung Pakistans hinterließ, erreichen das Deutschland der 1960er Jahre in Hamburg, Mainz und Mannheim und verfolgen schließlich die Karriere, die sich anbahnt, als Sudhir Kakar auf Erik Erikson trifft und sich unter seiner Ägide zu einem der großen Kulturvermittler zwischen Indien und dem Westen entwickelt. Sudhir Kakars Erinnerungen und Reflexionen erhellen nicht nur die Entfaltung der inneren Welt eines indischen Psychoanalytikers, sondern gewähren uns auch Einsichten in die tieferen Schichten der Auseinandersetzung zwischen den Kulturen.
Autorenporträt
Klaus Modick, geboren 1951, studierte in Hamburg Germanistik, Geschichte und Pädagogik, promovierte mit einer Arbeit über Lion Feuchtwanger und arbeitete danach u.a. als Lehrbeauftragter und Werbetexter. Seit 1984 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer und lebt nach zahlreichen Auslandsaufenthalten und Dozenturen wieder in seiner Geburtsstadt Oldenburg.
Für sein umfangreiches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter Villa Massimo, Nicolas-Born-Preis und Bettina-von Arnim-Preis. 2015 wurde Klaus Modick mit dem "Rheingau-Literaturpreis" ausgezeichnet.

Sudhir Kakar, geboren am 25. Juli 1938 in Nainital (Indien), ist praktizierender Psychoanalytiker in Neu-Delhi. Lehraufträge führten ihn an die Universitäten von Harvard, Princeton, Chicago, Wien und Melbourne. 1998 wurde ihm in Frankfurt die Goethe-Medaille verliehen. Seine zahlreichen Sachbücher wurden in viele Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Fasziniert liest Rezensent Ulrich Schnabel diese Erinnerungen des indischen Psychoanalytikers Sudhir Kakar, den Schnabel schon deshalb schätzt, weil er so leichtfüßig schafft, was hierzulande unmöglich erscheint: die Grenzen der eigenen Disziplin zu überschreiten. Kakar ist Universalgelehrter, stellt der Rezensent fest, er schreibt genauso klug über mystische Erfahrung wie über die Liebeskunst. Wichtig erscheint Schnabel auch, dass Kakar dem westlichen Individualismus  mit derselben Distanz begegnet wie dem indischen Kultur, deren Fixierung auf die Verwandtschaft zu Konformismus führe. Geschichte, Psychologie, kluge Selbstreflexion - in diesem Buch ist also alles drin, was sich der Rezensent von einer Autobiografie nur erhoffen kann, so dass er schließlich nur eine etwas nachlässige Edition bemängelt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2012

Denken jenseits der Arroganz des Westens
Der einzige Intellektuelle Indiens von Weltgeltung: Sudhir Kakar hat seine Autobiographie vorgelegt

Sudir Kakars Leben ist ungewöhnlich. Er ließ eine in alte Traditionen eingebettete indische Kindheit und Jugend hinter sich, um nach Studien- und Lehraufenthalten in Europa und Amerika den Beruf des Psychoanalytikers zu wählen, einen Beruf also, der modern-westlicher nicht sein könnte. Dennoch blieben die indischen Wurzeln stets integrativer Teil seines Selbstverständnisses. In seiner Autobiographie hat er diese Verbindung, ihre Komplexität und ihre Brüche, immer im Blick.

Im Jahr 1938 im nordindischen Panjab in die obere Mittelschicht hineingeboren, hatte Sudhir Kakar eine behütete und privilegierte Kindheit und Jugend. Der Vater, ein hoher Staatsbeamter, und die Mutter erwarteten, dass sich der begabte Sohn ihren Vorstellungen und Ansprüchen entsprechend entscheiden würde. Auch er sollte Beamter werden, auch er ein Studium wählen, das darauf vorbereitete. Er wurde Ingenieur, dann studierte er Betriebswirtschaft und erkannte erst durch die Begegnung mit dem Psychoanalytiker Erik Erikson in Neu-Delhi - als dieser dort über Mahatma Gandhi forschte - seine Berufung.

Kakar studierte daraufhin Psychoanalyse am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und wurde einer der ersten Psychoanalytiker Indiens. Inzwischen hat er seine Praxis in Neu-Delhi aufgegeben und lebt mit seiner zweiten - deutschen - Frau in Goa. Dort geht Kakar seiner zweiten Berufung nach: dem Schreiben. Weltweit bekannt wurde er durch seine Studie "Kindheit und Gesellschaft in Indien", die zum ersten Mal untersucht, welche Wirkung Mythos und Familienhierarchie auf das psychische Verhalten der Inder haben. Kakar beschäftigte sich auch mit den Beziehungen zwischen Sexualität und Spiritualität. Drei große indische Gestalten, die Eros und Religion in verschiedenen Formen verknüpfen, hat er beschrieben: Vatsyayana, den Autor des "Kamasutra", M. K. Gandhi und Shri Ramakrishna. Und nicht auf akademische Weise, sondern in der Form von Romanen.

Kakars Autobiographie liest sich wie eine ausgedehnte Selbstanalyse. Getreu dem psychoanalytischen Ethos verschweigt er weder Verfehlungen noch Peinlichkeiten, moralisiert aber nie. Der illusionslose und dennoch sympathisierende Blick des Psychoanalytikers bewahrt die Darstellung vor rigiden Urteilen und kategorischen Feststellungen. Das Raster, das Kakar aufspannt, definiert die kulturspezifischen Reibungsflächen und Verflechtungen, die entstehen, wenn indisches und europäisch-nordamerikanisches Kulturerbe einander begegnen. Es geht auch darum, "dass die traditionelle indische Vorstellung der Person, die offen, porös und mit allem Existierenden verbunden ist, ein unverrückbares Erbe der Menschheit darstellt, das erhalten und verteidigt werden muss gegen diejenigen, die die Existenz eines anderen Persönlichkeitsmodells nicht dulden wollen". Was den Autor antrieb, beschreibt Kakar als eine "lebenslange Suche nach den Ursprüngen der indischen Identität im Vergleich oder Kontrast zur Identitätsentwicklung der westlichen Gesellschaften". So entsteht eine indisch-westliche Kulturmorphologie, wie sie lebendiger, unorthodoxer und aufregender nicht sein könnte. Man spürt in ihr den Erzähler, den Romancier. Die Romane leiden manchmal unter dem ordnend-nüchternen Blick des Psychiaters. In dieser Autobiographie jedoch verbinden sich Erzähler und Wissenschaftler aufs glücklichste.

Sudhir Kakar ist der einzige indische Intellektuelle von Weltgeltung, der fließend Deutsch spricht und die deutsche intellektuelle Situation genau kennt. Man muss ihn ernst nehmen, wenn er vor westlicher Arroganz warnt und zeigt, was uns Indien jenseits eines abgegriffenen Romantizismus als gesellschaftliches und individuelles Korrektiv geben kann. Bedauerlich ist, dass das Lektorat nicht die angemessene Sorgfalt aufwandte. Die Nachweise in den Endnoten gehen durcheinander, ebenso die Buchtitel im Text. Diese und andere Ungereimtheiten mindern nicht den Wert des Buches, doch sie stören den Lesegenuss.

MARTIN KÄMPCHEN

Sudhir Kakar: "Die Seele der Anderen". Mein Leben zwischen Indien und dem Westen.

Aus dem Englischen von Klaus Modick. Verlag C. H. Beck, München 2012. 313 S., Abb., geb., 26,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.01.2013

Goa und Ivy League
Sudhir Kakar, prominenter Psychoanalytiker, Guru und Intellektueller zwischen Ost und West, schreibt seinen Lebensbericht
Auf dieses Buch, den autobiografischen Lebensbericht des berühmten Psychoanalytikers Sudhir Kakar, durfte man gespannt sein. Die äußeren Stationen seines Lebens – Goa, Lahore, Delhi, Jaipur, Ahmedabad, Deutschland, Harvard, Frankfurt und Neu-Delhi – versprechen eine bewegte Kindheit in Indien zur Zeit von nationaler Unabhängigkeit und partition, aufregende Studienjahre und reichhaltige Erfahrungen eines prominenten Intellektuellen beim Pendeln zwischen Ost und West. Von einem Psychoanalytiker kann man zudem erwarten, dass er die Vertracktheit der biografischen Wahrheit kennt, von der Sigmund Freud in einem Brief an Arnold Zweig feststellte, sie sei „nicht zu haben, und wenn man sie hätte, wäre sie nicht zu brauchen“. Noch mehr als der Biograf verpflichtet sich der Autobiograf, so Freud, „zur Lüge, zur Verheimlichung, Heuchelei, Schönfärberei und selbst zur Verhehlung seines Unverständnisses.“
  Sudhir Kakar schlägt diese Warnungen in den Wind; er kann über alles bis an die Grenze der Indiskretion reden, und ihm ist nichts Menschliches fremd. Karl Kraus hat sich vor modernen Menschen „ohne Gefühle und Vorurteile“ gefürchtet; aber das ist schon lange her; heutzutage muss man sich vor Menschen voller Gefühle und Vorurteile fürchten. Sudhir Kakar ist, so gesehen, up to date.
  Die Bewährungsprobe seiner Erkenntnis- und Darstellungskraft wäre die Zeit der Teilung des indischen Subkontinents gewesen. Sie fällt mit dem Ende der Kindheit des 1938 geborenen Kakar zusammen. Kakar enttäuscht den interessierten Leser mit einer Anhäufung von Banalitäten über seine Familienzusammenhänge im damaligen Nordindien, die er wiederum in naiven Psychologismen zu fassen versucht, wie etwa: „Ich erbte die Kluft zwischen der Herkunft meines Vaters und der meiner Mutter in Form einer Persönlichkeitsspaltung.“ Die äußeren Ereignisse bleiben Staffage im Leben dessen, der sich selbst als „Schriftsteller-Analytiker“ versteht. Einem wirklichen Schriftsteller wie Salman Rushdie verdanken wir den nobelpreiswürdigen Roman „Mitternachtskinder“, der das Jahrhundertereignis der gewalttätigen Teilung des Subkontinents in Indien und Pakistan begreifbar gemacht hat. Hier hingegen bekommt man ein paar ethnoreligiöse Witze: von der „Seele der Anderen“, wie es der Titel seines Buches verspricht, erfährt man nichts. Wenn es etwas zu erklären gibt, verweist Kakar auf das, was er „an anderer Stelle“ geschrieben hat – im Fall des ethnoreligiösen Konflikts auf sein Buch „Die Gewalt der Frommen. Zur Psychologie religiöser und ethnischer Konflikte“, das ihm den Ruf eines Spezialisten für religiös motivierte Gewalt eingetragen hat.
  Sudhir Kakar liebt es, die Erwartungen anderer zu bedienen. Wie es zur Lebensgeschichte eines Analytikers, der weit herumgekommen ist, zu passen scheint, erzählt er von seinen Liebesgeschichten, nicht ohne Verweis auf seine Bücher „Kamasutra oder die Kunst des Begehrens“, „Liebe aus Indien“ und „Die Frau, die Gandhi liebte“. Seine erotischen Erzählungen garnieren den Aufstieg eines gar nicht so ungewöhnlichen Mittelklasse-Inders in die globale Talkshowprominenz. Der Autor bietet sich in Liebesdingen als scheu wie du und ich an und scheut zugleich nicht davor zurück, sich als erfahrenen und glücklichen Indian Lover zu präsentieren. Dem indischen Leser zeigt er sich als welterfahren, dem westlichen als geheimnisvoll-exotisch. Wie schafft er es, die Rollen gleichzeitig auszufüllen? Kakar breitet stolz seine unterschiedlichen „Identitäten“ aus: Die des Inders, des Intellektuellen, des Wissenschaftlers, des fiktionalen Schriftstellers, des Psychoanalytikers und, last but not least, die des Gurus. Das soll kein selbstironischer Witz sein, sondern eine ernst gemeinte Selbstdarstellung.
  „Identität“ ist in den letzten zwanzig Jahren zu einem subjektiven Komplementärschlagwort zur „Globalisierung“ geworden. Den Charakter eines Begriffs wie noch im deutschen Idealismus hat es eingebüßt; im Freudschen Werk kommt „Identität“ so gut wie nicht vor. Zwar hat Kakar in Frankfurt bei de Boor eine klassische Lehranalyse gemacht; aber in der Theorie hat er nicht Freud, sondern Erik Homburger Erikson zu seinem Guru gemacht, der die Kategorie der Identität in der Psychologie der fünfziger und sechziger Jahre etabliere. Sie schien ihm nützlich zur Erklärung spezieller Phänomene der Adoleszenz, aber er wandte sie auch auf die amerikanische Einwanderungsgesellschaft an. Im Alter begann er sich für Indien zu interessieren und traf per Zufall auf den jungen Kakar, dem er einen Job in Harvard auf unkonventionelle Weise verschaffte und ihn zum kulturellen Berater in indischen Angelegenheiten machte; denn nach einer Luther- wollte Erikson eine Gandhibiographie schreiben. Kakar, der bis dahin auf dem Weg zum Ingenieur oder Manager war, bot sich Erikson gleich als Kenner von Tagore an, der ebenso wie Gandhi als Quelle indischer Identität benutzt wird. Die unreflektierte Gleichsetzung von Hinduismus und indischer Kultur wird bei Kakar zu einem Wissensschatz, der dem westlichen Intellektuellen nur schwer zugänglich ist.
  Kakar, der zwischen Goa und den Ivy League Universitäten hin- und herpendelt, meint, er könne sehr viel auf einmal sein. Der Leser fragt sich: Wie konnte er nur genügend Aufmerksamkeit für seine in Indien lebenden Patienten aufbringen, wenn er alle halbe Jahr zu ehrenvollen Lehrverpflichtungen in die USA aufbricht? Er gibt selbst zu, dass er polypragmatisch mit den Anforderungen der Psychoanalyse und den Erwartungen indischer Patienten umgehe. Kakar opfert den schwierigen universellen Wahrheitsanspruch der Psychoanalyse auf dem Altar eines Kulturrelativismus, der es ihm – easy going – erlaubt, selbst als ein Guru aufzutreten, der westlichen Rationalismus mit indischem Spiritualismus zu vereinbaren weiß.
  Der Motor dieses Erzählens ist ein ungebremster Narzissmus, der keine Hindernisse von Scham kennt. Der Disziplin begrifflichen Denkens, die in der Freudschen Tradition gefordert ist, entzieht Kakar sich mit dem Hinweis auf die „unelegante Sprache der Psychoanalyse“. Man stockt, wenn man gleich am Anfang auf die Jungsche Kategorie des „Unterbewusstseins“ stößt, in der Mitte des Buches aber vom „Unbewussten“ die Rede ist und am Ende wieder auf das „Unterbewusstsein“ verwiesen wird. C. G. Jung passt zur kulturrelativistischen Kollektivpsychologie, die mit der Individualpsychologie Freuds, aus der eine kritische Metapsychologie folgt, unvereinbar ist. Für Sudhir Kakar nicht. Das hatte er schon in seinem vorletzten Buch „Freud lesen in Goa“ versprochen: „Spiritualismus in einer aufgeklärten Welt“.
DETLEV CLAUSSEN
Sudhir Kakar: Die Seele der Anderen. Mein Leben zwischen Indien und dem Westen. C. H. Beck, München 2012. 313 Seiten, 26,95 Euro.
Den Indern zeigt er sich
welterfahren, den Westlern
geheimnisvoll-exotisch
Sudhir Kakar
FOTO: C. H. BECK
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