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Helmut Gollwitzer (1908 - 1993), eine Galionsfigur der Bekennenden Kirche, wurde mit der meisterhaften Schilderung seiner Kriegsgefangenschaft in Sibirien weltbekannt. Auch in den Briefen, die er von der Front an die Schauspielerin Eva Bildt (1916 - 1945) richtete, erweist er sich als prägnanter Erzähler. Das Paar verlobte sich Anfang 1941, durfte aber wegen der jüdischen Abstammung Eva Bildts nicht heiraten. Während sie ihrem Geliebten ihr Leben in Berlin unter den Bedingungen von Verfolgung, Zwangsarbeit und Bombenkrieg schildert, berichtet er von der immer chaotischeren Lage an der Front.…mehr

Produktbeschreibung
Helmut Gollwitzer (1908 - 1993), eine Galionsfigur der Bekennenden Kirche, wurde mit der meisterhaften Schilderung seiner Kriegsgefangenschaft in Sibirien weltbekannt. Auch in den Briefen, die er von der Front an die Schauspielerin Eva Bildt (1916 - 1945) richtete, erweist er sich als prägnanter Erzähler. Das Paar verlobte sich Anfang 1941, durfte aber wegen der jüdischen Abstammung Eva Bildts nicht heiraten. Während sie ihrem Geliebten ihr Leben in Berlin unter den Bedingungen von Verfolgung, Zwangsarbeit und Bombenkrieg schildert, berichtet er von der immer chaotischeren Lage an der Front. Der erstmals veröffentlichte Briefwechsel dokumentiert - wie die Brautbriefe Dietrich Bonhoeffers und Maria von Wedemeyers - eine Liebesgeschichte in den Zeiten von Krieg und Gewaltherrschaft, die von Widerstand und Zuversicht getragen ist, aber kurz vor Kriegsende tragisch endet.
Autorenporträt
Ruth Pabst ist als Archivarin und Autorin in Berlin tätig und arbeitet derzeit an einer Biographie über Eva Bildt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2009

Eine chancenlose Liebe
Der Briefwechsel von Helmut Gollwitzer und Eva Bildt
Beim Namen Helmut Gollwitzer fällt vielen ein Bild ein: Ein Professor mit kantigem Schädel und schütterem Haar in einem überfüllten Hörsaal, hinter ihm Transparente mit Sprüchen, die eine Revolution beschwören, vor ihm Hunderte Studenten und neben ihm Rudi Dutschke am Rednerpult. Gollwitzer schlug sich auf die Seite des 68er-Protests, kämpfte gegen den Vietnamkrieg und für eine Kirche, die das Evangelium als politisch linke Botschaft versteht. „Sozialisten können Christen, Christen müssen Sozialisten sein”, lautete einer seiner bekanntesten Sprüche.
Am 29. Dezember wäre dieser streitbare Protestant hundert Jahre alt geworden. Das Jubiläum war Grund genug, das Bild Gollwitzers zu weiten. Die Chance bietet nun ein Briefwechsel, den zwei Mitarbeiter des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin herausgegeben haben. Friedrich Künzel und Ruth Pabst ist dort ein interessanter Fund geglückt: die Briefe, die sich im Zweiten Weltkrieg Gollwitzer und seine Verlobte Eva Bildt geschrieben haben. Der Theologe zählt zu den prominenten Vertretern der Bekennenden Kirche. Seine Predigten erregten Aufsehen – auch bei den Gestapo-Spitzeln. Im September 1940 bekam Gollwitzer „Reichsredeverbot”. Wenig später musste der kaltgestellte Pfarrer zur Wehrmacht an die Front.
In Berlin blieb Eva Bildt zurück. Die Tochter des populären Schauspielers Paul Bildt hatte Gollwitzer kurz zuvor kennen und lieben gelernt. Sie wollte wie der Vater zur Bühne, hatte jedoch Auftrittsverbot, weil sie wegen ihrer jüdischen Mutter nach dem Menschen-Kataster der Nazis ein „Mischling ersten Grades” war. Ihre Herkunft verhinderte nicht nur eine Betätigung als Künstlerin – sie musste als Sekretärin arbeiten –, sondern auch die Hochzeit mit Gollwitzer. Die erforderliche Heiratsgenehmigung wurde verweigert. So blieb dem Paar, von seltenen gemeinsamen Urlauben abgesehen, nur die Post. Etwa 120 Briefe sind erhalten geblieben, Zeugnisse von Liebe, Glaube, Hoffnung.
Schon der Buchtitel bringt die Spannung dieser Zeit zum Ausdruck: „Ich will Dir schnell sagen, dass ich lebe, Liebster”. Bildt bedrohte der Luftkrieg, mehr noch aber die Deportation. Einige ihrer Bekannten brachten sich um, weil sie den Druck nicht mehr aushielten. Je länger der Krieg andauerte, um so düsterer die Briefe: „Täglich fällt eine Illusion von mir ab – ich habe eine schlechte, schlechte Zeit in vieler Hinsicht innerlich, bin stumm, wo ich loben sollte, hochmütig, wo ich demütig, erregt, wo ich gelassen sein sollte.” Trost suchte sie im Glauben, Errettung erhoffte sie nach dem Tod in der Begegnung mit Gott: „Die Hilfe ist doch erst da, wo beides zusammenkommt, der trostlose Mensch und der allmächtige Heiland.” Letztlich schöpfen beide Verlobten Kraft aus dem Glauben, und so geben die Briefe auch ein tiefes Zeugnis einer Frömmigkeit, die heute so unüblich ist, dass wir sie als fremd und verstörend empfinden.
Schließlich kam Eva Bildt, nachdem ihre Berliner Wohnung bei einem Bombenangriff zerstört worden war, mit ihren Eltern auf dem Gutshof von Gustav Gründgens unter. Der Theaterstar ließ sich von den Nazis als Aushängeschild benutzen, schützte aber Verfolgte. Eine Deportation von Gründgens’ Haus aus, das hätten die Machthaber kaum gewagt. So blieben Eva Bildt und ihre Mutter vom Schlimmsten verschont. In dieser Lage wollte Gollwitzer seiner Verlobten Mut machen. Er war der Kraftvollere in der Beziehung, ein Optimist, der mit – wohl geschönten – Schilderungen des Soldatenalltags Wärme in ihr Leben brachte. Seine Erzählungen sind stringenter und leichter lesbar als die Briefe Bildts, die detailreich das kirchliche Leben beschreibt. Leider sind viele Briefe Gollwitzers verloren gegangen. Unter diesen Lücken leidet das Buch. Mit dem Briefwechsel zwischen Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer kann sich der Band folglich nicht messen.
Das Ende der Nazi-Diktatur hätte eine Erlösung sein können, doch Bildt beging nach dem Einmarsch der Roten Armee Selbstmord. Sie war zuvor Zeugin von Vergewaltigungen geworden. Gollwitzer schrieb nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft einen Bericht über seine Zeit in Sibirien – ein viel beachtetes Buch. Er widmete die Aufzeichnungen seiner Verlobten und stellte ihnen einen Vers aus dem Johannesevangelium voran: „. . . ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst.” Der Spruch passt zum tragischen Ende Eva Bildts. HELMUT KÜHNE
HELMUT GOLLWITZER, EVA BILDT: „Ich will Dir schnell sagen, dass ich lebe, Liebster”. Briefe aus dem Krieg 1940-1945. Hrsg.: Friedrich Künzel und Ruth Pabst. Verlag C.H. Beck, München 2008. 366 Seiten, 14,95 Euro.
Nur Briefe blieben: Eva Bildt und Helmut Gollwitzer 1941. Evang. Zentralarchiv
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensent Robert Leicht begrüßt diese Edition des Briefwechsels des berühmten Theologen und seiner Verlobten Eva Bildt, die sich kurz vor Kriegsende das Leben genommen hat. Zwar hat Leicht beim Lesen manchmal auch Zweifel, ob derart Intimes überhaupt an die Öffentlichkeit gehört.  Es überwiegt für ihn schließlich die zeitgeschichtliche Bedeutung des Materials, der dadurch eröffnete Blick in ein untergegangenes protestantisch-jüdisches Intellektuellen-Milieu und auf die Figur Helmut Gollwitzer selbst, über dessen Rolle in der Nachkriegszeit der Band in seinem von Antje Vollmer verfassten Nachwort ebenfalls Auskunft zu geben scheint. Leider bleibt die Rezension über Art und Umfang dieser Gollwitzer-Deutung ebenso unscharf, wie über den Briefwechsel selbst.

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