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Jochen Schmidts sehr persönliches Sammelsurium
"Meine Mutter ist bei meiner Geburt ohnmächtig geworden, entsprechend ausgeprägt war schon immer mein schlechtes Gewissen." Wer so auf die Welt kommt, hat schlechte Karten. Einsam wie ein Samurai-Krieger und tapfer wie Don Quijote erkundet Jochen Schmidt in 32 neuen Texten Möglichkeiten, trotz Neurosen und ignoranter Mitmenschen doch noch glücklich zu werden. Auf dieser Suche erweist sich so manche Schwäche und vermeintlich nutzlose Angewohnheit als wichtige Körperfunktion, ja als geradezu überlebensnotwendig: wenn aus dem Selbstmord im letzten…mehr

Produktbeschreibung
Jochen Schmidts sehr persönliches Sammelsurium

"Meine Mutter ist bei meiner Geburt ohnmächtig geworden, entsprechend ausgeprägt war schon immer mein schlechtes Gewissen." Wer so auf die Welt kommt, hat schlechte Karten. Einsam wie ein Samurai-Krieger und tapfer wie Don Quijote erkundet Jochen Schmidt in 32 neuen Texten Möglichkeiten, trotz Neurosen und ignoranter Mitmenschen doch noch glücklich zu werden. Auf dieser Suche erweist sich so manche Schwäche und vermeintlich nutzlose Angewohnheit als wichtige Körperfunktion, ja als geradezu überlebensnotwendig: wenn aus dem Selbstmord im letzten Moment nichts wird, weil man daran denkt, daß es nicht schön wäre, in einer vermüllten Wohnung gefunden zu werden, und die Zyankalikapsel gegen einen Putzlappen eintauscht; oder wenn man häßliche Passanten aufgrund einer Sehschwäche dankenswerterweise nicht mehr sehen muß. Aber auch hilfreiche Antworten auf die kleinen und großen Fragen des Lebens bietet der Band. Welche Konsequenzen es haben kann, die Bonbonpackungsaufschrift "Nimm 2" ernst zu nehmen; warum in Särgen soviel unnötiger Zwischenraum für Luft ist; wie man Schlafstörungen vorbeugt; sowie: was Ralf mit Michael Schumacher und Yin und Yang miteinander zu tun haben.
Von A wie Autismus über O wie Optionsparalyse bis V wie Vergeßlichkeit bietet "Meine wichtigsten Körperfunktionen" ein hilfreiches Lob der Untugenden. Und es ist keine kleine Kunst, wie Jochen Schmidt den Leser sich in diesem sehr persönlichen Sammelsurium wiedererkennen läßt – und am Ende auch über sich selbst zum Lachen bringt.

"Ein Leben ohne meinen Körper könnte ich mir nur noch schwer vorstellen. Alles, was ich über die Welt weiß, verdanke ich ihm. Zwar sind die meisten seiner Eigenschaften lästig, aber ich möchte sie nicht missen, weil sie für Abwechslung sorgen und womöglich das einzige sind, was an mir originell sein könnte."
Jochen Schmidt
Autorenporträt
Jochen Schmidt studierte Informatik, Germanistik und Romanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1999 erhielt er den Open-Mike-Literaturpreis der Literaturwerkstatt Berlin. Im selben Jahr gründete er die Lesebühne Chaussee der Enthusiasten mit. 2002 wurde er mit dem Publikumspreis des Steirischen Herbstes ausgezeichnet und 2004 mit dem Förderpreis zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. 2007 wurde er für den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nominiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.09.2007

Der Laptop als Herdfeuer
Jochen Schmidt plaudert liebenswert von Körperfunktionen
„Meine wichtigsten Körperfunktionen” – auf ein Buch dieses Titels haben wir, ohne zu ahnen, was uns fehlte, immer schon gewartet. Wie angenehm sachlich empfängt uns schon das Inhaltsverzeichnis, das 32 kurze Texte über „Meine Einsamkeit”, „Meine Hilfsbereitschaft”, „Meine Ängstlichkeit”, „Meine Unattraktivität” und vieles andere mehr ankündigt. Wer Jochen Schmidt zufällig kennt, weil es ein Frühwerk mit Büchern wie „Triumphgemüse” oder „Müller haut uns raus” von ihm gibt, oder wer Jochen Schmidt schon einmal auf der Lesebühne der „Chaussee der Enthusiasten” gehört hat, weiß, mit welcher Art Literatur man es hier zu tun hat. Nicht mit (obwohl das die Liste der Körperfunktionen durchaus nahe legt) dem Empfindlichkeitskultus einer zartbesaiteten Natur, auch nicht mit einer ätherischen Kunstprosa im Debütantenstil, sondern mit handfesten (Vor-)Lesestücken, die sich auf einem Podium den Launen des Publikums aussetzen. Schmidts Stücke sind komisch und zugleich sehr ernst, ja von einer tiefen existentiellen Traurigkeit durchzogen. Als Lesebühnentexte wollen sie mit Gelächter quittiert werden, aber um wirklich pointentechnisch zu zünden, sind sie regelmäßig ein Weniges zu lang, und in dieser Verschleppung des komischen Effekts zeigt sich dann das Ernsthafte von Schmidts Ansatz.
Nicht mit Emotionen sparen
Jochen Schmidt, 1970 geboren und, wovon sein Buch erzählt, ein Langzeitstudent diverser Fächer, ist mit vielen Wassern der Literatur und Theorie gewaschen. Als gelehriger Schüler Friedrich Kittlers an der Humboldt-Universität hat er sich etwa dessen Rede von den „Aufschreibesystemen” zu eigen gemacht. Was also ist das Schmidtsche Aufschreibesystem? In einem Haus in einem Zimmer sitzt ein Mensch an einem Laptop, „der wie ein Herdfeuer funktioniert, an dem sich meine Hände wärmen, ein rührender Atavismus.” „Ein Nachteil der maschinellen Aufschreibesysteme”, so Schmidt weiter, „ist natürlich der sinkende Respekt vor dem eigenen Wort.” Früher habe man es in Marmor gemeißelt, jetzt kann man alles Geschriebene folgenlos wieder löschen.
Auch Schmidts eigenes Geplauder ist weniger für die Ewigkeit als für den nächsten Leseabend gemacht, dennoch stellt es für ihn die einzig relevante Form von Arbeit und also von „Unterdrückung des Körpers durch den Geist dar” – und weil Jochen Schmidt dem Geist in der Hierarchie seiner Körperfunktionen den höchsten Platz einräumt, wird sein Körper die meiste Zeit ganz schön unterdrückt, wovon die 32 Lesestücke ein beredtes Zeugnis geben.
Ach ja, der Körper, was hat man ihm in den letzten Jahrzehnten nicht akademisch umschwärmt und kulturtheoretisch verklärt. Viel hat man dem Körper zugemutet oder zugetraut, aber wann kam er jemals wirklich selbst zu Wort, in einer so geduldigen, systematischen, tragikomischen Selbstbeschreibung, wie sie Jochen Schmidt zu bieten hat? „Ein Leben ohne meinen Körper könnte ich mir nur noch schwer vorstellen”, so der erste Satz in seinem Vorwort, und das ist, wie manches in diesem Buch, ein Scherz und ein Ernst, und für alle, die das sonst nicht merken, hat Schmidt, der studierte Romanist, noch ein Proust-Zitat vorangestellt, worin es heißt, dass uns die Krankheit daran erinnert, wie wir „an ein Wesen ganz anderer Ordnung gefesselt sind, von dem uns Abgründe trennen . . .: unseren Körper.”
Nicht dass Jochen Schmidts Erzählungen von einem kranken Körper handeln; wohl aber von einem Körper, von dem seinen Inhaber bisweilen Abgründe trennen. Zur Veranschaulichung dieses Befunds sehen wir auf dem Frontispiz den Autor in Jeans und blauer Blousonjacke zwischen die nackten Badegäste in eine Sauna hineinkopiert. Fehl am Platz, mit seinem Körper, fühlt sich dieser Geistkörper in den Routinen des sozialen Alltags, aber das ist kein dramatisches oder pathetisches Gefühl, sondern bloß eine leise Idiosynkrasie, eine sanfte Abweichung von den Imperativen des Mittuns.
Auf der Suche nach „menschlicher Wärme” begibt sich der Autor schon mal auf Flughäfen, „wo man mit Emotionen nicht spart”. Kurz kann er sich dann der Illusion hingeben, die Tränen und Kusshände der Fluggäste gälten ihm. Feiern, lieben, lachen und so fort tun immer die anderen, und als Fremdkörper in ihrer Mitte bewegt sich da stets ein Geselligkeits-Alien, der lieber über seine Grübelei grübelt, über seine „Partyaphasie”, seine „Optionsparalyse”, seine „Kurzsichtigkeit” und seine „Todessehnsucht”.
Mit der ziemlich soziophoben Auswahl seiner wichtigsten Körperfunktionen müsste Jochen Schmidt eigentlich ein Außenseiter sein. Wahrscheinlich aber liegt ihm eben dieser Funktionen wegen ein ganzes Milieu zu Füßen, was dem Soziophoben dann auch wieder ein Grund zum Grübeln sein müsste. Aber so ist es eben: man kommt gar nicht umhin, den anspruchslosen, gebärneidischen, inkompetenten, vergesslichen, vorbildlichen und vielschichtigen Jochen Schmidt nach diesem Buch zu lieben. CHRISTOPH BARTMANN
JOCHEN SCHMIDT: Meine wichtigsten Körperfunktionen. Verlag C. H. Beck, München 2007. 144 Seiten, 16 Euro.
Der Außenseiter, dem alle zu Füßen liegen: Jochen Schmidt Foto: Uwe Schwarze
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2009

Mit Anfassen
Jochen Schmidt und Volker Strübing lesen in Frankfurt

Adorno kommt an diesem Abend gleich mehrmals als Gewährsmann zu Wort. Ausgerechnet aus dem Munde dieses blondzerzausten Berliners, der den Frankfurter Meister offenbar in aller Länge und Breite studiert hat. Das gibt einem dann doch zu denken dieser Tage, da die Suhrkamp-Kultur mit ihrem historisch direkten Draht zur Frankfurter Schule dabei ist, sich nach Berlin abzusetzen. Vielleicht debütieren demnächst die Ikonen ebendieser Verlagskultur auf der Lesebühne Chaussee der Enthusiasten, die Jochen Schmidt, Jahrgang 1970 und Schriftsteller, mitgegründet hat.

Schmidt hingegen war jetzt zusammen mit seinem offenbar gut befreundeten und gleichaltrigen Kollegen Volker Strübing zu Gast an einem Ort, der nicht nur einer zwischen Frankfurt und Berlin pendelnden Kultursachverständigen im Publikum so vorkam, als müsse er sich eigentlich in Berlin befinden und eben nicht in der Mörfelder Landstraße 121 in Frankfurt-Sachsenhausen. Aber so ist das ja oft mit dem Metropolengefühl und dem real existierenden Kunstschaffen. Im Raum 121 jedenfalls, den ein Kollektiv von im weitesten Sinne Kreativen betreibt, geht es so zu wie in den vielen Off-Orten der Hauptstadt: Leute, meist zwischen dreißig und Anfang vierzig, kommen zusammen, um Kultur zu produzieren und zu konsumieren. Das Ganze wirkt nonchalant, es gibt Klappstühle, Musik und Getränke und, an diesem Abend, eine Lesung mit den selbsternannten schönsten Schriftstellern Berlins.

"In der Pause könnt ihr uns auch anfassen", bot Schmidt an. Dass dann doch niemand Gebrauch davon gemacht hat, könnte an seinem Buch "Meine wichtigsten Körperfunktionen" liegen, aus dem er vorlas - und vielleicht auch an seinem Text über "Männer", die ihn zu der Beobachtung "Tough Baby" aus Adornos "Minima Moralia" führen. Einem "bestimmten Gestus der Männlichkeit" widmen sich beide mit Misstrauen, aber wo der Frankfurter Anzugträger Adorno etwas säuerlich den gutaussehenden Smokingträger als He-Man analysiert, dem die Frauen zufliegen, fragt sich der Berliner Pulloverträger Schmidt lieber, warum Männer-Duschgels so aggressive Namen und Duftnoten haben.

Überhaupt fragt sich Open-Mike-Gewinner Schmidt vieles, das unmittelbar mit seiner eigenen Wirklichkeit zu tun hat. Und er ist definitiv nicht der Typ Mann, dem sich Adorno widmet, sondern eher jener, der als ewiger Verlierer seinen und seiner Leser Gewinn aus der literaturtheoretisch, philosophisch und soziologisch beschlagenen Betrachtung seines eigenen Lebens und dessen Kalamitäten zieht. Das ist sanft ironisch, nie bitterböse und oft so komisch, dass Schmidt selbst vor Lachen nicht weiterlesen kann, was dann doch erstaunlich ist, denn vielen Autoren dieses neueren Typs ist das öffentliche Vorlesen ein großer Teil der beruflichen Existenz. Weshalb die Texte auch, in Länge und Struktur, deutlich fürs Ohr und zuweilen auch auf den Applaus hin geschrieben sind.

Volker Strübing, Verfasser solch luzider Alltagsbetrachtungen wie "Fleischsalat" oder "Zug nach München", Erfinder des im Internet verewigten Rezepts für Bockwurstjoghurt und Autor von Büchern wie "Ein Ziegelstein für Dörte" hingegen kann bei seinem Lesetempo während des Vortrags kaum von den zerfledderten Manuskriptseiten aufblicken. Strübing, Gewinner mehrerer Slam-Wettbewerbe und demnächst in einer 3Sat-Fernsehserie namens "Nicht der Süden" zu betrachten, schreibt auch nicht gerade Heldenprosa, und auch er orientiert sich am eigenen Erleben - wiewohl ihm auch der kleine Dreh ins Surreale, ins beinahe Phantastische gefällt.

Die Geschichte vom Tod jedenfalls, mit dem er in der fiesesten Kneipe Ost-Berlins noch Schnäpse getrunken hat, bevor der den Thekennachbarn kassierte, möchte man gern noch mal hören. Vielleicht muss man donnerstags nach Berlin zur Chaussee der Enthusiasten fahren. Vielleicht aber lädt ja in Frankfurt bald wieder jemand Strübing und Schmidt ein, ihre Texte zu lesen. Und am Ende, an der Bar, während ihr altes Schulheft als Gästebuch kreist, einen "Enthusiastendrink" mit dem Publikum zu nehmen. Ganz entspannt.

EVA-MARIA MAGEL

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jochen Schmidts Texte durchzieht bei all ihrer Komik ein tiefer Ernst, betont Christoph Bartmann. Obwohl die 32 in diesem Prosaband versammelten Stücke über Schmidts "wichtigste Körperfunktionen", die von der fortwährenden Unterdrückung des Körpers zugunsten des Geistes erzählen und spürbar "soziophoben" Charakter haben, wohl vor allem als Bühnentexte auf eine Pointe zielen, sind sie in der Regel zu lang, um mit einem Lacher abgetan zu sein, stellt der Rezensent fest. So entfalten sie dann regelmäßig ihren "existentiellen" Grund, meint Bartmann, der dem Autor bescheinigt, literarisch und literaturtheoretisch beschlagen zu sein. Hat man erst einmal diese schonungslose "Selbstbeschreibung" des Autors gelesen, kann man gar nicht anders, man muss Schmidt einfach "lieben", versichert der Rezensent hingerissen.

© Perlentaucher Medien GmbH
""Bodytalk: Geiz, Ungeduld, Unflexibilität - der Autor behandeltjede seiner schlechten Eigenschaften. Total schräg!"Jolie Magazin

"Klingt absolut authentisch und steckt voller Kurzweil. Eine echte Entdeckung."Buchkultur Januar 2009 / Rainer Scheer"Meine wichtigsten Körperfunktionen - auf ein Buch dieses Titels haben wir, ohne zu ahnen, was uns fehlte, immer schon gewartet. () Ach ja, der Körper, was hat man ihn in den letzten Jahren nicht akademisch umschwärmt und kulturtheoretisch verklärt. Viel hat man dem Körper zugemutet oder zugetraut, aber wann kam er jemals wirklich selbst zu Wort, in einer so geduldigen, systematischen, tragikkomischen Selbstbeschreibung, wie sie Jochen Schmidt zu bieten hat? () Man kommt gar nicht umhin, den anspruchslosen, gebärneidischen, inkompetenten, vorbildlichen und vielschichtigen Jochen Schmidt nach diesem Buch zu lieben." Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung