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In ihrem neuen Roman erzählt Dagmar Leupold die ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier vom Leben Enttäuschten: der Archäologin Sophia, die ihr Geld damit verdient, Produktnamen für Parfüms zu erfinden, und des Historikers Johannes, der an einer Biographie des Esperanto-Erfinders Ludwig Lazarus Zamenhof schreibt. Er lädt Sophia, die er bislang nur angelächelt hat - zu beider Überraschung - auf einen Abstecher nach Belgien ein, in die Nähe von Liège, wo es mehr als hundert Jahre lang ein neutrales staatsähnliches Gebiet gegeben hat, Moresnet, das beinahe der erste Esperanto-Staat geworden wäre.…mehr

Produktbeschreibung
In ihrem neuen Roman erzählt Dagmar Leupold die ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier vom Leben Enttäuschten: der Archäologin Sophia, die ihr Geld damit verdient, Produktnamen für Parfüms zu erfinden, und des Historikers Johannes, der an einer Biographie des Esperanto-Erfinders Ludwig Lazarus Zamenhof schreibt. Er lädt Sophia, die er bislang nur angelächelt hat - zu beider Überraschung - auf einen Abstecher nach Belgien ein, in die Nähe von Liège, wo es mehr als hundert Jahre lang ein neutrales staatsähnliches Gebiet gegeben hat, Moresnet, das beinahe der erste Esperanto-Staat geworden wäre.
Sophia trauert ihrer großen Liebe zu einem verheirateten Mann nach, Johannes ist seit einem Kindheitstrauma stumm, es sind sozusagen zwei Versehrte. In der heruntergekommenen Ferienanlage, in der sie sich eingemietet haben, gesellt sich Annika, ein rührend unschönes Mädchen, zu ihnen, das, wenn überhaupt, offenbar nur Russisch spricht. In den sieben Tagen ihrer Reise, im Herzen Europasund am verwahrlosten Schauplatz einer sozialen und politischen Utopie, der nur noch landschaftlich paradiesisch wirkt, entwickelt sich eine unwahrscheinliche, aber durchaus folgenreiche Liebe.
Poetisch und intelligent, rasant und nachdenklich folgt Dagmar Leupolds Roman seinen beiden Hauptfiguren auf ihrer Reise in ein neues Leben.
Autorenporträt
Dagmar Leupold, geb. 1955, lebt in Kirchseeon bei München. Für ihre Werke erhielt sie u. a. den Aspekte-Literaturpreis, den Montblanc-Literaturpreis und den Förderungspreis der Bayerischen Akademie der Künste.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2007

Esperanto für Anfänger
Mit „Grüner Engel Blaues Land” erzählt Dagmar Leupold eine Geschichte von der Sprachlosigkeit, dem Neuanfang und dem Wiederfinden der Liebe
Alles beginnt mit einem kräftigen Biss in den Apfel Marke „Grüner Engel”. Ein schön theatralischer Auftakt für einen Roman, der Evas Sünde als erstes Signal setzt. Wege zu neuen Paradiesen sind heute von Wegen in alte Höllen kaum zu unterscheiden. Die Suche nach dem „Weg” ist der stärkste Antrieb im Schreiben Dagmar Leupolds. Die Suche ist das Motiv vieler ihrer Romane. Romane über die Unmöglichkeit der Liebe und die Möglichkeit, Liebe in Sehnsucht umzuwandeln. Mit „Edmond: Geschichte einer Sehnsucht” machte sich Dagmar Leupold 1992 als Autorin einen Namen. 2004 gab sie mit dem Buch „Nach den Kriegen” Bruchstücke einer Nachkriegskindheit preis, in der unter den Augen kriegszerstörter Eltern wenig Freude am Frieden aufkommen konnte.
Der Titel ihres neuen Buches „Grüner Engel Blaues Land” klingt romantisch, aber jeder mit Verstand lässt heute die Romantik über die Klinge springen, das tut auch Dagmar Leupold, abgesehen vom Happy End. Der Roman dreht sich um das Thema der Reise, der Suche und der Verwandlung. Während dieser Reise finden Sprache, Verstehen und Liebe zueinander. Das klingt wie ein klassisches Komplott, und das ist es auch, allerdings ein kompliziertes. Kompliziert, weil die Sprache in dem Roman die Hauptfigur ist. Johannes hat die Sprache nach dem frühen Tod der Mutter verloren. Als Historiker interessiert er sich für Esperanto, die unerfüllte Möglichkeit, dass alle Menschen eine Sprache sprechen. Johannes schreibt an einer Biographie über Ludwik Lejzer Zamenhof, der 1887 die Grundlagen für das Esperanto legte. Aber eigentlich, behauptet er, interessiere ihn nicht Zamenhofs Idee einer Weltsprache, sondern dessen drei Frauen: Mutter, Frau und Tochter. Da Weniges in Leupolds Roman ohne Sinn und Entsprechung ist, sind es drei Frauen, die für Johannes’ Schweigen und sein Wieder-Redenkönnen verantwortlich sind.
Während des Ausflugs von Johannes und Sophia ins ostbelgische Moresnet, zwischen 1815 und 1919 ein neutraler Flecken und zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Esperantoanhängern zum idealen Esperanto-Staat ausgerufen, entwickelt sich diese zögernde Liebesgeschichte. Sie kennen sich flüchtig, der stumme Historiker und Sophia, die Archäologin, die, weil ihr Bruder taubstumm ist, das Vom-Mundablesen beherrscht.
Johannes kann nicht reden, aber verstehen und fordert Sophia auf: „sprich mit mir”. Hinter dem Sprechen liegt die Vergangenheit der beiden. Johannes ist verheiratet, Sophia trauert um einen Mann, der sie verlassen hat. Dagmar Leupold schickt das Paar über die Autobahn und zu Sehenswürdigkeiten. Gespräche mit einem Stummen. Dagmar Leupold beachtet, was unglaubwürdig ist, das Problem von Johannes’ Geräuschlosigkeit sehr wenig. Um so mehr interessiert sie sich für die Reflexionen der „vagabundierenden” Sophia und ihre Bekenntnisse aus dem Kummerkasten einer klassischen Geliebten.
Eine Panne und eine Nacht im Auto bringen sie zueinander, bis mit der schäbigen Unterkunft „Vacances Royales” das Purgatorium gefunden ist. Hier herrschen Armut und Hässlichkeit, Gewalt und Fremdheit, hier finden Johannes und Sophia das zutrauliche sprachgestörte und vernachlässigte Mädchen Annika. Die „Vacances Royales” beherbergt Migranten, Russen, Polen, Kroaten, Zuhälter, Kleinkriminelle. Ein Durcheinander aus Sprache und Schicksal. Esperanto hätte den Heimatlosen geholfen, aber keiner beherrscht es.
Dagmar Leupold deutet auf alte Geschichten. Die Geschichte vom Apfel, von der Vertreibung, vom Pfingstwunder. Zwischen diese Symbole ist die Liebesgeschichte gesetzt und in Zeitlupe erzählt. Mehr ein Hinsehen als ein Fühlen, mehr Distanz und Worte als Annäherung. Die Anspannung und Anstrengung entlädt sich in einem erlösenden Schuss, der Johannes die Sprache wiedergibt. Ein Mensch und ein Hund müssen sterben, damit Johannes wieder reden kann. „Courage” ist fast das letzte Wort des Buches. Mit „Courage” meldet sich Johannes’ Stimme, nach Jahrzehnten des Schweigens. „Ein Wort. Der Anfang”. Und wie steht es in der Bibel: „Im Anfang war das Wort.”
„Grüner Engel Blaues Land” ist ein Roman mit großer allegorischer Besetzung. Er drückt und sagt sehr viel aus. Über Reden und Schweigen. Über das Verstehen und das Nichtverstehen. Über die Suche nach dem Verlorenem. Man könnte sagen, es ist ein alttestamentarischer Text. Dagmar Leupold ist eine programmatische Erzählerin, und das ist das Problem dieses Romans. Die Sprache füllt die Figuren, die von der Autorin in die Welt gesetzt wurden, nicht wirklich aus. Die Fingerzeige und Querverweise sind schwere Fracht. Esperanto, Betrug, Trauer, Elend und der Verlust der Sprache. Johannes und Sophia werden unter den vielen Absichten erdrückt.VERENA AUFFERMANN
DAGMAR LEUPOLD: Grüner Engel Blaues Land. Roman. C.H. Beck Verlag, München 2007. 204 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2007

Liebesfundamentalistin
Was heißt Küssen auf Esperanto? Dagmar Leupolds neuer Roman

Kunstsprachen wie Volapük oder Esperanto sind zwar lächerlich synthetisch, aber auch ziemlich unmissverständlich und rational, frei von nationalen Vorurteilen, sentimentalem Kitsch und Intoleranz. Ihr Vorteil in der Theorie ist ihr Nachteil in der Praxis: Es gibt keinen Staat, der sie durchsetzen, keinen Menschen, der sich für vernünftig konstruierte Module erwärmen könnte: So blieb Esperanto überall eine Fremdsprache und immer eine eher komische Utopie. Einmal hätten die Esperantisten mit ihrer Sprache fast Staat machen können: in Moresnet, einem Zipfel Ostbelgiens, der seit dem Wiener Kongress staatsrechtliches Neutrum war. Der Bürgermeister Wilhelm Molly und seine junge Frau Sophia, eine Tochter des Esperanto-Erfinders Ludwig Lazarus Zamenhof, wollten die Plansprache zur Amts- und Herzenssprache von Neutral-Moresnet machen; der Erste Weltkrieg, Mollys Tod und der Vertrag von Versailles machten dem schönen Traum von der Völkerverständigung vorläufig ein Ende.

Wenn Leupolds Liebende ihre erste sentimentale Reise ausgerechnet in diesen Winkel Europas machen, haben sie also viele gute Gründe. Zu viele sogar: Das Gebiet ist literarisch unterminiert und politisch eindeutig überdeterminiert. Der Historiker Johannes, der gerade an einer Biographie Zamenhofs arbeitet, ist sanftmütig, gedankenschwer, müde - und stumm, seit seine Mutter Selbstmord beging. Das Trauma hat seine Sprachempfindlichkeit freilich eher beflügelt: Johannes' Gespür für Stimmen und Wortklänge, Konnotationen und Bedeutungsnuancen von Sprache und Sprechen ist außerordentlich gut entwickelt. "Schreibend verschaffe ich mir Gehör", sagt der sprachlose Autor. "Wenn ich schreibe, kann ich sprechen." Sophia ist energischer, extrovertierter und als postindustrielle Archäologin, Designerin von Parfümnamen und Ex-Geliebte eines Wolkenforschers dreifach empfänglich für Johannes' spröden Charme. In der Bibliothek warf die "Liebesfundamentalistin" dem stillen, einsamen Brüter einen angebissenen Apfel der Sorte "Grüne Engel" zu; Adam fasste Mut und lud sie zu einem Ausflug ins Neutral-Paradies ein.

Leupold beschreibt die langsame Annäherung zwischen dem Sprach- und der Liebesversehrten mit schöner poetischer Zartheit und großem intellektuellem Aufwand. Die beiden tauschen tiefe Gedanken, erlesene Sentenzen ("Jedem Opfer wohnt die Logik des Tauschs inne") und kostbare Wörter wie Münzfernsprecher oder Haftverschonung aus, schreiben sich Liebeserklärungen auf die nackte Haut und räsonieren überhaupt viel über Sprache und Unaussprechliches. "Das Weinen der Geschichte. Utopie im Soll. Der eigene Kopf kam ihm vor wie ein Rangierbahnhof mit lauter abgehängten Gedanken": Alles ist wunderbar konstruiert, geschmackvoll ausgedrückt, klug analysiert und kommentiert - aber eben doch mehr ein sprachtheoretischer Essay, ein Album der schönsten Parfüm- und Pflanzennamen und Aphorismen. Esperanto, heißt es einmal treffend, hat keinen "Dreck am Stecken"; es ist keimfreie, geschichts- und gesichtslose Konfektionsware. Es gibt aber auch eine Art Esperanto der Herzen, eine Künstlichkeit, die aus programmatischer Natürlichkeit und funktionaler Poesie herrührt.

Leupold ist viel zu klug und sprachbewusst, als dass sie diesen Mangel nicht spürte. Die Liebenden werfen sich immer wieder vor, ihre Sätze klängen zu geschliffen und gefeilt: "Man hört die Violinen schluchzen und die Wörterbücher ächzen." Sophia schilt Johannes zu Recht als besserwisserischen, "unverbesserlichen Sprücheklopfer"; der gibt freimütig zu, dass er alle Gefühle, Bilder und Wörter aus zweiter Hand empfange. Aber wie sollte es anders sein? Wer sich mit Gebärden und Zettelchen verständigt, redet naturgemäß wie gedruckt, vor allem, wenn er mit der Unmittelbarkeit seiner Körpersprache und der Reinheit der Schrift gegen eine korrumpierte Alltagssprache protestieren will. Und Sophia hat zu viele Parfümnamen erfunden, als dass sie nicht wüsste, dass Konsum und Kommunikation zuletzt auch das unschuldigste, edelste Wort verzehren.

So umzäunt Leupold eine kleine Erzählung mit schweren mythologischen Zaunpfählen und aufdringlichen "Subtexten": Der Ausflug dauert sieben Tage, so lang wie die Schöpfung, und natürlich ist das Blaue Land das verlorene Paradies: einerseits ein bukolischer Garten Eden, derart strotzend vor Sinnlichkeit und Schwüle, dass der Historiker und die Archäologin bald alle akademischen Hemmungen und Kleider fallen lassen und im Freien kopulieren, oral und anal; andererseits ist der Feriensiedlung Vacances Royales der Geist der Utopie gründlich ausgetrieben worden - verwahrloste Hütten, bevölkert von Billigtouristen, Rassisten, Asylsuchenden, Zuhältertypen, Schlägern, kurz: ein Sinnbild europäischer Desperanto-Geschichte.

Aber die Losung von Esperantoland heißt "labori kaj esperari" (arbeiten und hoffen). In Annika, dem hässlichen, sprachgestörten Kind, finden Sophia und Johannes einen gefallenen Engel, in der tschetschenischen Mutter eine Freundin, in Ti und Hexlein ein sinnenfrohes Philemon-und-Baucis-Paar. Am Ende findet Johannes sogar seine Sprache wieder; sein erstes Wort ist "Courage". Mut zeigt auch Leupold. Ihr Versuch, eine Utopie von gestern in die Sprache von heute zu retten, wäre vielleicht sogar gelungen, wenn ihr nicht dauernd der Kopf dazwischengeredet und aller Unschuld die Sprache verschlagen hätte.

MARTIN HALTER

Dagmar Leupold: "Grüner Engel, blaues Land". Roman. Verlag C. H. Beck, München 2007. 204 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Reserviert betrachtet Martin Halter Dagmar Leupolds Roman über die Liebe zweier verwundeter Seelen. Die Liebesgeschichte um den Historiker Johannes, der eine Biografie des Esperanto-Erfinders Ludwig Lazarus Zamenhof schreibt und seit einem in der Kindheit erlittenen Trauma stumm ist, und die Archäologin Sophia, die als Designerin von Parfümnamen ihr Geld verdient, wirkt auf ihn doch stark wie eine Kopfgeburt. Zwar bescheinigt er der Autorin, die langsame Annäherungen der beiden Liebenden mit "schöner poetischer Zartheit" und zugleich "großem intellektuellem Aufwand" zu beschreiben. Alles scheint ihm "wunderbar konstruiert, geschmackvoll ausgedrückt, klug analysiert und kommentiert", wenn die Liebenden feine Sentenzen und tiefe Gedanken austauschen. Aber gerade darin sieht er auch das Problem des Romans, der ihm eher wie ein "sprachtheoretischer Essay" und ein "Album der schönsten Parfüm- und Pflanzennamen und Aphorismen" vorkommt. Dass der Text auch noch von mythologischen Anspielungen und "aufdringlichen 'Subtexten'" strotzt, macht die Sache für Halter auch nicht besser.

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