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Jens-Uwe Krause bietet einen umfassenden Überblick über Verbrechen, Möglichkeiten der Strafverfolgung und Strafpraxis in Griechenland und Rom - ein Grundlagenwerk zur Sozialgeschichte der Antike.
Archippos und Teisis waren in Streit geraten; ein Wort gab das andere, Beschimpfungen und Beleidigungen folgten. Der Liebhaber des Teisis riet dem jungen Mann, sich zurückzuhalten und eine günstige Stunde für seine Rache abzuwarten. So lud Teisis den Archippos zu einem Trinkgelage ein, und als der Arglose erschien, fesselten ihn Teisis und seine Freunde und peitschten ihn aus. Diese Geschichte, die…mehr

Produktbeschreibung
Jens-Uwe Krause bietet einen umfassenden Überblick über Verbrechen, Möglichkeiten der Strafverfolgung und Strafpraxis in Griechenland und Rom - ein Grundlagenwerk zur Sozialgeschichte der Antike.

Archippos und Teisis waren in Streit geraten; ein Wort gab das andere, Beschimpfungen und Beleidigungen folgten. Der Liebhaber des Teisis riet dem jungen Mann, sich zurückzuhalten und eine günstige Stunde für seine Rache abzuwarten. So lud Teisis den Archippos zu einem Trinkgelage ein, und als der Arglose erschien, fesselten ihn Teisis und seine Freunde und peitschten ihn aus. Diese Geschichte, die der griechische Redner Lysias erzählt, beschreibt einen Fall von Hybris. In der Antike faßte man darunter so unterschiedliche Tatbestände wie Tätlichkeiten, Beleidigungen, aber auch sexuelle Belästigung - und die Bürger waren sich einig: Keiner, der sich solcher Delikte schuldig gemacht hatte, sollte straffrei ausgehen.
Sowohl in Athen als auch in Rom hatten die Gerichte viel zu tun: Diebstahl, Raub, Sexualdelikte, Desertion, Mord - auch die Menschen der Antike begingen Straftaten, die schon damals schwere Rechtsfolgen nach sich zogen. Doch obwohl die antiken Strafverfolgungssysteme längst nicht so entwickelt waren wie unsere, gelang es den Bürgern zumeist, den gebrochenen Rechtsfrieden wieder herzustellen und dadurch eine der wichtigsten Voraussetzungen des Zusammenlebens zu sichern. Jens-Uwe Krause legt hier einen faktenreichen Überblick über Verbrechen, Verbrecher und Strafverfolgung im griechisch-römischen Altertum vor.
Autorenporträt
Jens-Uwe Krause lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Sozialgeschichte der Antike bildet einen seiner Forschungsschwerpunkte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2004

Randale auf den Straßen der Antike

"Die Gesellschaft wird sogar das Prius gewesen sein; zu ihrem Schutze entstand der Staat; er ist wesentlich ihre negative, abwehrende, vertheidigende Seite. Identischer Ursprung von Staat und Strafrecht." So notierte Jacob Burckhardt im sogenannten Alten Schema seiner Vorlesung "Über das Studium der Geschichte". Der Kriminalität, wie sie in der vormodernen Gesellschaft verankert war und diese zum Aufbau schützender und strafender Gewalten nötigte, kommt in der Genealogie des Staates eine zentrale Bedeutung zu. Der Münchener Althistoriker Jens-Uwe Krause, ausgewiesen durch profunde Studien zu Witwen und Waisen sowie Gefängnissen im antiken Rom, hat gut daran getan, die Fülle von Phänomenen auf die Frage nach Ausbau und Konsolidierung des Staatsapparates in den antiken Gemeinwesen auszurichten und für die Deutung des lückenhaften und ungleichmäßigen Materials auch die einschlägigen Forschungen zum Mittelalter und der Frühen Neuzeit heranzuziehen. Entstanden ist eine kenntnisreiche und anschauliche Darstellung, gegliedert nach Deliktgattungen, Straftäterkategorien und Gegenmaßnahmen ("Kriminalgeschichte der Antike". C. H. Beck Verlag, München 2004. 228 S., geb., 24,90 [Euro].). Der Titel des Buches ist irreführend. Geboten wird keine Kriminalgeschichte, sondern eine Sozialgeschichte der Kriminalität und ihrer Bekämpfung, wobei die Grenze zur Rechtsgeschichte nicht leicht zu ziehen war. Quellenlage und Interesse haben den Autor ferner mit guten Gründen veranlaßt, überwiegend die römische Kaiserzeit und die Spätantike zu behandeln; die beiden Kapitel über das klassische Athen, kaum ein Sechstel des Gesamtumfangs, bilden nur einen Vorspann. Drakon von Athen, an dem sich die ersten Schritte zur Einhegung von Gewalt durch Verfahren und Institutionen des entstehenden Bürgerstaates hätten zeigen lassen, kommt nicht vor. Auch hätte eine Auswertung des Zwölftafelgesetzes die konfliktreichen bäuerlichen Nachbarschaftsbeziehungen der frühen römischen Republik beleuchten können.

Im Vergleich der Großepochen treten immer wieder auffällige Unterschiede zutage. So war in der Antike offenbar die Bereitschaft auch der ländlichen Bevölkerung, in Konfliktfällen staatliche Institutionen anzurufen, weit größer als in den späteren Epochen. Möglicherweise, so wäre hier weiterzudenken, lag das an dem in der Antike geringer ausgeprägten Gegensatz zwischen Stadt und Land und der stärkeren Prägekraft der städtischen Zivilisation, war diese doch seit ihrer Entstehung im archaischen Griechenland durch gesetztes Recht und regulative Verfahren gekennzeichnet. Dennoch blieb soziale Kontrolle unentbehrlich und hatten die Eigeninitiative und Selbsthilfe im römischen Reich einen weiten Spielraum, nicht ungeregelt, sondern durch die öffentlichen Gewalten sanktioniert und in Zusammenarbeit mit ihnen. Regelrechte Selbstjustiz spielte hier, verglichen mit anderen agrarischen Gesellschaften, eine geringe Rolle; dafür wurde gegen bestimmte Formen alltäglicher Kleinkriminalität ohne viel Aufwand und mit Härte vorgegangen. Ein Korrektiv bildete in der Spätantike die regelmäßige Amnestie zu Ostern, von der lediglich Schwerverbrecher ausgenommen waren.

Konstant blieb der Klassencharakter der Justiz. Opfer von Kriminalität und Objekt von Strafe zu sein minderte die Ehre; so stand nur höherstehenden Personen das Exil frei, wo andere des Todes waren, und selbst eine Beleidigung wurde mit zunehmendem Rang des Opfers beziehungsweise geringerem Status des Täters strenger geahndet. Umgekehrt führte ein drohender Ehrverlust in der Öffentlichkeit wegen der unterentwickelten Affektkontrolle rasch zur Gewaltdelikten. Die unterentwickelte Affektkontrolle war keineswegs typisch für die Unterschicht, im Gegenteil. Als Subkultur mit kriminellen oder transgressorischen Neigungen konnten junge Erwachsene der besseren Schichten gelten. Denn für sie war die Zeit zwischen der Pubertät und der oft späten Eheschließung eine Lebensphase maximaler Freiheit, in der es kaum Möglichkeiten gab, den Tag sinn- und verantwortungsvoll auszufüllen. Vom Schabernack über Vergewaltigung bis zur schweren Körperverletzung, oft unter Alkoholeinfluß und immer in einer Clique: Für einen Großteil der Gewalttaten in antiken Städten waren Jugendliche und junge Erwachsene verantwortlich. Überlange Adoleszenzphasen sind keine Erfindung der Moderne, und obwohl nur eine Minderheit der jungen Männer frei war von der Pflicht zur Arbeit, so verschärfte doch die Demographie das Problem. Krause schätzt, daß die Fünfzehn- bis Dreißigjährigen im römischen Reich rund ein Viertel der Bevölkerung bildeten.

Solche subtilen Zusammenhänge zwischen Lebensaltersoziologie und Kriminalität sind die Sache von Karl-Wilhelm Weeber nicht ("Nachtleben im alten Rom". Primus Verlag, Darmstadt 2004. 167 S., Abb., geb., 19,90 [Euro].). Seine umfassende Quellenkenntnis bildet seit langem das Reservoir für eine Serie erfolgreicher Lexika und Monographien zur römischen Kultur- und Alltagsgeschichte. Ihr Duktus verrät immer ein wenig das Bemühen, den Lateinunterricht zu entstauben (Weeber ist Schulleiter und lehrt Didaktik der Alten Sprachen) und die Römer von ihrem Kothurn zu holen. Flott und ohne tieferen analytischen Anspruch breitet er das Nachtleben im alten Rom aus und berichtet über Kneipen, Würfelspiel, Trinkgelage, Prostitution oder amouröse Bemühungen. Auch die "grassatores", die randalierenden Jugendlichen oder "römischen Hooligans", haben hier ein eigenes, lesenswertes Kapitel.

UWE WALTER

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.09.2004

Gefahr im Verzug
Gegen Gauner half man sich in der Antike am besten mit Geschrei
„Der Mensch ist gar nicht gut”, dichtete Bert Brecht mit jener Schlichtheit, die einer uralten Einsicht gemäß ist. Wie kommt man dem Menschen, der Böses tut, erfolgreich bei? Brecht empfiehlt: „Drum hau ihm auf den Hut.” Das Mittel ist ebenfalls uralt, und niemand wird sagen wollen, dass es sich mit der Zeit als probat erwiesen hätte. Jens-Uwe Krause, ein in München lehrender Althistoriker, spricht von „Selbsthilfe”, wenn er darstellt, wie sich die Bürger im alten Athen und im frühen Rom vor den kriminellen Übergriffen der Bösewichter zu schützen suchten. Der Begriff „Selbsthilfe” deutet allerdings in eine andere Richtung als das „Faustrecht”, das noch Justus Möser als das nördlich der Alpen bevorzugte Verfahren bezeichnet hatte, sich Recht zu verschaffen.
Um Recht aber ging es zunächst gar nicht bei den Griechen und den selbstbewussten Republikanern Roms, dies ist der Eindruck, den Krauses Kriminalgeschichte der Antike vermittelt: Es ging um Regelungen. Geregelt werden mussten Fälle von Bedrohung an Gut und Leben sowie Schadensfälle. Eine Polizei gab es anfangs überhaupt nicht, und als es sie gab, war sie kaum hauptsächlich damit beschäftigt, Polizei zu sein. War in den Städten der Antike Gefahr im Verzuge, musste man sich durch Geschrei helfen, damit die Nachbarn herbeikommen und eingreifen konnten. Hatte man darauf verzichtet zu schreien, mochte dies bei einem späteren Prozess von Nachteil sein. Schon der fehlenden Zeugen wegen.
Dass es überhaupt zu einem Prozess, ja, vorher zur Anzeige einer Straftat kommen konnte, hing auch davon ab, wie sehr der Geschädigte dahinter her war, das Verbrechen vor Gericht zu bringen. Nicht nur die Zeugen, auch andere Beweismittel und vor allem den oder die Täter musste er selbst herbeischaffen. Misslang dies, war es möglich, dass der Verbrecher in einer anderen Stadt Zuflucht fand, unangefochten lebte und nach geraumer Zeit sogar ungefährdet an den Ort seiner Schandtat zurückkehren konnte. Umgekehrt war jedoch für den Kriminellen, nach dem gesucht wurde, auch in den großen Städten ein sicheres Plätzchen nur schwer zu finden. Das dichte Netz sozialer Kontrolle in Wohnvierteln und Straßenzügen ließen es kaum zu, einen Unterschlupf im Verborgenen zu finden.
Die da eng zusammenlebten, wollten, dass Recht geschieht. So zeigt die Kriminalgeschichte in dem von Krause untersuchten Jahrtausend ebenso die Entschlossenheit der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass dem Verbrecher auf den Hut gehauen wird - ein Dieb, der bei Nacht ins Haus drang, durfte ohne weiteres getötet werden -, als auch die Tendenz, allzu krasser Selbstjustiz Einhalt zu gebieten. Recht wird durch Regelungen hergestellt, die wenig mit Gerechtigkeit zu tun haben müssen, aber mutmaßlich dem inneren Frieden dienen. Wer sich dem Gebot nicht fügt - ob als Gesetzesbrecher oder als Rächer - muss die Strafe auf sich nehmen oder in die Wildnis entweichen. Krause hat ein nüchternes und materialreiches Buch geschrieben. Es belehrt auch darüber, dass so schön die Antike dann doch nicht war, wie ihre Kunstwerke uns träumen lassen.
JÜRGEN BUSCHE
JENS-UWE KRAUSE: Kriminalgeschichte der Antike. Verlag C. H. Beck, München 2004. 228 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jürgen Busche fühlte sich nach der Lektüre von "Kriminalgeschichte der Antike" ernüchtert, da die Realität des antiken Alltags mit der Idealität der Kunst nicht Schritt zu halten vermochte - wobei Ernüchterung ein durchaus angemessener Effekt ist, handelt es sich bei dem Buch von Jens-Uwe Krause doch der Meinung des Rezensenten nach um ein "nüchternes" und "materialreiches" Werk. Behandelt wird die Frage der Strafverfolgung im alten Griechenland und im alten Rom. Hauptwaffe im Kampf gegen den kriminellen Feind war demnach die "Selbsthilfe" - Polizeiarbeit war eher noch unterentwickelt, sofern es sie überhaupt schon gab. Man rief also die Nachbarn zu Hilfe. Gemeinsam rückte man dem Bösewicht zu Leibe. Wer hierbei allerdings zu weit ging, hatte seinerseits mit Bestrafung durch die Gerichte zu rechnen, denn auch Selbstjustiz konnte in Verbrechen umschlagen. Strafverfolgung, also Tätersuche, Zeugenfindung usw., war ebenfalls Privatsache. Das dicht geknüpfte soziale Netz machte es gesuchten Verbrechern schwer, in den Städten Unterschlupf zu finden; zugleich allerdings lebten manche von ihnen unbehelligt an fremden Orten. Mit Recht hatte all das nicht allzu viel zu tun, befindet der Rezensent, eher mit Regelungen.

© Perlentaucher Medien GmbH