Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 3,50 €
  • Gebundenes Buch

Etwas stimmt nicht so ganz mit Anthony, dem 150 Kilo schweren Helden von "Monster", in dessen Familie sich über die Generationen hinweg immer mal wieder plötzlich der Wahnsinn einnistet. Anthony, der mal mehr, mal weniger beieinander ist, erzählt die surrealen Abenteuer seiner Familie in einer Welt, die alles unternimmt, um sie übers Ohr zu hauen, ob es sich um Schwarzmarkt-Unternehmer und schwarze Kredithaie, halbseidene Schönheitswettbewerbe oder seltsame Diät-Kliniken handelt. Außerdem spielen ein inhaftierter japanischer Revoluzzer mit Rastalocken, eine bösartige Hundemeute, Anthonys…mehr

Produktbeschreibung
Etwas stimmt nicht so ganz mit Anthony, dem 150 Kilo schweren Helden von "Monster", in dessen Familie sich über die Generationen hinweg immer mal wieder plötzlich der Wahnsinn einnistet. Anthony, der mal mehr, mal weniger beieinander ist, erzählt die surrealen Abenteuer seiner Familie in einer Welt, die alles unternimmt, um sie übers Ohr zu hauen, ob es sich um Schwarzmarkt-Unternehmer und schwarze Kredithaie, halbseidene Schönheitswettbewerbe oder seltsame Diät-Kliniken handelt. Außerdem spielen ein inhaftierter japanischer Revoluzzer mit Rastalocken, eine bösartige Hundemeute, Anthonys höchst eigener Horrorfilm-Führer und die Eskapaden von Anthonys frühreifer Schwester Nabisase eine tragende Rolle. "Monster" ist ein klassischer Außenseiter-Roman über Leben und Meinungen eines ziemlich dicken und ziemlich verrückten schwarzen College-Dropouts, das faulknereske Portrait einer schwarzen amerikanischen Familie, die sich gegen eine Welt und ihren eigenen Wahnsinn zu behaupten versucht.
Autorenporträt
Klaus Modick, geboren 1951, studierte in Hamburg Germanistik, Geschichte und Pädagogik, promovierte mit einer Arbeit über Lion Feuchtwanger und arbeitete danach u.a. als Lehrbeauftragter und Werbetexter. Seit 1984 ist er freier Schriftsteller und Übersetzer und lebt nach zahlreichen Auslandsaufenthalten und Dozenturen wieder in seiner Geburtsstadt Oldenburg.
Für sein umfangreiches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter Villa Massimo, Nicolas-Born-Preis und Bettina-von Arnim-Preis. 2015 wurde Klaus Modick mit dem "Rheingau-Literaturpreis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2004

Kannst du mein Monster halten?
Eine Bratwurst mit vielen Talenten: Victor LaValles brachialer Antiroman berichtet aus dem Leben eines Homunkulus

Der Poeta doctus, der gelehrte Dichter, scheint literarevolutionär vom dichtenden Lehrenden verdrängt zu werden. Victor Durmot LaValle, inzwischen "Adjunct Assistant Professor" an der New Yorker Columbia-Universität, hat drei Jahre nach seinem vielgelobten Kurzgeschichtenband "Slapboxing with Jesus" von 1999 einen brachialen Antiroman verfaßt, "Monster oder Homunculus", der jetzt in vorzüglicher Übersetzung durch Klaus Modick auf deutsch vorliegt. Das Buch will keine Satire und kein Pikaroroman sein, sondern ein postakademisches Prosamonstrum, widernatürlich in der Handlungsführung wie im Figurenaufmarsch.

Auf den ersten Blick handelt es sich um das tragikomische Tagebuch eines drop-outs, nämlich des reichlich beleibten Afroamerikaners Anthony James, der seine liebe Not mit dem Gesellschaftssystem hat, vom College verwiesen wurde, am falschen Ort die falschen Fragen stellt und daher - eine amerikanische Version von Lucky Jim - von einer Katastrophe in die nächste stolpert. Auf den zweiten Blick aber überwiegt die Irritation, ragt die Fremdheit ins Extraterrestrische. Wir haben es vielmehr mit einem drop-in zu tun: die aus dem Nichts in die Welt geworfene Menschmaschine Anthony, die schon zum eigenen Körper eine derart große Distanz aufweist, daß sie dessen groteske Konturen lediglich verwundert zur Kenntnis nimmt: "Darf ich vorstellen: Mensch aus Staub." Tatsächlich gibt es für die geäußerte Überzeugung, "daß unsere Welt eine alchimistische Komödie ist", einige Evidenz.

So einfach die Homunkulusformel auch sein mag - die richtige Mischung von Schwefel, Quecksilber und Salz für Geist, Seele und Körper -, müssen hier von allem einige Quentchen zuviel verrührt worden sein. Zunächst treffen wir auf das elefantöse Menschlein, wie es im Kreis seiner nicht weniger seltsamen Familie - Großmutter, Mutter und Schwester - vor sich hin expandiert, was alle Kräfte in Anspruch nimmt: "Es ist anstrengend, so fett zu sein." Dem Koloß ist alles kolossal, seine geliebten Putzjobs so gut wie eine ominöse Diätsekte. Dabei geht es nicht zuletzt kolossal lustig zu: "Er hatte das Talent einer Bratwurst, sättigend und wohlvertraut." Der sympathische Held durchläuft nun prototypische Stationen der irdischen Komödie: Ausbildung, Beruf, Liebe, Freundschaft, Verachtung, Betrug, freilich ohne jemals anzukommen.

Tatsächlich entspringt die Story aus der Ethnographie: LaValle schickt, geschult an William Faulkner und im Geiste Garps, einen Avatar ins Rennen, der seine Umwelt, den New Yorker Stadtbezirk Queens, in all seiner Unwirtlichkeit zu erfassen versucht. Das Gefühl des Hypothetischen wird man dabei - anders als bei Faulkners bewußt fiktivem Yoknapatawpha - nicht ganz los: Alle Beteiligten erinnern eher an John Rawls' verschleierte Außerirdische, die ekstatisch ihre "primary goods" gegeneinander ausfechten.

Das mittlere Kapitel über einen kuriosen Miss-Unschuld-Wettbewerb, an dem Anthonys frühreife Schwester Nabisase teilzunehmen gedenkt, bildet den Schwerpunkt der kaum so zu nennenden Handlung. Die gesamte Freak-Familie James, gegen die nicht einmal die Osbornes anstinken könnten, macht sich auf und erlebt allerhand Freakiges vom Schlage überfluteter Hotelbadezimmer. Um die Kohärenz nicht zu groß werden zu lassen, schießt eine zweite Miss-Wahl quer, diesmal zur Miss Charakter, und alles versinkt alsbald im Chaos, dessen wunderlicher Sohn hier einer Lawine gleich durch den Menschenpark walzt. Die Mutter, mannstoll geworden, geht irgendwo verloren, die Oma wird permanent jemandem auf den Rücken geschnallt, und die Schwester pulverisiert die Büste Sidney Poitiers. Warum das alles? Zwei Sinnstiftungsmuster treten in Konkurrenz: Was Nabisase die Religion ist, ist dem Titelmonster der Horrorfilm, dessen Genremuster das Buch weidlich ausschlachtet.

Bisweilen hat Anthony "das Gefühl, von einer unsichtbaren Macht gelenkt zu werden". Er treibt daher aktive Bündnispolitik mit den verschiedensten Partnern. So läßt sich der offenherzige Held mit dem ausgefuchsten Kredithai Ishkabibble ein; auf der anderen Seite gibt es den verehrten "Onkel Langarm" und dessen Studentenarmee im Namen der "gerechten Sache". Doch Zerstörung scheint nach Monster-Logik das geheime Ziel aller Verbindungen: "Ich verspürte den Wunsch, Onkel Langarm zwischen die Finger zu bekommen, damit ich ihm seinen verlogenen Hals umdrehen konnte. Das war nun doch zu monströs." Jenseits des Onkels regiert der Fürst der Dunkelheit, "breit wie ein Herd und doppelt so hoch", auf den Anthony gleich zweimal trifft. Irgendwann marschiert eine apokalyptische Hundemeute auf und zerfetzt den letzten Rest des Plots. Die Bestien werden dirigiert von Anthonys hochrangigstem Verbündeten, vom Alchimisten persönlich.

Eine letzte Begründung für den allgemeinen wie den speziellen Niedergang bleiben uns Erfinder und Erfindung reinsten Gewissens schuldig: "Für Monster gibt es immer Gründe." Kein Homunkulus aber entgeht dem Zwei-Naturen-Paradox: "Ich bin kein seelenloses Monstrum. Ich hege durchaus menschliche Gefühle." Das genau ist sein Dilemma, an dem seit je die Götter leiden. LaValles Roman ist, wenn auch einen Tick zu kreativ und mehrere Ticks zu kumulativ, so vergnüglich wie verdeckt intellektuell.

Victor D. LaValle: "Monster oder Homunculus". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Klaus Modick. C. H. Beck Verlag, München 2004. 335 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Andreas Merkel zieht ein gemischtes Fazit aus diesem Roman. Einerseits besitzt das Panoptikum, das dem Leser hier vorgeführt wird, für ihn durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. Der soziophobe und fettleibige Protagonist ist Horrorfilmexperte und putzt gerne nackt die Wohnungen anderer Leute. Merkel bezeichnet die Geschichte als "Familien-Freakshow aus der schwarzen Mittelschicht", die stellenweise sehr komisch sei. Trotzdem empfindet er den Roman als zu lang und auch mit der "Dauerironie" kann der Rezensent nicht viel anfangen. Die Geschichte hangelt sich eher von Anekdote zu Anekdote, eine Handlung gibt es nicht wirklich, und am Ende hat man über "Anthonys Familie schließlich mehr erfahren, als man jemals wissen wollte". Doch wenigstens mit der Übersetzung von Klaus Modick ist Merkel - von einem Ausrutscher abgesehen - sehr zufrieden.

© Perlentaucher Medien GmbH