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Kaum ein menschliches Gebiet ist so reich an Anekdoten wie das der Wissenschaft. Da ist z.B. die Geschichte des Viktorianers Charles Babbage, der nicht nur einen der ersten Computer baute, sondern auch Schuhe erfand, mit denen man auf dem Wasser laufen konnte - um den physikalischen Kern der Bibel zu beweisen. Außerdem schrieb er Traktate gegen Straßenmusikanten, insbesondere gegen deutsche Blaskapellen.
Von solchen produktiven wie bisweilen skurrilen Außenseitern, Visionären und Exzentrikern wird hier in 23 kurzen Einzelepisoden erzählt. Ein kurzweiliges Buch über die Frauen und Männer,
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Produktbeschreibung
Kaum ein menschliches Gebiet ist so reich an Anekdoten wie das der Wissenschaft. Da ist z.B. die Geschichte des Viktorianers Charles Babbage, der nicht nur einen der ersten Computer baute, sondern auch Schuhe erfand, mit denen man auf dem Wasser laufen konnte - um den physikalischen Kern der Bibel zu beweisen. Außerdem schrieb er Traktate gegen Straßenmusikanten, insbesondere gegen deutsche Blaskapellen.

Von solchen produktiven wie bisweilen skurrilen Außenseitern, Visionären und Exzentrikern wird hier in 23 kurzen Einzelepisoden erzählt. Ein kurzweiliges Buch über die Frauen und Männer, deren Virtuosität und "schräge Vernunft" uns und unser Wissen immer wieder in Bewegung brachte.
Autorenporträt
Elmar Schenkel, Essayist und Schriftsteller, ist Professor für Anglistik an der Universität Leipzig. Für seine erzählerischen Arbeiten wurde er u.a. mit dem Mackensen Preis für Kurzgeschichten sowie mit dem Literaturförderpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und mit dem Hermann-Hesse-Förderpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2005

Wie schön bunt das Personal leuchtet

Den Unterschied zwischen der gewöhnlichen und der wissenschaftlichen Neugier hat der französische Philosoph Gaston Bachelard einmal so gefaßt: Die erste will besichtigen, die zweite begreifen. Derselbe Unterschied gilt auch für Wissenschaftsgeschichten. Es gibt solche, die in der Chronik des Erkenntnisgewinns nach abenteuerlichen Forschungen, verkannten Genies, ihren Liebschaften und so weiter suchen. Andere treiben Wissenschaftsgeschichte hingegen, um zur wissenschaftlichen Bildung selber beizutragen. Für sie ist die Vergangenheit der Forschung eine Serie von Niederlagen des Irrationalismus oder die Zeit der ganz unwahrscheinlichen Durchsetzung dessen, womit wir es heute zu tun haben.

Der Leipziger Anglist Elmar Schenkel hat sich für die besichtigende Einstellung entschieden ("Die elektrische Himmelsleiter". Exzentriker in den Wissenschaften. Verlag C.H. Beck, München 2005. 175 S., br., 9,90 [Euro]). Seine gut zwanzig Porträts eigenartiger Forscher werten deren Leben unter erzählerischen Gesichtspunkten aus. Je unglaublicher darum ihre Biographien und Weltansichten waren, desto interessanter sind Schenkels Skizzen. Man könnte fast meinen, daß er sich Francis Galton ausgedacht hat, so verrückt wirkt der englische Allesvermesser aus dem neunzehnten Jahrhundert, der mit einer statistischen Überprüfung der Wirksamkeit von Gebeten berühmt wurde, die Identifikation durch Fingerabdrücke erfand und Aufsätze über das Kopfwachstum Cambridger Studenten sowie über Geisteskrankheiten bei Katzen und die Zahl der Pinselstriche auf Gemälden schrieb. Aber Schenkel hat ihn sowenig erfunden wie die Geschichte der Elfenforschung, in der Arthur Conan Doyle eine Rolle spielt, sowenig wie das traurige Schicksal des Freiherrn von Drais, des Forstmeisters ohne Wald, der über nichts nachdenken konnte, ohne daß ihm eine Verbesserung dazu einfiel, und sowenig wie die Versuche des jungen Strindberg, in einem Pariser Hotelzimmer Schwefel zu zerlegen. Nicht einmal Frederick de Selby, den spekulativen Physiker, der sein Verfahren zur Herstellung von äußerst schnell reifendem Whiskey nicht patentieren ließ, über die Verteilung von Schwarz und Weiß auf der Welt nachdachte und fast einmal mit James Joyce zusammengetroffen wäre, verdankt sich Schenkels Einbildungskraft.

Was den Autor also an der Wissenschaftsgeschichte interessiert, ist ihr buntes Personal. Daß vielen darunter kaum Erkenntnisse zugerechnet werden können, durch die die Wissenschaft vorangekommen ist, macht ihm darum nichts aus. Selbst bei denen, für die das Gegenteil gilt, wie Newton, erwärmt er sich weniger für ihre Forschung als für ihre Irrtümer und Kauzigkeiten. Dabei läßt Schenkel ab und zu auch selber ein paar Thesen springen, die man gerne näher ausgeführt sähe. Etwa: Ein guter Teil der Frauenemanzipation sei vom Fahrrad ausgelöst worden. Oder: Newtons Prophetie auf Grundlage der Abmessungen des Tempels Salomos habe für 1944 das Ende der Großen Judenverfolgung vorhergesagt, und "tatsächlich war das 1945 der Fall". Oder auch: Die Moderne stelle insgesamt eine Form von Exzentrizität dar. Na ja, was man nicht alles so sagt, wenn man sich viel unter Originalgenies herumgetrieben hat.

Folgenreicher ist, was der Autor über die Wissenschaft denkt. Denn was ist der roten Faden eines Buches, das die kluge und der Forschung ergebene Marie Curie samt der gepeinigten Intelligenz des Mathematikers Alan Turing zusammen mit vorkritischen Geistersehern wie Swedenborg und dem übergeschnappten Baseballspieler Alfred W. Lawson, der zu allem eine Meinung hatte, zwischen zwei Deckel sperrt? Es zu tun, fällt Schenkel leicht, weil er selber eine exzentrische Einstellung zum Erkenntnisgewinn pflegt. Die Wissenschaft, schreibt er, sei aus der Abwendung vom Alltäglichen entstanden. Das stimmt, und wenn man es dabei beläßt, passen Chemiker und Alchemiker bequem unter denselben bunten, unhistorischen Hut. Doch in eine Bibliothek oder ein Labor zu gehen, um sich auf den Stand der Forschung zu bringen, und 1894 in einem Hotelzimmer zu versuchen, aus Jod Benzin zu machen oder 1923 zu behaupten, alle Dinge bewegten sich in Zickzacklinien, sind doch ganz unterschiedliche Arten, sich vom Alltag abzuwenden. Manche der hier beschriebenen Exzentriker erschienen ihrer Umwelt so, weil sie sich noch nicht an forschende Einstellungen gewöhnt hatte. Viele aber haben sich nicht nur vom Alltag, sondern auch von dem abgewandt, was der Forschungsstand ihrer Zeit war. Um mit Bachelard zu sprechen, gehören sie nicht in die Geschichte der Chemie, sondern in die Geschichte der schlechten Chemieschüler.

Wenn Schenkel also schreibt, seit Frankensteins Zeiten experimentiere der Wissenschaftler in klosterhafter Isolation, dann zeigt das, was passiert, wenn man sich die Forschung von der schönen Literatur geben läßt. Denn ungefähr seit Frankensteins Zeiten wird Forschung im Gegenteil immer mehr ein Kollektivunternehmen, in dem der isolierte Amateur chancenlos bleibt, weil die Wissenschaft von kognitiven Gemeinschaften getragen wird, nicht von visionären Einzelgängern. Darum trägt die Exzentrik auch immer weniger zur Wissenschaft bei, die eben nicht dadurch schon ein Zweig der phantastischen Literatur ist, daß manche Geisteswissenschaftler keine Differentialgleichungen verstehen. Schenkels erklärte Absicht, am Exzentriker das Verhältnis von Kreativität und Wissenschaftlichkeit zu untersuchen, kann sich darum an den meisten seiner Figuren nicht verwirklichen. Denn dazu müßte er sich ganz den Forschern zuwenden, die nicht nur quergedacht haben, sondern auch richtig. Das würde dann zugegebenermaßen ein weniger unterhaltsames, aber der spezifisch wissenschaftlichen Phantasie näheres Buch.

JÜRGEN KAUBE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchaus amüsiert zeigt sich Jürgen Kaube von diesem Band mit gut zwanzig Porträts eigenartiger Forscher, den der Leipziger Anglist Elmar Schenkel vorlegt. Trotzdem scheint er nicht ganz glücklich mit dem Buch, in dem es von exzentrischen Wissenschaftlern nur so wimmelt. Seines Erachtens geht es Schenkel vor allem darum, buntes Personal zu besichtigen, und weniger darum, Wissenschaftsgeschichte zu begreifen. Je unglaublicher Biografien und Weltansichten der Porträtierten daher sind, desto interessanter erscheinen Kaube auch Schenkels Skizzen. Etwa die des englischen Allesvermessers aus dem neunzehnten Jahrhundert Francis Galtons, der mit einer statistischen Überprüfung der Wirksamkeit von Gebeten berühmt wurde, die Identifikation durch Fingerabdrücke erfand und Aufsätze über das Kopfwachstum Cambridger Studenten sowie über Geisteskrankheiten bei Katzen und die Zahl der Pinselstriche auf Gemälden schrieb. Allerdings gelingt es Schenkel nach Ansicht Kaubes nicht, seine Absicht zu verwirklichen, am Exzentriker das Verhältnis von Kreativität und Wissenschaftlichkeit zu untersuchen. "Dazu müsste er sich ganz den Forschern zuwenden, die nicht nur quergedacht haben, sondern auch richtig", findet der Rezensent. "Das würde dann zugegebenermaßen ein weniger unterhaltsames, aber der spezifisch wissenschaftlichen Fantasie näheres Buch."

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr