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Das Standardwerk über die Grenze. Die Gretchenfrage der DDR: Militärs, Militärhistoriker und Juristen behandeln in diesem Band alle wichtigen Aspekte des Themas. Erstmals seit dem Ende der DDR äußert sich hier die Führung der Grenztruppen.

Produktbeschreibung
Das Standardwerk über die Grenze. Die Gretchenfrage der DDR: Militärs, Militärhistoriker und Juristen behandeln in diesem Band alle wichtigen Aspekte des Themas. Erstmals seit dem Ende der DDR äußert sich hier die Führung der Grenztruppen.
Autorenporträt
Klaus-Dieter Baumgarten (1931 - 2008) war Zimmermann und zog 1949 Uniform an. Grenzpolizist im Harz, in den frühen 60er Jahren Besuch einer sowjetische Militärakademie, in den 70er Jahren die Generalstabsakademie der UdSSR. Danach Kommandeur des Grenzkommandos Süd. Von 1979 bis zum 28. Februar 1990 war er Chef der Grenztruppen der DDR und Stellvertretender Verteidigungsminister. Als Generaloberst a. D. wurde er zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, von denen er mehr als die Hälfte absaß.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2005

Honeckers Menschenjäger
Verantwortliche der DDR-Grenztruppen rechtfertigen sich

Klaus-Dieter Baumgarten/Peter Freitag (Herausgeber): Die Grenzen der DDR. Geschichte, Fakten, Hintergründe. Verlag Edition Ost, Berlin 2004. 448 Seiten, 19,90 [Euro].

Eine "authentische Darstellung des Schutzes der Staatsgrenze der DDR" versprechen die Herausgeber ihren Lesern am Anfang des Buches. Es soll "nachfolgenden Generationen - unseren Kindern und Enkeln - ein weitgehend wahrheitsgemäßes Bild vermitteln". Was folgt, sind dreiste Lügen, die alte Propaganda der SED und einige neue zynische "Erklärungen". Der 70 Jahre alte frühere Generalmajor Hans Werner Deim bekräftigt noch einmal: "Bei aller Tragik des Schicksals vieler unmittelbar betroffener Menschen leisteten die Grenzschutzorgane einen wichtigen Beitrag dazu, daß der Kalte Krieg in Europa zu keinem heißen wurde." Grenztruppen-Chef Klaus-Dieter Baumgarten, 73 Jahre alt, verweist darauf, daß die Splitterminen SM 70 an der DDR-Grenze "nur für jene eine Gefahr darstellten, die sich dieser Gefahr wissentlich aussetzten". Die Minensperren hätten vor allem das Eindringen westlicher Provokateure verhindern sollen.

Bei einem Besuch im Grenzregiment Heiligenstadt am 9. Februar 1982 gab Grenztruppen-Chef Baumgarten den versammelten Offizieren tatsächlich eine "authentische Darstellung", aus welcher Richtung der Feind komme: "Die bisherige Konstruktion des Grenzsignalzaunes und der Sperranlagen 501/701 wurde so gestaltet, daß für jeden sichtbar diese Anlagen ausschließlich gegen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gerichtet sind (freundseitige Abweisung beim Grenzsignalzaun und freundseitige Anbringung der Minen vom Typ SM-70 am Grenzzaun)."

Zu den "Schußwaffengebrauchsbestimmungen" an der Grenze ist von Klaus-Dieter Baumgarten zu lesen: "Die Angehörigen der Grenztruppen wurden dazu erzogen und ausgebildet, das wird durch die Praxis des Grenzdienstes bewiesen, mit Besonnenheit und Verantwortung entsprechend den Forderungen des Grenzgesetzes die Schußwaffe nur als letztes Mittel und unter strenger Beachtung der fixierten Einschränkungen einzusetzen." In der "Aufgabenstellung für das Ausbildungsjahr 1984/85" ordnete Generalleutnant Baumgarten zum "Feindbild" an: "Wirkungsvoller muß es uns gelingen, Abscheu und Haß gegenüber den imperialistischen Söldnern, allen antisozialistischen Elementen und ihren Helfershelfern zu erzeugen . . . Treffen mit dem ersten Schuß - das gilt auch für die tägliche Agitation." Am ersten Tag jenes Ausbildungsjahres wurde an der Mauer der zwanzigjährige Ost-Berliner Michael Schmidt erschossen, mit Dauerfeuer aus hundertfünfzig Metern Entfernung. Grenztruppen-Chef Baumgarten ließ den Todesschützen mit der "Medaille für vorbildlichen Grenzdienst" und einer Geldprämie auszeichnen. "Die Grenzer der DDR waren Mitgestalter eines Kapitels deutscher Geschichte, auf das sie stolz sein können", schreibt jetzt Buchautor Baumgarten. "In ihrem Selbstverständnis war die DDR ein Staat des Humanismus. Der Schutz des Lebens und die Achtung der Würde jedes Menschen standen im Mittelpunkt aller gesellschaftlichen Anstrengungen." Den Flüchtling Michael Schmidt hatten die Verantwortlichen etwa fünfzig Minuten ohne Erste Hilfe liegen lassen, bevor er in ein Krankenhaus abtransportiert wurde. Hätte man ihn früher ärztlich versorgt, wäre er nicht verblutet, urteilen Mediziner später.

Erich Buchholz, seit 1946 in der SED, in der DDR als Professor an der Ost-Berliner Humboldt-Universität Leiter des Bereichs Strafrecht, im vereinten Deutschland als zugelassener Rechtsanwalt Verteidiger in Prozessen wegen Tötungen von "Republikflüchtlingen", meint: "Tatsächlich haben die Grenzverletzer ihren Tod selbst verschuldet." Rechtsanwalt Buchholz, der die Urteile des Bundesgerichtshofs gegen Egon Krenz und Heinz Keßler als Rechtsbeugung bezeichnet, führt zur "Selbstverletzung und Selbsttötung" der "Grenzverletzer" näher aus, daß "die Verlegung bzw. das Anbringen von Minen an sich noch keine Tötung eines Menschen verursacht. Sie stellt allenfalls die Schaffung einer Gefahrenlage dar wie etwa Hochspannungsleitungen, Eisenbahnen und Autobahnen, wo entsprechende Markierungen und Eingrenzungen angebracht sind. Erst durch das rechtswidrige bewußte Betreten dieser gekennzeichneten und eingegrenzten Gebiete durch die Grenzverletzer riefen diese selbst eine akute Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens hervor." Im übrigen seien das keine politischen Flüchtlinge gewesen, sondern allenfalls "Wirtschaftsflüchtlinge". Bereits 1977 bescheinigte Buchholz in der maßgeblichen DDR-Rechtszeitschrift "Neue Justiz" (herausgegeben vom Justizministerium) den Angehörigen der Grenztruppen "rechtmäßiges Handeln", ja, "die Schußwaffengebrauchsvorschriften" der DDR stünden im Einklang mit dem Völkerrecht und dienten dem Schutz der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung.

Am Ende des Bandes schreibt Frank Osterloh, in der DDR Oberstleutnant des Staatssicherheitsdienstes, im vereinten Deutschland Verteidiger des Grenztruppen-Chefs Baumgarten und etlicher anderer Schreibtischtäter, über "weitere Aspekte des von BRD-Gerichten praktizierten Unrechts bei der Strafverfolgung von Hoheitsträgern der DDR". Osterloh, verstorben kurz vor dem Erscheinen des Buches "Die Grenzen der DDR", war beteiligt an Tausenden Verfahren gegen politische Gegner der SED-Diktatur.

Den "Hunderttausenden ehemaligen DDR-Bürgern, die im Verlaufe von über 40 Jahren ehrlichen Herzens dem Verfassungsauftrag ihres Staates nachkamen", formuliert Herausgeber Klaus-Dieter Baumgarten in seiner Vorbemerkung, "wollen wir die Gewißheit geben, einem grundlegenden gesellschaftlichen Interesse gedient zu haben und nicht einem System, das, wie heute immer wieder verleumderisch behauptet wird, höchstes kriminelles und staatliches Unrecht war." Für diesen Zweck eignet sich dieses Buch sicherlich hervorragend.

ROMAN GRAFE

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Keinerlei Verständnis zeigt Rezensent Roman Grafe für den von Klaus-Dieter Baumgarten und Peter Freitag herausgegeben Band "Die Grenzen der DDR. Geschichte, Fakten, Hintergründe". Wo die Herausgeber eine "authentische Darstellung des Schutzes der Staatsgrenze der DDR" und ein "wahrheitsgemäßes Bild" der Mauer versprechen, erblickt Grafe nur "dreiste Lügen, die alte Propaganda der SED und einige neue zynische 'Erklärungen'". Das belegt er mit ausführlichen Zitaten etwa von Grenztruppen-Chef Klaus-Dieter Baumgarten oder Generalmajor Hans Werner Deim. Zudem konfrontiert er "Honeckers Menschenjäger", die sich in dem Band ihrer Humanität rühmen, mit der Realität, wenn er zum Beispiel von der Erschießung des zwanzigjährigen Ost-Berliners Michael Schmidt berichtet. Insgesamt bietet der Band nach Ansicht Grafes einen unsäglichen Selbstrechtfertigungsversuch der Verantwortlichen der DDR-Grenztruppen.

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