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Engel sein ist nicht gerade leicht. Und vor allem gefährlich! Tizian kann ein Lied davon singen. Denn Marvin, sein Schutzbefohlener, jagt mit seinem roten Ford Mustang ins bergige Niemandsland, getrieben von Sehnsucht und der Hoffnung, ein Zuhause zu finden, das er nicht kennt. Heimat, das kann alles sein, eine Frau, ein Traum oder der Tod. Abgründig und abgefahren, witzig und schräg, Tim Staffels Roman ist Thriller, Roadstory, Märchen und Liebesgeschichte zugleich.

Produktbeschreibung
Engel sein ist nicht gerade leicht. Und vor allem gefährlich! Tizian kann ein Lied davon singen. Denn Marvin, sein Schutzbefohlener, jagt mit seinem roten Ford Mustang ins bergige Niemandsland, getrieben von Sehnsucht und der Hoffnung, ein Zuhause zu finden, das er nicht kennt. Heimat, das kann alles sein, eine Frau, ein Traum oder der Tod. Abgründig und abgefahren, witzig und schräg, Tim Staffels Roman ist Thriller, Roadstory, Märchen und Liebesgeschichte zugleich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2000

Nicht alles ist Fake
Tim Staffels Roman „Heimweh”
Das Timing könnte nicht perfekter sein: Bei einem dilettantischen und verzweifelten Banküberfall erleidet Marvin einen epileptischen Anfall; sein Schutzengel und Partner Tizian kann, weil sich alle um den Ohnmächtigen kümmern, mit dem dringend benötigten Geld abhauen. Nichts kann Marvin nachgewiesen werden, obwohl die Polizei eine Pistole in seiner Tasche gefunden hat. Doch nach einem Tag im Knast scheint es besser zu sein, Deutschland schnellstens zu verlassen. Um gefahrlos in ein namenloses Land zu kommen, das an das zerstörte Ex-Jugoslawien mit der dort hilflos agierenden internationalen Friedenstruppe erinnert, müssen die beiden ein Päckchen mit unbekanntem Inhalt über die Grenze schmuggeln. Und hiermit fängt der Schlamassel an, der ihr Leben auf immer zerstört und in einem blutigen Finale in Istanbul seinen Höhepunkt findet. Woran Cem nicht ganz unschuldig ist: der mysteriöse Waffendealer, der zunächst als rettender Engel auf der Bildfläche erscheint und sich obendrein in Marvin verliebt. Aber Schuld wäre eigentlich das falsche Wort in diesem schnellen und gleichzeitig gemächlichen Roman, den der Verlag mit allen Klischees bewirbt: „Tryptichon und Thriller, Roadstory und Märchen, Abgesang auf die irdische Welt. . .” Das Buch hat all diese Attribute gar nicht nötig.
„Ich sitze hier mit diesen drei Menschen am Tisch, die alles um mich herum durcheinander zerstört haben, weil sie mir alles bedeuten. Ich sitze mitten in den Spuren ihrer Anwesenheit, trinke Tee mit ihnen und freue mich darüber, freue mich, dass sie da sind. So fühlt sich das also an. Ich weiß nicht, ob mir das weiterhilft. Vielleicht bin ich schon zu nah dran. Vielleicht kann ich gar nicht mehr zurück. ” Nicht umsonst hat der Berliner Autor Tim Staffel seinen neuen Roman Heimweh genannt, es ist dieses Heimweh, das nicht an einen Ort gebunden ist, sondern an Personen, die man liebt, auch wenn man eines mit Sicherheit weiß: Sie werden nichts als Unglück bringen, das Leben zerstören und sich selbst und andere in Lebensgefahr bringen. Und dennoch muss man immer wieder zu ihnen zurück, obwohl man gar nicht so genau weiß, warum.
Was wirklich wichtig ist
In kurzen, stakkatoähnlichen Sätzen und Dialogen, die in ihrer Härte, aber auch in ihrer Sentimentalität und dem Festhalten an Werten wie Freundschaft und Liebe an Rap-Songs erinnern, lässt Staffel die unselige Geschichte aus drei Perspektiven erzählen – von den Hauptpersonen, die schließlich nichts anderes mehr tun, als voll gedröhnt und hilflos herumhängen und der Unaufhaltsamkeit der Geschehnisse entgegen zu blicken. „Wider besseren Wissens gehe ich an Orte, an denen ich nicht sein sollte. Und deshalb werde ich verlieren, was auch immer. ”
Dieses Motto, das Tizians Kapitel einleitet, scheint kennzeichnend für alle Beteiligten zu sein. Und doch liegt gerade darin ein sympathisches Verhalten, mit dem man sich auf der Stelle identifizieren kann und das sich fundamental vom gängigen Mainstream menschlicher Wünsche und Zukunftsplanung unterscheidet. Man kann es sich zunächst nicht vorstellen, aber es funktioniert in Staffels Roman: Obwohl er in vielen Details eher an Splatter-Filme erinnert, in denen das Blut nur so spritzt und eine brutale Szene der anderen folgt, rührt seine Geschichte doch an, steckt etwas in den kurzen Dialogen und Reflexionen, das einen nicht loslässt und immer auf das stößt, was wirklich wichtig ist im Leben: Freundschaft und Liebe. Nur diese beide Dinge bringen einen dazu, immer wieder dieselben Fehler zu machen oder sehenden Auges ins Unglück zu rennen. Vielleicht aber ist das bedingungslose Festhalten an Menschen die einzige Rettung, wenn man zu der Erkenntnis gelangt ist, dass „wir keine Geschichte haben; alles ist gefaked von anderen Lebensformen, die ihr Spiel mit uns spielen und uns glauben lassen, dass das in einem Zivilisationsprozess gewachsen ist. Alles Wahn und Manipulation. Von wegen Evolution. ”
ELKE SCHUBERT
TIM STAFFEL: Heimweh. Verlag Volk & Welt. Berlin 2000. 257 Seiten. 32 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2000

Aufrücken
Tim Staffel hat Heimweh · Von Eberhard Rathgeb

Schnee fällt auf Männer. Sie stehen im Wald. Einer steht in der Mitte, die anderen vier um ihn herum. Einer reißt einen Lappen in Streifen. Ein anderer tränkt die Streifen mit Benzin und wickelt sie dem in der Mitte um den Kopf. Ein Dritter holt ein Feuerzeug hervor und hält die Flamme dran. Der Kopf brennt. Der in der Mitte steht, wird mit verstümmeltem Gesicht überleben. Mit dieser Szene endet Tim Staffels Roman "Heimweh".

Der erste Roman Tim Staffels, "Terrordrom", erschien vor zwei Jahren. Frost überzog damals Berlin, die Röhren der Kanalisation waren aufgeplatzt und Schneemassen türmten sich auf den Bürgersteigen. In dieser hauptstädtischen Eiszeit kämpfte man ums Überleben, kursierten mit einem "V" unterschriebene Drohbriefe. Rasch wechselten in dieser Geschichte die Szenen. Schließlich wurde die Mitte Berlins in ein Terrordrom verwandelt, wo der Krieg ein Spiel in Grenzen war, aber bis zur Vernichtung des anderen ging. "Das Schönste am Krieg ist die Rückkehr. Heimat. Der Ort, an dem noch niemand gewesen ist", heißt es in einem der letzten Manifeste von "V". Zwei aber nahmen Reißaus. Sie kauften sich einen Ford Mustang und fuhren los.

Der neue Roman beginnt mit einem Überfall. Zwei junge Männer rauben eine Bank aus. Sie haben ein Ziel vor Augen: "Heimat. Der Ort, an dem noch niemand gewesen ist." Sie bekommen das Geld, aber sie müssen vor der Polizei fliehen. Sie sitzen in einem Ford Mustang, schauen auf die Straße oder in den Himmel, nehmen Drogen. Tizian und Marvin heißen die beiden, und Cem, dem das Gesicht weggebrannt wird, stößt schließlich zu ihnen.

Auch im neuen Roman Tim Staffels tobt die Gewalt. Männer sind entweder Freunde auf Abruf, die mal das Bett miteinander teilen, oder Feinde, bis der Tod sie scheidet. Mit einem Handkantenschlag treibt man ein Nasenbein ins Gehirn. Mit einem Butterflymesser versucht man, eine Hand abzuschneiden. Einem bricht man das Genick. Andere werden vergewaltigt. Die Gegenwart schrumpft auf Standardsituationen zusammen, auf Verteidigung und Angriff. Dazwischen taucht man ab, raucht, trinkt.

Tim Staffel erzählt die Geschichte von Tizian, Marvin und Cem aus wechselnden Perspektiven. Was passiert? Tizian und Marvin landen mit ihrem Ford Mustang in einem von marodierenden Blauhelmsoldaten unsicher gemachten Grenzgebiet. Dort taucht Cem aus dem Nichts auf. Cem schmuggelt Waffen. Er setzt sich in den Ford Mustung zu Marvin und Tizian und fährt mit den beiden mit. Tizian entschließt sich eines Tages, nach Berlin zurückzugehen. Er vermisst seine Freundin. Doch die Freundin ist weg. Dafür findet er in einer Mülltonne Fotos und Aufzeichnungen eines türkischen Mädchens. Und es ist eine Liebe auf den ersten Blick. Beim zweiten Nachfragen bekommt er heraus, dass sie von ihren Freunden in die Türkei geschickt wurde, weil sie in einen Mord aus Notwehr verstrickt ist. Also packt Tizian seine Sachen. Das Mädchen findet er dort nicht, aber er findet Cem, Marvin und seine Berliner Freundin. Schließlich, nach einem Mord aus Notwehr an einem Waffenschmuggler, trennen sich die vier Helden der Straße, Tizian und seine Freundin fahren zurück nach Berlin, Marvin und sein Schutzengel Cem bleiben, wo sie sind.

Die Geschichte ist im vierten Gang geschrieben und so spannend wie die meisten Geschichten, in denen sich Freund und Feind mit grimmigem Blick und bösen Absichten gegenüberstehen und einer von beiden auf der Strecke zu bleiben droht. Wechselt man Worte statt handgreiflicher Gemeinheiten, dann macht man ebenfalls nicht viele Umstände. Die Helden sind wortkarg und alles in allem hart im Nehmen. Die Wirklichkeit hat es offenbar nicht anders verdient. Eine neue Poesie des Schlagabtauschs, die sich hier meldet, hat die alte Poesie der Seelenverwehungen abgelöst.

Was in "Heimweh" erzählt wird, das könnte auch in bunten Bildern gezeigt werden. Es sieht hier ganz so aus, als läge der Film, wenn es um das spannende Erzählen geht, um Nasenlängen vorn und als gäbe Tim Staffel nun mächtig Gas, um diesen Vorsprung vor dem Roman, der auf der Standspur der Befindlichkeiten ausrollt, aufzuholen. Die Sätze sind fuchtelnde Handkantenschläge und der Sound hämmert harte Rhythmen. Irgendwann ist aber Schluss mit der Ballerei und Balgerei, die Helden liegen am Boden oder sind müde. Doch es wird, ob mit oder ohne Ford Mustang, weitergehen. Die Herzen in der Großstadt sind wild auf wilde Vorabendserien.

Tim Staffels Terrordrom des Erzählens kann Auskunft geben, Auskunft über eine fatale Gefühlslage, die im Berliner Frieden immer wieder zu einem so genannten wirklich harten Jungen schrumpft, der mit seinen Muskeln spielt, dabei "cool" im Kino sitzt und sich dort vom Schrecken in Zelluloid die Zeit vertreiben lässt. Der echte Krieg, der weiterhin große Teile der Welt heimsucht, kommt in dieser flimmernden Vorstellung nicht vor und bleibt doch der wahre Fluchtpunkt des Fürchtens. Der Krieg, so könnte man also schließen, wäre für diese Befindlichkeit, für diese Fantasie "der Ort, an dem noch niemand gewesen ist": Heimat. Ein Niemandsland, in dem es nur noch eindeutige und übersichtliche Verhältnisse gibt, hier die Verbündeten und dort die Feinde, entweder Allianzen oder Kämpfe.

Tim Staffel: "Heimweh". Roman. Verlag Volk & Welt, Berlin 2000. 237 S., geb., 32,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

An Rap-Songs erinnert die Rezensentin Elke Schubert die Stakkato-Prosa Tim Staffels, auch an die Blutorgien in Splatterfilmen muss sie denken, aber dennoch - und darum staunt sie so über das Buch - findet sie Staffels Geschichte um Bankräuber, Epilepsie, Flucht und schwule Waffendealer doch "anrührend". In Wirklichkeit gehe es um die altbekannten Themen: "Freundschaft und Liebe".

© Perlentaucher Medien GmbH