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Lenka Reinerova, die letzte deutschsprachige Autorin Prags, hat in ihrem Leben viele dramatische Situationen erlebt. Wie oft hat sie warten müssen, daß Türen sich öffneten oder Nachrichten eintrafen. Doch gerade sie beschreibt das Warten als ein großes Abenteuer des Lebens. Warten ist ein ganz besonderer Zustand, der uns von unserer ersten Stunde an begleitet, der banal sein kann oder außerordentlich, ein Alpdruck oder ein aus Sehnsucht gesponnener Traum, schreibt Lenka Reinerova und erinnert sich an Situationen, die von freudiger oder böser Erwartung bestimmt waren. Sie erzählt vom Warten auf…mehr

Produktbeschreibung
Lenka Reinerova, die letzte deutschsprachige Autorin Prags, hat in ihrem Leben viele dramatische Situationen erlebt. Wie oft hat sie warten müssen, daß Türen sich öffneten oder Nachrichten eintrafen. Doch gerade sie beschreibt das Warten als ein großes Abenteuer des Lebens. Warten ist ein ganz besonderer Zustand, der uns von unserer ersten Stunde an begleitet, der banal sein kann oder außerordentlich, ein Alpdruck oder ein aus Sehnsucht gesponnener Traum, schreibt Lenka Reinerova und erinnert sich an Situationen, die von freudiger oder böser Erwartung bestimmt waren. Sie erzählt vom Warten auf die Geburt ihrer Tochter im zerstörten Belgrad, auf ihre exotische Trauung in Mexiko, auf eine Hinrichtung, der Egon Erwin Kisch mit ihr im Pariser Exil beiwohnen wollte. An welche Geduldsproben, Hoffnungen und Überraschungen sie auch zurückdenkt - noch immer ist Lenka Reinerova fasziniert davon, daß in jeder solcher quälenden oder kostbaren Minuten neue Anfänge auf uns warten.
Autorenporträt
Lenka Reinerová, geb. 1916 in Prag, arbeitete seit 1936 als Journalistin für die 'Arbeiter-Illustrierte-Zeitung'. 1939 floh sie nach Frankreich, wo sie wie viele Emigranten interniert wurde. Über Marokko entkam sie nach Mexiko. Nach Kriegsende kehrte sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Arzt Theodor Balk, nach Europa zurück, lebte einige Jahre in Belgrad und seit 1948 wieder in Prag. Anfang der fünfziger Jahre wurde sie ein Opfer der stalinistischen Säuberungen, verbrachte fünfzehn Monate in Untersuchungshaft, wurde danach mit ihrer Familie in die Provinz abgeschoben und erst 1964 rehabilitiert. Nach dem Ende des Prager Frühlings erhielt sie ein Schreibverbot, wurde aus der Partei ausgeschlossen und verlor ihre Arbeit in einem Verlag. 2006 erhielt Lenka Reinerová das Große Bundesverdienstkreuz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2008

Lob der Warteschleife
Lenka Reinerová findet Glück im Schlangestehen

Zum Leitgedanken ihrer Lebenserinnerungen, die sie in ihrem Buch "Das Geheimnis der nächsten Minuten" entfaltet, macht die tschechische Schriftstellerin und Journalistin Lenka Reinerová, die letzte lebende Vertreterin der einst blühenden Deutschprager Literatur, das Warten. Es könnte auch die Ankunft sein, das Angekommensein nach einem widrigen und wechselhaften Leben, nach Exil, Internierung und Gefängnis, das ihr die jahrzehntelange Flucht vor politischer Verfolgung aufbürdete.

Reinerová ist mittlerweile, nachdem sie sich mutig und wendig nationalsozialistischer genauso wie kommunistischer Schikane entzogen hatte, arriviert und sesshaft geworden. Ihre Heimatstadt Prag hat sie zur Ehrenbürgerin ernannt, im Deutschen Bundestag findet heute eine Feierstunde zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus statt, bei der eine Rede der gesundheitlich verhinderten Reinerová verlesen wird, den Opfern zu Ehren. Aber im Rückblick ist es für sie die Ungewissheit des Wartens, die ihren Lebenslauf prägte. Reinerová exerziert dieses Motiv mit großer Beharrlichkeit durch.

Warten sei unproduktiv, sagte noch ihr Trauzeuge Egon Erwin Kisch, als sie in Mexiko, in einem bürokratischen Akt fern aller üblichen Rituale, auf ihre Hochzeit wartete. Warten ist hochproduktiv, hält Reinerová dem entgegen, denn es stiftet unerwartete Begegnungen zwischen Menschen, die einander sonst fern blieben, sofern beide Seiten gewillt sind, sich darauf einzulassen.

Reinerová ist dies in außerordentlich großem Maß, und es fehlt in ihrem Leben nicht an Situationen, die diese private Verbindlichkeit trotz oder wegen widriger Umstände geschaffen hätten: Warten im Krankenhaus auf die Geburt ihres Kindes, Warten auf die Essensration in den Gefangenenlagern, Warten in den Schlangen der sozialistischen Mangelwirtschaft. Es geht ihr dabei nicht um das Erwarten einer Sache, die mit Ungeduld verbrachten und als unnütz empfundenen Stunden des Aufschubs vor der Ankunft an einem Ziel, sondern um das Warten als Selbstzweck, das uns unbeabsichtigten Begegnungen öffnet.

Trotz wiederholten Anlaufs gewinnt sie aus ihrer permanenten Wartesituation keine tiefere Einsicht und keinen weiterführenden Gedanken, sondern lediglich den Anlass zu einer Vielzahl von Anekdoten ohne Pointen. Auch wo sie offensichtlich darauf abzielt, neigt sie nicht zur philosophischen Synthese und bleibt dicht an den Ereignissen. Mitungter überrascht die sprachliche Sorglosigkeit, mit der sie etwa über die Geburt eines neuen Kindes berichtet, eines "funkelnagelneuen Lebewesens", wie sie es nennt.

Der Diskurs ihres Lebens hätte sich in einer linearen Erzählweise vermutlich dichter erschlossen, denn die Ereignisse hätten ja nur erzählt, ihre Biographie nur ins Licht großer tektonischer Verschiebungen im Politischen und Ideologischen gestellt werden müssen, um über das Anekdotische hinauszugehen: 1916 in Prag geboren, arbeitete Lenka Reinerová seit 1936 als Journalistin für die "Arbeiter-Illustrierte-Zeitung". Sie floh, als die Nationalsozialisten ihre Heimat zum Protektorat Böhmen-Mähren machten, nach Frankreich und schließlich Mexiko. Erst nach Kriegsende kehrte sie nach Prag zurück, um nun den Schikanen von kommunistischer Seite zum Opfer zu fallen. Im Jahr 1952 wurde sie im Zuge der stalinistischen Säuberungen fünfzehn Monate in Untersuchungshaft festgehalten, danach wurde sie mit ihrer Familie in die Provinz abgeschoben, erhielt Publikationsverbot und verlor ihre Arbeit bei einem Verlag. Erst 1964 wurde sie rehabilitiert. Doch Reinerová wollte keine Autobiographie schreiben (das hat sie bereits in früheren Büchern getan), sondern den Stoff ihres Lebens um ein Motiv herum neu gruppieren.

Der private Ton der Versöhnlichkeit, den sie anschlägt, wirft alles ideologisch Schattenhafte ab und degradiert es zur Nebensache, vielleicht um das Persönliche nicht vom Politischen vereinnahmen zu lassen, vielleicht jedoch auch nur aus einer erinnerungsseligen Erzählfreude heraus. "Ich wurde geboren, lebte und starb", sagte der Philosoph Martin Heidegger, als man ihn fragte, was er von seinem Leben für berichtenswert hielte. Lenka Reinerová würde es vermutlich anders sehen.

THOMAS THIEL

Lenka Reinerová: "Das Geheimnis der nächsten Minuten". Aufbau-Verlag, Berlin 2007. 124 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Keine Autobiografie, sondern Erinnerungen an zufällige Begegnungen während des Wartens hat die tschechische Schriftstellerin und Journalisten Lenka Reinerova hier zu Papier gebracht, schreibt Rezensent Thomas Thiel. Und gewartet hat Reinerova offenbar viel: im Krankenhaus auf die Geburt ihres Kindes, in Mexiko - wohin sie vor den Nazis geflüchtet war - auf das Ende des Exils, in einem tschechischen Gefängnis während der stalinistischen Säuberungen auf ihre Entlassung oder einfach nur in den Schlangen vor den Geschäften. Thiel kann diesen Erinnerungen allerdings nicht viel abgewinnen. Weder philosophische noch politische Einsichten findet er, nur "Anekdoten ohne Pointe" und eine gewisse "sprachliche Sorglosigkeit".

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"Das kleine, bescheidene Buch einer großen Frau." Radio Bremen