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Am Ende seines Lebens begann Klaus Schlesinger einen seiner leichtesten, lebensfrohesten Romane. Er hat neunzig jener ausgefeilten Seiten hinterlassen, wie nur er sie schreiben konnte, und aus denen man das Geheimnis um die Seele der Männer bereits erahnen kann. Es ist die Geschichte von Brehm, der noch kein Mann ist, obgleich er manchmal so tut. Besonders, wenn es um Frauen geht, setzt er seinen lässigsten Tonfall ein und sagt, er könne an jedem Finger zehn haben. Aber woher wisse man, welche die richtige ist? Die mehr oder weniger praktischen Ratschläge seiner Kumpel und Kollegen helfen ihm…mehr

Produktbeschreibung
Am Ende seines Lebens begann Klaus Schlesinger einen seiner leichtesten, lebensfrohesten Romane. Er hat neunzig jener ausgefeilten Seiten hinterlassen, wie nur er sie schreiben konnte, und aus denen man das Geheimnis um die Seele der Männer bereits erahnen kann.
Es ist die Geschichte von Brehm, der noch kein Mann ist, obgleich er manchmal so tut. Besonders, wenn es um Frauen geht, setzt er seinen lässigsten Tonfall ein und sagt, er könne an jedem Finger zehn haben. Aber woher wisse man, welche die richtige ist? Die mehr oder weniger praktischen Ratschläge seiner Kumpel und Kollegen helfen ihm bei diesem Problem so wenig wie bei manchem andern. Denn auch der Umgang mit Männern ist nicht leicht, wer nimmt schon einen Lehrling ernst. Trotzdem gibt sich Brehm, der von der Oberschule geflogen war, weil man ihn mit Marshallplan-Broschüren erwischt hatte, in seinem weißen Laborantenkittel locker und ein bißchen wichtigtuerisch. Immerhin hat er Aussicht, die Tochter eines Ladenbesitzers aus dem Westen zu heiraten. Beim Betriebsfest aber weiß er plötzlich von selbst, welche wirklich die richtige wäre.
Neben diesen ironischen, leicht melancholischen Rückblick auf eine Jugend zwischen Ost und West in den fünfziger Jahren werden in diesem Band die Erzählungen Klaus Schlesingers gestellt - so daß sich der Bogen von der ersten Erzählung "David" bis zum letzten Manuskript "Die Seele der Männer" spannt.
Autorenporträt
Klaus Schlesinger, 1937 in Berlin geboren, war Chemielaborant und bis 1969 Journalist. 1979 aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen, 1980 nach Westberlin übergesiedelt. Er starb am 11. Mai 2001 in Berlin. Wichtigste Werke: Michael (Roman, 1971); Alte Filme. Eine Berliner Geschichte (1976); Berliner Traum. Fünf Geschichten (1977); Leben im Winter (Erzählung, 1980); Matulla und Busch (1984); Fliegender Wechsel. Eine persönliche Chronik (1990); Die Sache mit Randow (Roman, 1996); Von der Schwierigkeit, Westler zu werden (1998); Trug (Roman, 2000).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Um "Sozialismus, Schrullen und Liebe" geht es nach Ansicht von Roman Luckscheiter in Klaus Schlesingers Band "Die Seele der Männer", der Erzählungen, ein Romanfragment und ein Gespräch des 1979 aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossenen und in die BRD übersiedelten, vor drei Jahren verstorbenen Schriftstellers versammelt. Schlesingers Erzählungen handeln von den gewaltsamen Absurditäten der deutschen Geschichte und verknüpfen private Trennungs- mit politischen Teilungserfahrungen, kindliche Sehnsüchte mit den herben Enttäuschungen des Erwachsenwerdens, schreibt Luckscheiter. In seinem nachgelassenen Romanfragment "Die Seele der Männer" karikiere Schlesinger ganz offen die "staatlichen Sinnangebote", mit denen die einfachen Menschen nicht viel anfangen können. Hier setze Schlesinger der "Politik des Arrangements" einfach "die Willkür der Liebe" entgegen. Denn wenigstens die, so Luckscheiter, "duldet keine Widersprüche".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.2003

Die Haut der Frauen ist ihre Seele
Offene Anträge, geheime Sehnsüchte: In seinen Erzählungen schildert Klaus Schlesinger das Glück zaghafter Berührungen

Gegen Ende seines Lebens kam der Schriftsteller Klaus Schlesinger wieder auf seine frühen Zeiten zurück: 1951 hatte er in einem Kunststoffbetrieb der DDR eine Ausbildung zum Chemielaboranten begonnen, im Fernstudium, über den zweiten Bildungsweg, Chemie studiert, war verschiedene Male "richtig rausgeschmissen worden, weil ich immer Probleme mit der Hierarchie" hatte, vor allem wenn die "ihre Macht nur aufgrund der Funktion, die sie innehatte, ausübte".

Dann, 1960, mit dreiundzwanzig Jahren, veröffentlichte die Zeitschrift des DDR-Schriftstellerverbandes, die "neue deutsche literatur" (ndl), seine erste Erzählung, "David": Ein jüdischer Kinderkurier aus dem Warschauer Ghetto wird von den Nationalsozialisten geschnappt, erst von einem brutalen, dann von einem "netten" Nazi verhört - und dem verrät er seine Leute. Eine zeittypische Geschichte, schnörkellos erzählt, nicht dem literarischen Weg, sondern seinem Ende, dem Plot geschuldet.

Diese Geschichte ist nun wieder zu lesen in einem nachgelassenen Band mit allen Erzählungen Schlesingers, der unter dem Titel "Die Seele der Männer" erschienen ist. So sollte auch der Roman heißen, den Klaus Schlesinger nach seinem Roman "Trug" begonnen hatte. Doch der Schriftsteller starb am 11. Mai 2001, und der Roman blieb Fragment - immerhin hat er noch an die neunzig Seiten, fünf ausgeschriebene Kapitel und ein knapp umrissenes, geschrieben; es sind mit die schönsten Seiten von seiner Hand.

Darin erzählt er die Geschichte des siebzehnjährigen Chemielaboranten Brehm im Jahre 1954 oder 1955, jedenfalls bald nach dem 17. Juni 1953, kurz als "der Aufstand" memoriert. Vergleicht man, was Schlesinger in einem Gespräch am Ende dieses Buches über sich selbst erzählt, mit dem, was er über Brehm in seinem Romanfragment hinterlassen hat, dann muß man auf markante autobiographische Anteile schließen.

Vielleicht deshalb wirkt auch das Zeitkolorit in diesem Stückchen so authentisch, wenngleich er womöglich den Realismus ein wenig mit dem nostalgischen Pastellstift getönt hat: die zwanglose Stimmung im Betrieb, die nahezu unpolitischen, in ihrem privaten Grund ruhenden Figuren - das ist so widerspruchsfrei, wie man sich es kaum denken kann; doch dies eben ist ja erst die Exposition, und gewisse angedeutete Verhältnisse könnten sich da durchaus später zu Sprengsätzen entwickelt haben.

Freilich ist die Gesellschaftsdebatte nicht Schlesingers Hauptthema. Schon der Titel verrät es: "Die Seele der Männer" steht hier im Zentrum des schriftstellerischen Begehrens, ihre geheimen Sehnsüchte und offenen Anträge, ihre Suche nach dem komplementären Pendant. Und das sei, wie ein Vorspruch zum Fragment erläutert, die Haut der Frauen - sie sei ihre Seele. So habe es Schlesinger selbst noch gesagt, durch den Mund eines Kollegen seines jungen Alter ego Brehm (dessen Vorname im vorhandenen Text nicht genannt wird).

Jedenfalls sind die zaghaften Hautberührungen in diesem Stückchen auch die Signale einer noch sexfreien Öffentlichkeit oder, wenn man es anders formulieren will: die Zeichen für die typische sexuelle Verklemmtheit der fünfziger Jahre, in der DDR ebenso wie im westlichen Teil des Landes.

Aber Klaus Schlesinger erzählt diese - vielleicht nur scheinbaren, in Wirklichkeit ganz verständlichen - Verklemmungen so milde, ja so zärtlich, daß man sich fast nostalgisch danach sehnt. Und welches Erzählklima er damit erzeugt, sei im Zitat des letzten Satzes belegt, den Klaus Schlesinger da geschrieben hat in seinem viel zu kurzen Leben: "Sie stand, die Stirn an die Scheibe gelehnt, hinter der Tür des zweiten Wagens, mit ernster Miene und, wie Brehm fand, unendlich müden Augen, aber als sich ihre Blicke trafen, fiel auf ihr Gesicht ein so froher Ausdruck, ein so glückliches, durch keine anmutige Handbewegung verdecktes Lächeln, daß Brehm, der nur ganz nebenbei, wenn auch überrascht, den Schatten einer lückenhaften Vorderzahnreihe registrierte, vor Glück fast vergessen hätte einzusteigen."

Klaus Schlesinger: "Die Seele der Männer". Die Erzählungen. Aufbau-Verlag, Berlin 2003. 367 S., geb., 17,90 [Euro].

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