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Karen, seit zwei Jahren Witwe, hat sich schon fast daran gewöhnt, mit ihrer Tochter Daniela und ihrer Ziehtochter Detti allein zurechtzukommen, als Carlos in ihr Leben tritt und alles anders wird ...
In Ungarn gelangte dieser Roman schnell auf die Bestsellerlisten: Agnes Gergelys große Liebesgeschichte Die Unbehüteten . Es ist die Geschichte der Schriftstellerin und Übersetzerin Karen, die ein bisschen auch ihre eigene ist. Karen, um die Vierzig, lebt seit einigen Jahren allein mit ihrer Tochter Daniela in Budapest. Auch Detti gehört bald zur Familie, deren Eltern bei einem Verkehrsunfall…mehr

Produktbeschreibung
Karen, seit zwei Jahren Witwe, hat sich schon fast daran gewöhnt, mit ihrer Tochter Daniela und ihrer Ziehtochter Detti allein zurechtzukommen, als Carlos in ihr Leben tritt und alles anders wird ...
In Ungarn gelangte dieser Roman schnell auf die Bestsellerlisten: Agnes Gergelys große Liebesgeschichte Die Unbehüteten. Es ist die Geschichte der Schriftstellerin und Übersetzerin Karen, die ein bisschen auch ihre eigene ist. Karen, um die Vierzig, lebt seit einigen Jahren allein mit ihrer Tochter Daniela in Budapest. Auch Detti gehört bald zur Familie, deren Eltern bei einem Verkehrsunfall umgekommen sind. Wie ein Wunder erscheint es Karen, als der Filmregisseur Carlos in ihr Leben tritt und alles anders wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2003

Republikflucht in der Badewanne
Mehr Meer: Agnes Gergelys Parabel auf den Spätsozialismus

Die eingeschränkte Reisefreiheit im real existierenden Sozialismus begünstigte eine andere Form der Fortbewegung: den virtuellen Tourismus vor der Erfindung des Internets. Die Sehnsucht nach dem westeuropäischen Draußen stillte man mit Bildbänden und Kunstführern. Man erlas sich Rom und Paris, das Fachsimpeln über die Altarbilder einer jeden Kirche in Venedig war Ersatzabenteuer und Bekenntnis zur gedanklichen Reisefreiheit zugleich. Mit trotzigem Bildungsstolz blickte man nicht selten auf die kapitalistischen Unbrüder, die blindlings reisten. Da man aber bekanntlich nur sieht, was man weiß, war der eingebildete Osttourist theoretisch weitgereister als der real existierende Westtourist mit bloßem Auge.

"Die Unbehüteten", der neue Roman von Agnes Gergely, handelt vom Segen und Fluch der Reisebeschränkungen im spätsozialistischen Ungarn, vor allem aber von Todesschatten, Wasserträumen, und einem zwischen den Polen der Erinnerung und Hoffnung schwankenden Leben. Die Übersetzerin und Schriftstellerin Karen Pásztor lebt als junge Witwe mit ihrer kleinen Tochter Daniela und der etwas älteren Bernadette, die sie nach dem Unfalltod ihrer Eltern zu sich genommen hat, in Budapest. Karen darf zu einer Dichterlesung nach Stockholm ausreisen, liest an der Stadt am Meer vom Verlangen nach Wasser und wird, als sie das Rednerpodium verläßt, von einem Unbekannten am Ärmel festgehalten, dessen elementarer Satz zum Leitspruch einer unerfüllten Liebe wird: "Ich bin durstig."

Die Sehnsüchte der Wasserfrau und des lebensdürstenden Carlos, eines jüdischen Filmregisseurs deutsch-dänischer Abstammung, sind vorgezeichnet: Nichts wünschen sich die beiden mehr, die sich nicht von ungefähr "out of the blue" getroffen haben, als gemeinsam nach Venedig zu reisen. Doch es tauchen immer neue Hindernisse auf. Die Stiefschwestern Daniela und Bernadette halten den Schatten des toten Vaters lebendig, das Hochzeitsgesuch wird von den ungarischen Behörden abgelehnt, und als Carlos Budapest verlassen muß, um sich um ein behindertes Kind aus der Verwandtschaft zu kümmern, werden die Kontakte spärlicher und zugleich die Hoffnung emphatischer. Mehrere Male gelingt es Karen, für Reportagen über die skandinavischen Widerstandsbewegungen während des Zweiten Weltkrieges auf der Suche nach Carlos auszureisen, aber immer verpassen sie sich.

Agnes Gergely, 1933 in einer jüdischen Familie in Budapest geboren, ist in Ungarn seit den achtziger Jahren als Publizistin, Übersetzerin, Lyrikerin und Erzählerin bekannt, gelangte dort mit dem vorliegenden Roman schnell auf die Bestsellerlisten und erhielt vor zwei Jahren den Kossuth-Preis, die höchste ungarische Staatsauszeichnung. Aus ihrem vielfältigen Werk liegt bisher nur "Die Dolmetscherin" (1983) auf deutsch vor.

Wie ihre Figur Karen ist die Autorin Meisterin einer literarischen Gesteinskunde, die die Einschließungen des kollektiven kulturellen Gedächtnisses aus der individuellen Erinnerung herauspräpariert. Dem entspricht auch die Sympathie für das Genre der  Reportage, die ihr "Tagebuchbericht aus dem Norden", ein "Triptychon" über den dänischen und norwegischen Widerstand und die schwedische Neutralität während des Zweiten Weltkrieges, erkennen läßt. Man könnte fast sagen, daß es Karen Pásztor und Agnes Gergely gemeinsam verfaßt haben.

Gergelys Roman ist poetisch im elementarsten Sinne. Und das nicht nur, weil viele Ereignisse durch die kindheitsweisen Gedichte der kleinen wortwendigen Daniela kommentiert werden, sondern weil Wortbedeutungen durch ständige Wiederholung mit Variation in Text und Kontext semantisches Fleisch ansetzen. Die Erzählung verdichtet sich zu einem Gewebe von Signaturen, durch das der blaue Faden des "Meeres" gewirkt ist: die Sehnsucht nach Fjorden und Wasserstädten, nach "der Sicherheit eines schmalen Untergrunds", das venezianische Dominikanerkloster Santa Maria Gloriosa dei Frari als Grußformel in Carlos' Briefen, das mit dem Grabmal Tizians und seiner "Assunta" die platonische Idee von "Bläue" schlechthin beherbergt.

Karen ist eine "Frau vom Meer" à la Ibsen, die allerdings nicht zwischen dem ungestümen meeresdurstigen Seemann und dem beruhigend bürgerlichen Arzt zu wählen hat, sondern zwischen der Verzweiflung an Tod, Krankheit, unmöglicher Liebe und der Tröstung durch lebendige Erinnerung - "gemeinsame Geschichte ist der beste Schutz", heißt es einmal. In Gergelys Roman liebt Gott die, die wie Daniela mit Kant und Schopenhauer lesen lernen, selbst in der Badewanne noch lateinisch zählen oder wie Bernadette bereits im Schulalter als Pianisten am Konservatorium studieren, und nimmt sie früh zu sich. So ist vieles der "gemeinsamen Geschichte" der unmöglichen Familie das tröstende Hineinleben in Buxtehude und Debussy, Keats und Anderson.

Die "unbehüteten" Protagonisten sind trotz ihrer tödlichen Zerbrechlichkeit, die die sezierten Insektenflügel auf dem Bucheinband suggerieren, durch ihren praktizierten Glauben an den Trost des klassischen Bildungskanons gar nicht so schutzlos. Gergelys Roman führt in eine Welt vor dem Zerfall dieses Kanons, in die sozialistischen Zeiten, wo Westler reisen durften und Osteuropäer wissen wollten und noch glauben konnten. Die sprachliche Virtuosität, mit der die Autorin durch wiederholte Präzision suggestive Unschärfe herzustellen vermag, verleiht dem Roman eine nachhaltige Dichte, die den Leser in eigene Erinnerungsschleifen lockt und ihn mit der Frage zurückläßt: Darf man überhaupt je nach Venedig fahren?

WIEBKE DENECKE

Agnes Gergely: "Die Unbehüteten". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Hans Skirecki. Aufbau-Verlag, Berlin 2002. 192 S., geb., 16,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Einschränkung der Reisefreiheit in den sozialistischen Ländern erzeugte eine Art virtuellen Tourismus und trotzigen Bildungsstolz, behauptet Wiebke Denecke. Theoretisch war der Ostbürger weitgereister und wusste mehr über Venedigs Geschichte als der dort umherstolzierende ignorante Westmensch, meint sie. Ist es dann überhaupt wünschenswert nach Venedig zu fahren, fragt sich Denecke. Das Liebespaar des Romans von Agnes Gergely "Die Unbehüteten", durch mehrere Ländergrenzen und den eisernen Vorhang voneinander getrennt, gelangt jedenfalls nie dorthin, träumt aber umso heftiger davon. Die Geschichte dieser unmöglichen Liebe stand in Ungarn auf den Bestsellerlisten, berichtet die Rezensentin; von Gergely, Jahrgang 1933, liegt bislang nur ein Roman aus dem Jahr 1982 auf Deutsch vor. Ihr neuer preisgekrönter Roman, den Denecke als sprachlich anspruchsvoll und atmosphärisch dicht beschreibt, führt zurück in die Welt vor dem Zerfall des sozialistischen Lagers, in eine zumindest teilweise heile Welt, die - mit den Worten Deneckes - den "Trost des klassischen Bildungskanons" kannte.

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"Lesen Sie das Buch, vielleicht werden Sie Ihre Lieblingsautorin entdecken." (Helsingborgs Dagblad)