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Dies ist die Lebensgeschichte von Siegfried Kuhn. Am Ende einer Nachkriegskindheit am Bodensee beginnt er leidenschaftlich zu essen und zu kochen. Nach vielen Jahren des Tüftelns und Probierens entwickelt er ein verblüffendes Rezept. Bis heute wartet er auf seine Entdeckung. Der Reporter Erwin Koch, der für seinen Erstling "Sara tanzt" den Mara-Cassens-Preis erhielt, erzählt dieses aussergewöhnliche Schicksal in einem Roman.

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Produktbeschreibung
Dies ist die Lebensgeschichte von Siegfried Kuhn. Am Ende einer Nachkriegskindheit am Bodensee beginnt er leidenschaftlich zu essen und zu kochen. Nach vielen Jahren des Tüftelns und Probierens entwickelt er ein verblüffendes Rezept. Bis heute wartet er auf seine Entdeckung. Der Reporter Erwin Koch, der für seinen Erstling "Sara tanzt" den Mara-Cassens-Preis erhielt, erzählt dieses aussergewöhnliche Schicksal in einem Roman.

Autorenporträt
Erwin Koch, geboren 1956, lebt im Luzerner Seeland. Er arbeitete als Redaktor, seit 2002 als Reporter für das Tages-Anzeiger Magazin, dazwischen für Die ZEIT, GEO und das F.A.Z. Magazin, 1999 bis 2002 für den Spiegel. Ausgezeichnet u.a. zwei Mal mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis und dem Mara-Cassens-Preis. Bisher bei Nagel & Kimche: Sara tanzt. Roman (2003).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2005

Das Öl der frühen Jahre
Erzählerische Alchimie: Ein neuer Roman von Erwin Koch

Der Kampf gegen die Ölpest beginnt im Badezimmer. Dort mixt der gelernte Koch Siegfried Kuhn unverdrossen verschiedene Substanzen, fügt Salbei zu Granitmehl, Ingwer zu Backpulver, immer auf der Suche nach der einen Rezeptur, die Wasser mit Fett versöhnt, die also ölverschmutzte Brühe zurück in Trinkwasser verwandeln kann. Das Unglaubliche gelingt tatsächlich: Beim einhundertunddritten Versuch steht der moderne Alchimist vor einem Marmeladenglas mit reinem Wasser, das Wundermittel ist gefunden.

Nur will niemand von der phantastischen Seife etwas wissen. Obwohl der Hobby-Chemiker einwandfreie Expertisen vorweisen kann, schicken ihm die großen Industriekonzerne Absage um Absage, die Umweltverbände ebenso. Als der glücklose Erfinder schließlich an die ölverschmutzte Küste Nordspaniens reist, einen Kanister mit seiner wundertätigen Flüssigseife im Gepäck, hat er keine Chance, auch nur einen Tropfen davon ins stinkende Wasser zu geben. Das Schicksal, ignoriert zu werden, teilen große Genies bekanntlich mit grandiosen Spinnern. Erwin Koch läßt die Leser seines klug komponierten Romans bis zum Ende im unklaren, zu welcher der beiden Kategorien sein Seifenkoch denn nun gehört.

Um so anschaulicher zeichnet der Schweizer Autor den Lebensweg eines Mannes nach, der von Beginn an auf der Seite der Verlierer steht und dennoch an das große Glück glaubt. Geboren in einer Bombennacht im April 1944, wächst der immer hungrige Knabe unter den Entbehrungen der deutschen Nachkriegszeit auf. In einer Welt, in der gesottene Schweineschwänze und schwarz geschlachtete Mettwürste zu den höchsten Genüssen zählen, scheint die Berufswahl vorgezeichnet: Priester soll der aufgeweckte Junge werden, heißt es zunächst, denn in der Klosterschule gebe es immer genug zu essen. Die fromme Hoffnung erfüllt sich nicht. Nachdem der Teenager von den Patres beim Diebstahl von Kondensmilch erwischt wird, bleibt dem schändlich Ausgestoßenen nur noch der Weg in eine Kochlehre. Köche hungern nicht, weiß die kluge Mutter ihren Sohn zu trösten.

Als junger Koch wandert Siegfried Kuhn in die Schweiz aus, und dort erlebt er die bescheidenen Freuden des Wirtschaftswunders. Das Flambieren wird schnell zu seiner Spezialität, nachdem er einst mitten auf dem zugefrorenen Bodensee staunend den Duft von Crêpes Suzette eingesogen und dem Flammenspiel des brennenden Cognacs zugesehen hat. Flambierte Kutteln bescheren dem erfindungsreichen Küchenmeister eine Zeitlang den Ruf besonderer Exklusivität, aber erst ganz am Ende des Buches wird offenbar, welch makabre Wendung Kuhns Lust am Flambieren noch nehmen wird.

Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein und erst recht nicht von flambierten Innereien, und so macht es sich Siegfried Kuhn eben schließlich zur Lebensaufgabe, ein Rezept gegen die Ölpest zu finden. Über den immer fanatischer betriebenen Versuchen im heimischen Badezimmer verliert er alle Anstellungen, seine Ehe zerbricht, seine längst erwachsene Tochter zieht sich mehr und mehr von ihm zurück. Das alles kann den Erfinder nicht bremsen. Schließlich greift er zu einem gewaltsamen Mittel, um die Welt und die örtliche Ölwehr von den Vorzügen seiner Wunderseife zu überzeugen: Heimlich öffnet er mitten in der Nacht die Ölfässer jener Tankstelle, deren Besitzer ihn einst gedemütigt hat. Die Spannung, mit der Kuhn den Anruf erwartet, der ihn als Retter zu der Unglücksstelle rufen soll, strukturiert den Roman seit der ersten Seite und führt zu einer überraschenden Auflösung. Sie läßt den einst gefeierten Flambeur am Ende einsehen, wie sehr er sich mit allen seinen Plänen verrechnet hat.

Der 1956 geborene Journalist Erwin Koch hatte bereits vor einigen Jahren in einer Reportage die Geschichte eines Mannes erzählt, der sich auf die Suche nach einem Wundermittel gegen das Öl macht; veröffentlicht wurde sie, zusammen mit anderen lesenswerten Berichten, in dem Sammelband "Wir weinen nicht" (2002). Wir dürfen also vermuten, daß die Romanfigur Siegfried Kuhn ein reales Vorbild hat. Die Frage nach der Authentizität des Erzählten wird aber bei der Lektüre des Romans immer mehr zur Nebensache. Denn Erwin Koch gelingt es mit den Mitteln der Fiktion, aus dem interessanten Einzelfall die beklemmende Schilderung eines Sonderlings zu machen, dessen Schicksal stellvertretend für die Erfahrungen einer ganzen Generation gelesen werden kann. Die unerfüllten Träume des hungrigen Seifenkochs gewinnen ihre eigentliche Kontur vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit und des deutschen Wirtschaftswunders, das allen Hungernden die fortdauernde Stillung ihrer Bedürfnisse zu versprechen scheint - "Henckell trocken" und "Toast Hawaii" als Vorboten des Himmelreichs auf Erden, für jedermann erreichbar.

Lesenswert ist das Buch aber vor allem wegen seiner meisterhaften Sprache. Erwin Koch knüpft ein dichtes Netz von Leitmotiven, das an die großen Novellen des neunzehnten Jahrhunderts erinnert, doch verfällt er dabei nie in Manieriertheit oder blasse Epigonalität. Im Gegenteil: Die Lakonik der Erzählung, die unvermittelten Sprünge zwischen Zeitebenen und die souverän geübte Technik der Aussparung zeigen, wie sehr der kleine Roman in der Tradition der Moderne steht. Es wird gern behauptet, daß sich erzählerische Spannung und sprachliche Sorgfalt so schwer miteinander verbinden lassen wie Wasser und Öl. Hier kann man sich davon überzeugen, daß die Literatur solche Vereinigung des Disparaten eben doch hin und wieder möglich macht.

SABINE DOERING

Erwin Koch: "Der Flambeur". Roman. Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München und Wien 2005. 188 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2005

Der Held der Flamme
Erwin Kochs Roman „Der Flambeur”
Es gibt Köche und unter den Köchen die Flambeure. Das sind die Hexenmeister, die die Magie des Mise en place beherrschen. Die bleiche Kutteln und kühle Crevetten mit blauer Cognacflamme krönen. Sie beherrschen das Feuer und die Kunst des Auftritts. Manchmal ist man unsicher, ob der ganze Zauber, den sie treiben, nicht nur Gaukelei ist. Denn Kuttel bleibt Kuttel, mag auch „Tripes aux crevettes flambées” auf der Karte stehen und ein ungeheurer Preis dahinter.
Mit Schriftstellern geht es einem manchmal ähnlich. Ein guter Indikator, die Show vom echten Schreiben zu unterscheiden, ist jedoch meist das zweite Buch des Autors. Daran zeigt sich in der Regel, ob er sprachliche Substanz besitzt und die Souveränität, einen neuen Stoff in Literatur zu verwandeln. Auch deswegen konnte man sehr gespannt sein auf den neuen Roman „Der Flambeur” des Schweizer Journalisten Erwin Koch, der mit seinem herausragenden Debüt „Sara tanzt” vor zwei Jahren großen Eindruck gemacht hatte. Wie damals schon hat Koch auch diesmal eine seiner Reportagen zum Ausgangspunkt des Schreibens genommen. Gleichwohl handelt es sich bei dem nun vorliegenden Buch längst nicht mehr um die „wahre Geschichte”, die der Verlag anpreist. Zum Glück, muss man sagen, denn die Wirklichkeit kann auch beschwerlich sein, und der Roman bedarf des Verweises darauf nicht.
„Der Flambeur” erzählt die Geschichte des Siegfried Kuhn, geboren am Bodensee kurz bevor der Krieg zu Ende war, sechzig Jahre später wohnhaft in der Schweiz, „Rotseehöhe Nummer 11, zweiter Stock, 6006 Luzern”. Dort verbringt Kuhn seine stummen Tage. Von der Ehe ist ihm nur ein halbes Bett geblieben, vom Leben die Erinnerung. In besseren Zeiten war Kuhn Flambeur. Einer, zu dem man aus Zürich und Zug heranreiste, um für fünfunddreißig Franken flambierte Kutteln zu tafeln, „Tripes aux crevettes flambées”.
Bis eine unflambierte Salmonelle dem Zauber ein abruptes Ende bereitet. Doch Kuhn ist ein Besessener, einer, der nicht weiß, wann Schluss ist, der „immer übertreiben muss”. Aus der Not heraus reist er nach dem Salmonellen-Desaster als Seifenvertreter - und arbeitet heimlich auf seine große Stunde hin. Dann nämlich wird er das Zaubermittel erfunden haben, mit dem sich Öl in Wasser auflösen lässt. Das Mittel, das die Welt von jeder Ölpest befreit. Aber als ihm das Unglaubliche eines Tages tatsächlich zu gelingen scheint, will niemand davon wissen. Man hält ihn für einen Scharlatan. Er schreibt an Greenpeace, WWF und BASF, an Texaco und Dow Chemical. Fast stündlich kontrolliert er Anrufbeantworter und Fax. „Wer will, kann Kuhn erreichen.” Aber niemand will, das ist das große Drama dieses ewigen Verlierers, das Erwin Koch mit knappen Worten und großer Zugewandtheit erzählt. Selbst in größter Peinlichkeit bewahrt er die Würde seines Helden, dieses klapperdürren Don Quixote der Ölbekämpfung.
Koch hat für diese Chronik des Scheiterns einen Ton gefunden, der bestimmt ist von Lakonie und hoher Musikalität. Es ist die Sprache, die bei ihm das Charakterbild der Menschen zeichnet, ihr Rhythmus, dieses unruhige Auf-der-Stelle-Treten, das vorwärts will und doch nicht kann. Eine Sprache, die das Lesen zum Genuss macht, und mit der Erwin Koch sich als literarischer Autor bewiesen hat.
SILJA UKENA
ERWIN KOCH: Der Flambeur. Roman. Nagel & Kimche Verlag, München 2005. 188 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Rezensentin Sabine Doering ist ausgesprochen angetan von dieser beklemmenden Schilderung eines Sonderlings. Vor allem seine meisterhafte Sprache macht das Buch über einen Küchenmeister und seine Lust am Flambieren für sie so lesenswert. Autor Erwin Koch knüpfe ein dichtes Netz von Leitmotiven, das die Rezensentin an die großen Novellen des 19. Jahrhunderts erinnert. Dabei sieht sie die Erzählung mit ihrer Lakonik, ihren unvermittelten Zeitsprüngen und einer souverän ausgeübten Technik der Aussparung gleichzeitig in der großen Tradition der Moderne stehen. Dem 1956 geborenen Schweizer Autor gelingt es, mit den Mittel der Fiktion in dieser interessanten Geschichte eines grandiosen Spinners die Erfahrungen der Nachkriegsgeneration zu bündeln, lobt Doering. Denn die makabren, unerfüllten Träume des Küchenmeisters gewinnen für sie ihre eigentliche Kontur erst vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit und des deutschen Wirtschaftswunders.

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