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Sara Broffe, Deckname Sumatra, übernimmt Anfang der 80er Jahre, zu Zeiten der Militärdiktatur, kleinere Hilfsdienste im Auftrag einer Widerstandsgruppe. Als sie dabei geschnappt wird, weiß sie nicht viel zu verraten. Um den Forderungen ihrer Häscher zu genügen, erfindet sie die Übergabe geheimer Dokumente oder konspirative Treffen mit Agenten. Und sie summt Lieder, um die Einsamkeit auszuhalten. Der Cellist Frits, der den Auftrag erhält, die Tonfolgen auf verborgene Botschaften hin zu untersuchen, verfällt Saras Schönheit und ihrer berührenden Menschlichkeit. Zwei Leidenschaften bestimmen von…mehr

Produktbeschreibung
Sara Broffe, Deckname Sumatra, übernimmt Anfang der 80er Jahre, zu Zeiten der Militärdiktatur, kleinere Hilfsdienste im Auftrag einer Widerstandsgruppe. Als sie dabei geschnappt wird, weiß sie nicht viel zu verraten.
Um den Forderungen ihrer Häscher zu genügen, erfindet sie die Übergabe geheimer Dokumente oder konspirative Treffen mit Agenten. Und sie summt Lieder, um die Einsamkeit auszuhalten. Der Cellist Frits, der den Auftrag erhält, die Tonfolgen auf verborgene Botschaften hin zu untersuchen, verfällt Saras Schönheit und ihrer berührenden Menschlichkeit.
Zwei Leidenschaften bestimmen von nun an sein Leben: seine Musik und der dringende Wunsch, Sara zu befreien. Nach dem Sturz der Junta wird Frits selbst als Kollaborateur von der neuen Regierung gefangen genommen. In der Untersuchungshaft erzählt er nun seine unglaubliche Geschichte.
Autorenporträt
Erwin Koch, geboren 1956, lebt in der Nähe von Luzern. Er ist Journalist und schrieb Hörspiele und Reportagen. Von 1984 bis 1990 war er Redakteur, seit 2002 ist er Reporter für DAS MAGAZIN des Tages-Anzeigers, dazwischen u.a. für Die ZEIT, GEO und das Frankfurter Allgemeine Zeitung Magazin, 1999 bis 2002 war er Reporter beim Spiegel. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. zwei Mal mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis für die beste Reportage. "Sara tanzt" ist sein erster Roman und beruht auf einer wahren Geschichte.
Rezensionen
Auf einer wahren Begebenheit beruht diese ungewöhnliche Liebesgeschichte. Sara Broffe, Widerstandskämpferin in einer Militärdiktatur, wird verhaftet und zum Verhör abgeführt. Um die Folter im Gefängnis zu ertragen, beginnt sie Kinderlieder zu singen. Das kommt ihren Wärtern verdächtig vor: Sind das etwa geheime Botschaften in ihrem Gesang? Sie beauftragen einen Cellisten, der für die Geheimpolizei arbeitet, sie zu entschlüsseln. Die Musik macht aus beiden ein Liebespaar.
(X-Mag)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2004

Wo man summt
Erwin Kochs „Sara tanzt” und die Mechanik des Terrors
Dass böse Menschen keine Lieder kennen, ist ein sprichwörtlicher Irrtum, den die Kapellen unzähliger Militärregimes ebenso laut heraustrompeten wie die leise gespielte Beethovensonate in unmittelbarer Nachbarschaft der Vernichtung. Trotzdem scheint die Macht der Musik einen irreduziblen Rest bereitzuhalten, gegen alle Vereinnahmungen, die den Künstler ans System schweißen. „Sara tanzt” ist ein Roman über komplizierte Verhältnisse und unerhörte Begebenheiten in einer nicht näher bestimmten Diktatur. Ein Mitläufer, Cellist in Diensten des Innenministeriums, verliebt sich in eine Gefangene, die den Terror überlebt, indem sie Kinderlieder summt. „Das Violoncello ist die holzgewordene Menschenseele”, sagt Frits, „das Violoncello kann schreien, es kann auch zirpen, säuseln, knurren, streicheln, kratzen, kitzeln, foltern”. Tatsächlich ist Frits dazu angestellt, mit seinem Instrument Verhöre und Folterungen zu überspielen. Dass er gleichzeitig die Kartei seiner Außenstelle führt, kennzeichnet ihn überdeutlich als Schreibtischtäter. Der Musiker glaubt, seine Beamtenpflicht erledigen und sich dennoch raushalten zu können.
Am Anfang steht Sara Broffe, Mitglied einer Untergrundorganisation gegen die Militärjunta, im Zentrum des Romans. Indirekte Rede und ein einfühlsamer Chronist berichten von ihrer Verhaftung, doch die anschließenden Folterszenen und der Psychoterror werden nur vorsichtig angedeutet. Im Dezember sagt man ihr, es sei März. Bei Verhören befiehlt man ihr, auf Stühlen Platz zu nehmen, die es nicht gibt, und bietet ihr Wasser aus leeren Gläsern an. Die erzählerische Aufmerksamkeit gilt Saras Versuchen, immer die nächsten fünf Minuten zu überleben, indem sie konspirative Treffen für ihre Peiniger erfindet, an ihre Familie denkt, sich Kochrezepte vorsagt und zu summen beginnt: echte Kinderlieder und Nonsensetexte mit erfundenen Melodien, die in der Dekodierabteilung entschlüsselt werden sollen. Als man mit Sara nicht weiterkommt, plant der Cellist einen Befreiungsschlag für die Frau, die als Einzige seine Musik versteht.
Frits entpuppt sich nicht nur als Erzähler von Saras Überleben, sondern schiebt sich als komplexe Figur in den Vordergrund. Der Sohn eines Obersten im Generalstab flüchtet in sein Cello-Universum und feilt an einer „Entschleunigungstheorie” der Musik. Ob sich der Traumtänzer trotz oder wegen seiner Parallelwelt zur Befreiungsaktion entschließt, bleibt offen. Überhaupt ist der Autor weniger an psychologisch eindeutigen Schnittmustern interessiert, vielmehr setzt er auf die Grauzonen menschlichen Verhaltens. Erwin Koch, 1956 in der Schweiz geboren, ist Journalist und wurde schon zweimal mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Er hat Reportagen geschrieben über die Opfer der chilenischen Militärdiktatur und über eine Argentinierin, die von einem ihrer Folterknechte gerettet wurde. „Sara tanzt” beruhe auf einer wahren Begebenheit, teilt der Klappentext mit, doch es geht nicht um die Wirklichkeitsnähe, sondern um das Exemplarische der Geschichte.
Die sprachliche Verfremdungstaktik des Romans, der zwar gelegentlich ins Rührstückhafte driftet, lässt Saras Assoziationsketten und den Dechiffrierwahn der Geheimdienstler bizarre Blüten treiben: „o porto packa morto macka schnuddelda baddeldi bing, o vicolati resoluto multi pata ping. Der Zweite sagte ihm ganz schlicht, ich spreche ihre Sprache nicht, kann gar nichts verstehn, doch da kommt einer, fragen Sie den”, singt Sara. Es gibt einen Boulevard Seminski, einen Platz der Völker, einen Stadtteil Tilinn, und die Generäle heißen Carpento, Kemczyk oder Compostella. In fast jedem Satz wuchern spanische, rumänische, russische, estnische und finnische Sprachpartikel, sodass auch der Leser eine Dechiffriermaschine anwirft, die sich vergebens um geographische und biographische Sortierung bemüht. Dieses Durchmischungsprinzip von Realem und Erfundenem reicht so weit, dass der Cellospieler nicht nur über Bach und Haydn räsoniert, sondern Rätsel aufgibt ob der Existenz einer „Fantasie in h von Dimitri Summermatt”. Worauf spielt „Josefa Tzapatzuls Motette De profundis” oder das „Stabat mater von Friedo Scharrl” an, fragt man sich angesichts der Tatsache, dass auch Frits als Gefangener der neuen Regierung erzählt, um nicht verrückt zu werden. Dieses überlebensnotwendige Geschichtenerfinden in der Gefangenschaft setzt „Sara tanzt” gekonnt in Szene.
JUTTA PERSON
ERWIN KOCH: Sara tanzt. Roman. Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2003. 174 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2003

Der Ton und das Mädchen
Erwin Kochs irritierende Parabel über Kunst und Macht

Die Geschichte hat Erwin Koch schon einmal als Reportage erzählt. Sie handelt von der erstaunlichen Liebe zwischen einer politischen Gefangenen und einem Folterknecht in einer südamerikanischen Militärdiktatur. Das Wort "Liebe" ist in diesem Zusammenhang unter Vorbehalt zu benutzen. Aber alle anderen zur Verfügung stehenden Begriffe - "Partnerschaft", "Beziehung", "Freundschaft", "Bündnis" - passen noch weniger, um das, was sich zwischen diesen beiden ereignet, zu bezeichnen. Was ist es, was Menschen zueinanderbringt? Wie kann unter den Bedingungen von Macht, Gewalt und Abhängigkeit so etwas wie Zuneigung entstehen? Es scheint so, daß die Mittel der Reportage nicht ausreichten, um diese Fragen zu ergründen.

Der Reporter Erwin Koch, 1956 in der diktaturfernen Schweiz geboren und zweimal mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet, muß gespürt haben, daß er nicht fertig wurde mit diesem Stoff. Also hat er seinen ersten Roman geschrieben, der die Geschichte noch einmal, nun mit literarischen Mitteln, anpackt, um in die Tiefe des Bewußtseins vorzustoßen.

Die äußeren Verhältnisse macht er unkenntlich, um sich ganz und gar auf die Innenräume zu konzentrieren. Er benutzt Techniken der Reduktion, der sparsamen Andeutungen, der Auslassung. Die Namen der Menschen und der Städte klingen so, daß sie überall zwischen Finnland, Rumänien, Deutschland oder Chile angesiedelt sein könnten. Auch die Zeit bleibt unbestimmt. Für Sara Broffe, Mutter von vier Kindern, die als Kurier in Diensten des Widerstands verhaftet wird, verschwimmen die Tage, die Monate und die Jahreszeiten. Mit verbundenen Augen liegt sie, auf ein Bett gefesselt, in ihrer Zelle, irgendwo am Rand der Stadt und des Lebens. Tag für Tag kommen gegen Mittag ihre Peiniger, um sie zu verhören.

Was da genau geschieht, erfährt man nicht, denn als Erzähler fungiert Frits, der Cellist, der im Nebenraum sitzt und spielt, um mit seiner Musik die Schreie der Gefolterten zu übertönen. Draußen auf der Straße soll niemand etwas davon hören, und auch der Text bleibt leise und zurückhaltend, fast freundlich. Das ist bedrohlicher und beklemmender, als es jede ausgemalte Folterszene sein könnte. So wundersam die Geschichte, so erstaunlich ist das erzählerische Kunststück, das Erwin Koch vollbringt: Im geschlossenen Erzählraum des Gefängnisses öffnet er der Imagination Tür und Tor.

Zunächst agiert da ein auktorialer Erzähler. Er berichtet von Saras Verhaftung, nimmt die Gerüche und Geräusche wahr, die ihr auf ihrer Pritsche als sinnliche Beziehung zur Welt zur Verfügung stehen. Er kennt ihre Gefühle, ihre Angst und ihre Entschlossenheit, niemanden zu verraten. Mehr und mehr mischt sich dann aber Frits mit seiner eigenen Geschichte als Icherzähler ein, so daß die Passagen über Sara als dessen Einfühlung in die Gefangene kenntlich werden. Als Sohn eines Obersten erhielt er die Chance, Musik zu studieren. Sein Talent reichte nicht aus, um ein großer Künstler zu werden - ein Glücksfall für ihn, als er eine Stelle im Innenministerium erhielt. Eigentlich hätte man dort lieber einen Trompeter gehabt, der zu festlichen Anlässen das Ständchen spielt, und so wurde Frits in das abgelegene Haus am Stadtrand versetzt.

Hier liegt er im stummen Kampf mit seinen Vorgesetzten, die von ihm eigentlich nur verlangen, daß er laut und schnell spielt. Ihnen geht es wahrlich nicht um Kunst. Er aber versteift sich darauf, alte Stücke im Originaltempo schleppend zu interpretieren, wie er es für richtig hält. Anstatt über seine Funktion im Dienst der Diktatur und der Folter nachzudenken, leidet er darunter, als Künstler unverstanden zu sein. Ganz nebenbei schreibt Erwin Koch damit einen wenig schmeichelhaften Künstlerroman, der den sensiblen Spezialisten als Mitläufer und Opportunisten zeigt. Kunst verhilft in diesem Fall nicht zu Mut und Widerstandskraft. Sie ist ein Mittel der Unterdrückung.

Doch gut und böse, Täter und Opfer sind in Kochs Versuchsanordnung nicht so leicht auseinanderzuhalten. Die einen tun leidenschaftslos ihren Job, und Sara gewöhnt sich an die schrecklichen Umstände, unter denen sie vegetiert. Sie weiß, daß sie nur so lange am Leben bleibt, wie sie redet. Also erfindet sie Daten und Namen und summt Lieder, die Frits auf Notenpapier festhalten muß, damit die Spezialisten im Ministerium die Töne auf verborgene Botschaften hin untersuchen können. Das Bedrohliche gerät immer mehr in den Hintergrund. Allmählich stellt sich im Gefängnis eine vertraute Atmosphäre her wie in einer Wohngemeinschaft, und Sara entwirft Schulaufsätze für die Kinder ihrer Aufpasser. Peiniger und Gefolterte gehören zusammen. Sie bilden eine Notgemeinschaft des Durchhaltewillens, weil es keine Alternative zu geben scheint. Dies ist ihre Welt, und damit arrangieren sie sich. Warum also soll hinter diesen Mauern nicht auch Liebe möglich sein?

Es sind die Töne des Cellos, die Sara berühren, denen sie antwortet. Sie, die zweimal täglich den Boden aufwischen muß, kniet da und bewegt den Putzlappen im Rhythmus der Musik. Kunst verhilft also doch zu etwas: zu Momenten der Freiheit. "Sara tanzt", der titelgebende Augenblick, läßt sich als Feier dieses Augenblicks ebenso begreifen wie als bitterer Zynismus. Es macht den Reiz dieser zurückhaltenden Prosa aus, daß beides zugleich zutrifft. Trost und Entsetzen sind nicht voneinander zu trennen.

Am Ende ist die Militärdiktatur mürbe geworden und zusammengebrochen. Ihr Niedergang hat nichts mit den Beteiligten im geschlossenen Raum des Gefängnisses zu tun. Die Gewalt der Täter war so vergeblich wie die Aktionen der Widerstandskämpfer draußen. Nun, in der neuen Zeit, sitzt Frits im Gefängnis, angeklagt der Mittäterschaft im alten Regime. Sara, die ihn geheiratet hat, versucht, ihn zu entlasten. Er gehörte nicht wirklich dazu, sagt sie. Er spielte nur das Cello. "Sara tanzt" ist eine Parabel über die Grenzen der Macht und die Macht der Liebe. Weil Sara so eine Art Heilige ist, stimmt das Wort am Ende vielleicht doch. Man wird nicht fertig damit.

JÖRG MAGENAU

Erwin Koch: "Sara tanzt" . Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2003. 174 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erwin Koch ist von Haus aus Reporter (zweimal ist der Schweizer bereits mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet worden) und hat die Geschichte schon einmal als Reportage erzählt, weiß Jörg Magenau. Der Rezensent vermutet, dass Koch mit dem Stoff nicht fertig geworden ist und darum in einem neuen Anlauf mit literarischen Mitteln versucht hat, die tieferen Zusammenhänge dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte im Gefängnis zu erforschen. Indem sich Koch reduktionistischer Techniken bediene, blieben Ort und Zeit der beschriebenen Militärdiktatur ganz allgemein, gerieten dafür aber um so beklemmender, meint Magenau. Das gelte auch für die ausgesparten Folterszenen. Die Protagonistin Sara kam als Kurierin des Widerstands ins Gefängnis, wo sie täglich verhört wird und gequält, während nebenan der Cellist Frits durch seine Musik die Schreie der Gefolterten übertönen soll. Mehr und mehr wechsele die Erzählperspektive zu Frits, sagt Magenau, dem opportunistischen Künstler, dessen Musik Saras Herz rührt. Gut und böse, Täter und Opfer seien bei Koch schwer zu trennen, stellt der Rezensent fest; Inhaftierte wie Aufpasser werden zu einer Art Schicksalsgemeinschaft, die sich erst auflöst, als das Regime von alleine zusammenbreche. Widerstandsakte, erzwungene Verhöre, das alles war vergeblich, schreibt Magenau. Für ihn ist dieses ebenso bedrückende wie anrührende Buch eine "Parabel über die Grenzen der Macht und die Macht der Liebe".

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"Als Debüt überzeugt "Sara tanzt" aufgrund der erzählerischen Miniaturen. Durch den Mut, weit mehr auszulassen denn zu beschreiben, gelingen Erwin Koch atmosphärisch dichte Momentaufnahmen." Sibylle Birrer, Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2003