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Modesty ist jung, sexy, clever und hat es als Kopf der Verbrecherorganisation "Das Netz" zu Reichtum gebracht. Seit ihrem Rückzug aus der Unterwelt lebt sie in einem schicken Londoner Penthouse. Trotz Ruhestand geraten sie und ihr treuer Gefährte Willie Garvin immer wieder Hals über Kopf in die wildesten Abenteuer, die sie nur durch überragende Kampftechnik, geniales Improvisationstalent und nicht selten eine gehörige Portion Glück überleben.
Auf einem Segeltörn in der Tasmanischen See rettet Modesty einen Schiffbrüchigen, der sich als der berühmte, seit zwei Jahren verschollene Maler
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Produktbeschreibung
Modesty ist jung, sexy, clever und hat es als Kopf der Verbrecherorganisation "Das Netz" zu Reichtum gebracht. Seit ihrem Rückzug aus der Unterwelt lebt sie in einem schicken Londoner Penthouse. Trotz Ruhestand geraten sie und ihr treuer Gefährte Willie Garvin immer wieder Hals über Kopf in die wildesten Abenteuer, die sie nur durch überragende Kampftechnik, geniales Improvisationstalent und nicht selten eine gehörige Portion Glück überleben.

Auf einem Segeltörn in der Tasmanischen See rettet Modesty einen Schiffbrüchigen, der sich als der berühmte, seit zwei Jahren verschollene Maler Lucian Fletcher entpuppt. Seltsam nur, dass diesem jegliche Erinnerung an den fraglichen Zeitraum fehlt. Modesty will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben - bis sie und ihr Partner Willie Garvin von Unbekannten zu einem dreisten Kunstraub gezwungen werden. Als Widersacher treten der veilchenäugige Orchideenzüchter Beauregard, der schießwütige falsche Priester Uriah und die üppige Nymphomanin Clarissa auf. Ihren wahren Gegner lernen Modesty und Willie allerdings erst auf der Dracheninsel kennen.
Autorenporträt
O'Donnell, Peter
Peter O'Donnell, geboren 1920 in London, ist der Erfinder von »Modesty Blaise«, ursprünglich einer Comicfigur. Die Serie, die erstmals 1963 in der Londoner Zeitung Evening Standard erschien, wurde zum Welterfolg. Neben den Comicszenarios schrieb Peter O'Donnell auch elf nicht minder erfolgreiche Romane mit Modesty Blaise. Er starb 2010 in Brighton.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.05.2005

Die letzte Amazone
Endlich! Die Modesty-Blaise-Romane kommen wieder / Von Michael Kleeberg

In die Wonnen der Trivialität einzutauchen, indem ich mich mit Modesty Blaise beschäftige? Halb neidvoll, halb abfällig wurde mir das prophezeit, aber offengestanden weiß ich nicht, was damit gemeint sein soll. Ich habe Bücher immer nur in gut oder schlecht geschriebene unterteilt, und Trivialität ist für mich einfach ein Synonym für lausiges Handwerk: Fadenscheinig gestrickte Plots, uninteressante und unglaubwürdige Personen, schales Gefühl vertaner Zeit nach der Lektüre.

Aber doch nicht bei Modesty Blaise! Oh, Modesty Blaise, ach Modesty Blaise! Dein Name, anhebend mit einem genießerischen Summton, als rieche man feinste Bitterschokolade oder alten Cognac oder die Haut der Geliebten, dann öffnet die Kehle sich zu einem Knurren, die Zunge kappt schnippisch den Genuß, worauf ein kurzer, warnender Schlag mit der Peitsche verhindert, daß man sich Schwachheiten einbildet. Und die Vokale deines Nachnamens (sie hat sich ihn ja selbst gegeben, Flüchtlingskind ohne Erinnerung an ihre Herkunft, das sie war), je nach Gusto blasiert französisch aussprechbar, in die Länge gezogen wie ein lustvolles Stöhnen, oder genießerisch zähnefletschend auf englisch: Please Blaise me.

Nein, das Wort Trivialität ist hier vollkommen fehl am Platze. Besser paßt der schöne Ausdruck "craftsmanship". Gediegenstes, solides, brillantes Handwerk. Wenn letztlich, wie Thomas Mann einmal sagte, alles davon abhängt, ob ein Buch "wahre Lesehingabe erzwingen" kann, dann sind die Abenteuer der ehemaligen Gangsterin, Gentleman-Agentin und modernen Amazone eine Sucht, wie ich sie in all den Jahren eigentlich nur bei zwei anderen Reihen um ein und denselben Helden genießen durfte, nämlich bei Dumas' Romanen über den Musketier d'Artagnan und bei der Initiationsgeschichte des englischen Zauberlehrlings Harry Potter.

Es ist ja eines der großen Geheimnisse der Literatur, daß es viele Wege zum Herzen des Lesers gibt, daß große Kunst sie nicht immer findet und manch einer, der nur Unterhaltung schenken will, viel mehr erreicht. Man muß die Romanwelt glauben können, die sich da auftut, und wenn die ersten Zeilen eines Buches mich dazu bringen, es ernst zu nehmen, dann gehe ich bereitwillig mit auf die Reise. Läßt der Autor durchblicken, er meine es gar nicht so, und erlaubt sich irgendwelchen Unsinn, dann platzt die Blase der Illusion und der Glaubwürdigkeit, und man kann das Buch wegwerfen.

Die Lady als Kampfsportlerin

Begonnen hat diese Liebe im Sommerurlaub 1970, wo ich als Elfjähriger am Strand den Vorabdruck von "A taste for death" verschlang, der, mit poppigen Zeichnungen illustriert, Woche für Woche im "Stern" erschien, bevor er dann, wie die übrigen Romane, zunächst bei Zsolnay, später bei Rowohlt als Buch zu erwerben war. Geendet hat sie nie, ich habe jeden dieser Krimis mehrmals gelesen, immer von mehrjährigen Pausen unterbrochen, aber dann meistens alle hintereinander weg, habe nie genug kriegen können, wie die Naschkatze, die sich schwört, nur einmal mit dem Finger durchs Honigglas zu fahren, und dann, wie in Trance, die Geste so lange wiederholt, bis es leer ist.

Lange sind diese Ausgaben vergriffen, aber da ich nicht der einzige Fan zu sein scheine, macht sich der Unionsverlag jetzt ganz vorsichtig daran, mit zunächst einem der mittleren Romane, "Die Klaue des Drachens", zu testen, ob nicht der Moment für ein Modesty-Blaise-Revival in Deutschland gekommen sei. Möge das doch der Fall sein, und sei es nur, damit ich endlich einmal kompetente Gesprächspartner für meine Schwärmerei finde!

Genug aber vorerst derselben, es ist höchste Zeit, mit ein paar Fakten herauszurücken und dem geneigten, aber nicht initiierten Leser in kurzen Worten zu erklären, wer Modesty Blaise eigentlich ist und was es mit den Büchern um sie auf sich hat. Modesty Blaise war ursprünglich ein Zeitungsstrip, der das Licht der Welt im Jahre 1963 im Londoner "Evening Standard" erblickte und dort fast vierzig Jahre lang, mit wechselnden Zeichnern, ein erfolgreiches Leben führte. So erfolgreich, daß sein Schöpfer Peter O'Donnell zwei Jahre später den ersten von schließlich elf Romanen um seine atemberaubend attraktive und fähige Heldin veröffentlichte. Ich gestehe, ich habe mich, obwohl Comicliebhaber, für den Strip ebensowenig interessiert wie für die Verfilmung aus den sechziger Jahren, bei der immerhin Joseph Losey Regie führte und die mit Monica Vitti in der Titelrolle, Terence Stamp und Dirk Bogarde hervorragend besetzt war. Doch krankte der Film daran, seinen Stoff nicht ernst zu nehmen und zu glauben, hier könne nur mit Satire und Parodie gearbeitet werden, wohingegen ich die Comics nicht anschauen wollte, um mir kein Bild zu machen. Oder besser, um keine Bilder vorgesetzt zu bekommen von den Helden und Schurken dieser Reihe, sondern sie mit all der vagen Konkretheit meiner eigenen Phantasie beleben zu können.

Die Frau als Pygmalion

Modestys Vergangenheit liegt im dunkeln. Wir wissen nur, daß sie, ein kleines Mädchen im Krieg, vor dem Vormarsch der Deutschen flüchtete, vielleicht aus Ungarn über den Balkan bis auf die arabische Halbinsel, daß sie sich alleine durchschlagen mußte, vergewaltigt wurde, ihren Peiniger umbrachte, in einem Lager für "displaced persons" einen ungarischen Professor kennenlernte, der sie erzog, wofür sie ihm auf ihren Wegen vom Kaukasus bis nach Tanger überleben half. Siebzehnjährig in Marokko angekommen, übernimmt sie eine kleine Bande, baut sie aus, leitet sie erfolgreich, ohne je mit unmoralischen Verbrechen (Drogen, Mädchenhandel) Geschäfte zu machen, wird zur Multimillionärin, löst "Das Netz" auf und zieht sich, noch keine Dreißig, nach England ins Privatleben zurück. Aber trotz ihrer Fähigkeit (und ihrer finanziellen Mittel), jeden Moment des Alltags zu genießen, ist so ein Pensionärsdasein für eine aktive junge Frau auf die Dauer nicht das rechte. Und so läßt sie sich, manchmal freiwillig, manchmal nicht so ganz, auf neue Abenteuer und neue Nervenkitzel ein, um das Leben weiterhin bis zur Neige, bis zur Todesgefahr auskosten zu können. Von diesen Konfrontationen mit Verbrecherbanden jeglicher Couleur erzählen die Romane.

Viel zu lange schon spreche ich von Modesty Blaise, ohne Willie Garvin zu erwähnen, und das ist, als redete ich von Eva und verschwiege Adam. Am besten illustriere ich Willie Garvins Bedeutung mit einem Zitat . . . Vierundzwanzig Stunden später. Ich habe einen der Romane aufgeschlagen, auf der Suche nach diesem Zitat, und mich festgelesen, bis ich das Buch durchhatte. So geht es immer! Ich bitte also, neu ansetzen zu dürfen: Willie Garvin, Ex-Legionär, Ex-Sträfling, weltbester Messerwerfer, der den Psalter auswendig kann, unter anderem Spezialist im Igelbraten, Perlentauchen, Drachenfliegen und Edelsteinschleifen, den sie in ihre Bande aufnahm und zu einem neuen Menschen formte, dem einzigen, der ihr in allem ebenbürtig ist, wird auf den Umschlagseiten der Bücher gerne als "ihr treuer Weggefährte" bezeichnet, im Original "her sidekick" oder gar "ihr Rammbock". Letzteres ist nicht falsch zu verstehen, die Beziehung der beiden ist seit jeher und auf harmonischste Weise platonisch, aber Willie ist viel mehr als das. Er ist im Grunde Modestys Bruder, Vater und einziger Geliebter, und wenn sie sein Pygmalion ist, dann ist er ihre Seele, vielleicht sogar die Seele der ganzen Reihe.

Daß die beiden Kampfsportler von höchsten Graden sind, versteht sich ja in einer Krimi- und Thrillerreihe von selbst, auch, daß diese Talente ausgenutzt werden wollen. So mußte O'Donnell eine phantastische Galerie von Gegnern erfinden, deren Fähigkeiten die unserer Helden womöglich noch übertreffen, um in jedem Roman unvergeßliche Zweikämpfe plazieren zu können. Ich denke natürlich an Willies homerische Auseinandersetzung mit Simon Delicata ("Man sagt, ein Gorilla sei fünfzehnmal so stark wie ein Mann, ich würde Delicata auf halber Strecke zwischen beiden einordnen") in der Sahara oder an seinen heroischen Fight mit den "Polnischen Zwillingen" samt Verbaggerung der Leichen in den Londoner Docklands, oder natürlich an Modestys, mit Hilfe eines Flaschenzugs zum guten Ende gebrachtes Duell mit dem Hermaphroditen Mrs. Fothergill oder ihre, in einer südfranzösischen Höhle von Sir Gerald Tarrant, dem Chef des englischen Geheimdienstes, beobachtete Schlacht mit der tödlichen Kampfmaschine Sexton, in die sie ("Wollen Sie mich verführen, Miß Blaise?") völlig nackt und vom Kopf bis zu den Zehen eingecremt mit Wagenschmiere geht. Dieser nackte glänzende Körper hat durchaus noch einen anderen Sinn, als den Leser zu betören, und mehr als alle ihre Kampffähigkeiten ist es denn auch ihre Intelligenz, die den beiden hilft, zu siegen und zu überleben. Die Intelligenz, die sie zur Unorthodoxie befähigt, wann immer es anders nicht geht, was man am besten an dem mörderischen Fechtkünstler Wenczel illustrieren kann, gegen den Modesty, den Degen in der Hand, anzutreten hat. Er sei vielleicht der größte Meister seines Fachs auf der Welt, warnt Willie sie. Ja, bekommt er zur Antwort, aber denk doch mal, was für Grenzen ihm das setzt.

Ebensowenig wie die Bösewichte in diesen Romanen größenwahnsinnige Welteroberer à la Blofeld sind, sondern Verbrecher, die es in erster Linie aufs Geld abgesehen haben und dabei über Leichen gehen, ebensowenig ist Modesty Blaise je ein weiblicher James Bond gewesen. Auch hat sie nie gegen die Russen oder die gelbe Gefahr gekämpft, sondern eigentlich immer nur für ihre Freunde. Wohl aber kann man sagen, daß diese Selfmade-Frau, den Männern in allen Bereichen überlegen, in den sechziger Jahren ihrer Pallas-Athene-Geburt aus O'Donnells Kopf das Zeug zu einer Ikone der Emanzipation gehabt hätte, zu der sie es zumindest hierzulande aber nie brachte. Vielleicht, weil sie aus ihrer ironischen Zuneigung für das realiter schwächere Geschlecht ebensowenig ein Hehl machte wie aus ihrer spezifisch weiblichen Lust am Schönsein und schönen Dingen. Daß Modesty, wenn die Leichen der Gegner auf der Walstatt liegen, sich kurz an Willies Schulter ausweinen muß, um ihren Gefühlshaushalt ins reine zu bringen, wurde ihr dann von teutonischen Emanzen gewiß auch als Inkonsequenz ausgelegt. Die Zielgruppe dieser Romane ist eher in den letzten Reservaten eines romantischen Machotums zu suchen, das längst Abschied vom Glauben genommen hat, den Frauen das Wasser reichen zu können, aber sich ihnen gegenüber trotzdem gerne noch so ritterlich und galant zeigt wie in den guten alten Zeiten.

Der Leser als Süchtiger

Die Romane um Modesty Blaise sind, gestehen wir das ruhig und besten Gewissens, zutiefst moralische Geschichten. Für heutige Verhältnisse politisch unkorrekt insofern, als sie dem Bösen nicht mit heimlicher Faszination gegenüberstehen und das Gute im Grunde für langweilig erachten. Nein, Modesty und Willie haben eine ebenso nüchterne wie alttestamentarische Moral und lassen für den Verbrecher keine mildernden Umstände gelten. "Paxero müßte verrückt sein, um solche Dinge tun zu können . . . Nein, nicht verrückt, nur vollkommen ruchlos."

Von Berufs wegen gezwungen, immer genau zu verstehen, warum etwas mich fasziniert, grüble ich nun schon seit Tagen, was ich eigentlich so liebe an diesen Büchern. Gewiß ist O'Donnell ein unübertroffener Meister des "Wie sollen sie hier um Himmels willen wieder rauskommen?", seine Plots halten einen in Atem, seine Dialoge haben Witz, die Nebenfiguren sind lebendig und glaubwürdig. Aber all das gibt es auch anderswo. Ich glaube, das Besondere ist eine Art Pippi-Langstrumpf-Syndrom. Modesty und Willy sind Leute, die man gerne zu Freunden hätte. Nicht, weil sie ein Pferd hochstemmen können, sondern weil sie zu leben wissen, weil ihre Tage erfüllt sind, weil sie frei sind und ihre Freiheit sinnvoll nutzen, weil sie alle die Dinge beherrschen, die man wirklich brauchen kann im Leben, weil es mit ihnen nie langweilig wird, höchstens einmal lebensgefährlich, weil sie in jeder Lebenslage für ihre Freunde da sind, weil ihre Beziehung die Quadratur des Geschlechterkampf-Kreises ist und weil sie in ihrer moralischen Integrität unsere eigenen besseren Eigenschaften stärken. Und schließlich stehen einige gute Überlebenstips in diesen Büchern: Ähnlich wie Frank Schätzings Roman "Der Schwarm" manche seiner Leser vor dem Tsunami gerettet hat, rechne ich mir dank der Lektüre der Modesty-Blaise-Bücher gute Chancen aus, im Falle eines Falles in der Wüste überleben zu können, vorausgesetzt, ich habe, wie Willie Garvin, eine Keksdose und eine Plastikfolie zur Hand.

Mit "Modesty Blaise - Die Klaue des Drachens" (272 Seiten, 9,90 Euro) beginnt der Unionsverlag Zürich die Neuausgabe von Peter O'Donnells Romanen in überarbeiteten Übersetzungen. Von Michael Kleeberg erschien zuletzt das Reisetagebuch "Das Tier, das weint" (DVA).

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2005

Das Knistern gehört zur Patina
Ikone der Pulp-Kultur: Peter O’Donnells Modesty Blaise-Romane erscheinen endlich wieder auf Deutsch
Der Film „Pulp Fiction” brach 1994 radikal mit den Sehgewohnheiten des Hollywood-Kinos. John Travolta stirbt darin einen trivialen Tod auf einer Toilette, der so gar nicht in die Tradition des amerikanischen Gunfighter-Kinos passt: Mit heruntergelassenen Hosen erwischt ihn eine Garbe aus der Maschinenpistole von Bruce Willis. Der Grund, warum Travolta als Profikiller Vincent Vega auf dem stillen Örtchen alle Vorsicht vergessen hatte, war ein Roman, in den er versunken war. Als sich der Pulverdampf verzieht, und der Getroffene in seinem Blut zu Boden sinkt, kann man für eine Sekunde auf dem Buchdeckel den Namen der Frau lesen, der Travolta tatsächlich zum Opfer fiel: „Modesty Blaise - Die tödliche Lady” von Peter O’Donnell.
Travolta ist vielleicht das prominenteste, bei weitem aber nicht das einzige Opfer dieser Dame. Schon ihr Name, den man eher auf einem Boesch-Boot auf dem Lago Maggiore vermuten würde, ist ausgesprochen halbseiden. Ihre Herkunft ist es nicht minder. Die exotische Schönheit mit dem sinnlichen Mund und dem durchtrainierten Körper wurde irgendwo zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer geboren, Genaueres ist nicht bekannt. Die spärlichen Dossiers der Geheimdienste wissen von Spionagetätigkeit in den Bordellen Nordafrikas, einem als „das Netz” berüchtigten internationalen Syndikat, großangelegtem Diamantenschmuggel und einem umfassenden Arsenal von Hieb-, Stich- und Feuerwaffen. Die Dame ist kein unbeschriebenes Blatt, doch verstand sie es, sich rechtzeitig in einem noblen Londoner Vorort zur Ruhe zu setzen. Wenn sie doch einmal wieder zu ihren exotischen Waffen greift, dann entweder aus reiner Gefälligkeit gegenüber dem Secret Service, oder um den verhassten Drogendealern das Handwerk zu legen. Oftmals aber einfach nur zum Vergnügen. Modesty Blaise, deren Abenteuer nun erstmals wieder auf Deutsch lieferbar sind, ist aber weit mehr als nur ein Charakter aus einem Comicstrip.
Bilder im Drogenrausch
Als solchen hatte sie ihr leiblicher Vater, der Storyliner und Autor Peter O’Donnell, 1963 angelegt. Modesty Blaise kam im Alter von 25 Jahren als Titelheldin eines gleichnamigen daily comic strip zur Welt, den erstmals die britische Tageszeitung Evening Standard druckte - und vier Jahrzehnte lang in täglichen Folgen fortsetzte. Die Federzeichnungen von Jim Holdaway folgten einer klaren, grafischen Linie und erinnerten an Storyboards für den Film. In Deutschland sind die Comics dagegen rar geblieben. Die Alben aus den siebziger und neunziger Jahren (Carlsen) sind heute von Sammlern gesucht, ebenso die „Agent X9”-Sammelbände (Illu Press), in der man Modestys Abenteuer unter dem irreführenden Pseudonym „Jessie Fox” finden kann.
Der erste Modesty-Film von 1966 mit Monica Vitti in der Titelrolle wird heute allenfalls wegen des jazzigen Soundtracks von John Dankworth geschätzt. Das weitgehend handlungsfreie Feuerwerk aus assoziativen Bildern muss man wohl als charakteristisches Zeugnis einer Epoche verstehen, die gerade psychoaktive Drogen entdeckte. Gestalten mit überdimensionierten Cognacschwenkern torkeln dämonisch durch eine futuristische Landschaft, dann fegen unvermittelt arabische Reiterhorden durchs Bild. Beim Publikum fand das spätsurrealistische Bilderkino keine Gnade und auch zwei geplante Fernsehserien scheiterten: Paramount kam über den Pilotfilm nicht hinaus, bei ABC blieb das Drehbuch gleich in der Schublade.
Zuletzt versuchte sich O’Donnell-Fan Quentin Tarantino an der Modesty-Saga. Sein 2003 produzierter Low-Budget-Film (Regie: Scott Spiegel) kam allerdings nicht in die deutschen Kinos. „My Name Is Modesty”, mit der eher unbekannten Alexandra Staden in Osteuropa gedreht und jetzt in der englischen Originalfassung auf DVD erhältlich, erzählt nach Art eines Kammerspiels Modestys Kindheitsgeschichte, frei nach einer Anekdote des ehemaligen Weltkriegssoldaten Peter O’Donnell: Flüchtlingskind lernt in Krieg und Wildnis das Überleben und gerät an einen alten Meister, der sie Lesen und Schreiben, Fremdsprachen und das Kämpfen lehrt.
Harte Tritte, gute Manieren
Seinen größten Erfolg hatte der Comicautor O’Donnell, der vor wenigen Wochen in England seinen 85. Geburtstag feierte, als Schriftsteller. Elf Romane und zwei Erzählbände widmete er Modesty Blaise, die Auflage der in sechzehn Sprachen übersetzten Bücher wird auf einige Millionen geschätzt. In Deutschland könnte die Starkarriere der Frau mit den „mitternachtsblauen Augen” neu beginnen, denn die vergriffene Romanreihe erscheint nun in einer deutschen Neuausgabe (soeben erschien: Modesty Blaise: Die Klaue des Drachen. Union Verlag, Zürich 2005. 272 Seiten, 9,90 Euro). Hier müssen Modesty und ihr Sidekick Willie Garvin ein Trio infernale ausschalten, das einen Maler auf eine versteckte Insel entführt. Ihre guten Manieren sind den beiden Helden nicht im Wege, wenn es darum geht, mit gezielten Kopfschüssen oder wohl platzierten Tritten ihre Gegner ein für allemal auszuschalten. Denn bei aller Liebe zu Jensen-Sportwagen, Schaumwein, klassischer Musik und den schönen Dingen des Lebens, sind die beide Helden alles andere als zimperlich.
Dabei steht ihnen die ganze Trickkiste eines James Bond, Matt Helm oder Derek Flint zur Verfügung: Verfolgungsjagden in selbstgebastelten Flugmaschinen, Unterwasserkämpfe mit Mini-U-Booten, Lasergewehre und Messerklingen in Gürtelschnallen gehören zu Modesty Blaise wie die Tasse Tee zu Miss Marple. Ganz nebenbei zieht Zeitgeist vorüber: In den Sixties recherchiert Modesty undercover im Hippiemilieu nach Purple Heart-Pillen, in den Siebzigern übt sie sich im Trendsport Drachenfliegen und auch die sexuelle Revolution geht nicht spurlos an ihr vorüber. Wenn aber der gewiefte Ein- und Ausbrecher Willie plötzlich den Abwasch erledigt oder der sexuell selbstbewussten Amazone nach einem haarsträubenden Kampf liebevoll die geröteten Fesseln massiert, wird klar, warum manche in ihr eine frühe Ikone des Feminismus suchen. Zweifellos aber steht Modesty Blaise, seinerzeit Darling der britischen Mod-Bewegung, in einer Reihe mit den Möbeln eines Eero Aarnio oder den Modeentwürfen eines Paco Rabanne: als zeitloser Klassiker der Popkultur, deren Wiederentdeckung sich ebenso lohnt wie die einer alten Schallplatte von Henry Mancini. Das leise Knistern gehört nun mal zur Patina.
BODO MROZEK
Die Dame mit den mitternachtsblauen Augen und dem durchtrainierten Körper, gezeichnet von Jim Holdaway
Foto: Titan Books
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Kult, purer Kult" seien die zwischen 1963 und 2001 als Comic erschienenen Heldentaten von Modesty Blaise, die außerdem zu elf Romanen angeregt haben, informiert uns Tobias Gohlis. Nun freut er sich maßlos über deren Neuausgabe durch den Zürcher Unionsverlag, habe die schlagkräftige und -fertige, Schurken besiegende und danch ihre Liebhaber bekochende "stahlzarte" Heldin doch "quasi polare Bedeutung" für die Entwicklung seiner "Jungmännerträume" gehabt, wie der Rezensent zugibt. Modesty setzt ihre Fähigkeiten im ersten Band der neuen Edition gegen einen irren Priester ein, ist zu erfahren, aber der Plot scheint angesichts der Verzückung des Rezensenten über die Protagonistin nebensächlich zu sein. Gohlis verwendet lieber noch ein paar Zeilen seines knapp bemessenen Platzes, um Ex-Gesundheitsministerin Andrea Fischer zu zitieren, die Modesty Blaise zur Postfeministin avant la lettre bestellt sieht.

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