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Die Gespenster der Vergangenheit - eine Begegnung auf Leben und Tod
Sami Baran, in der Türkei politisch verfolgt, verschlägt es ins Exil nach Schweden. Als er erkrankt und in eine Stockholmer Klinik eingeliefert wird, begegnet er dort einem alten, schwer kranken Mitpatienten. Wie Sami selbst stammt auch er aus der Türkei. Er kommt ihm bekannt vor - wo nur hat er ihn zuvor schon gesehen? Was Sami zunächst nur vermutet, wird bald zur Gewissheit: Der gebrechliche Alte war einst ein mächtiger Beamter und erteilte den Befehl zur Erschießung von Samis Geliebter und zu seiner Folterung im…mehr

Produktbeschreibung
Die Gespenster der Vergangenheit - eine Begegnung auf Leben und Tod

Sami Baran, in der Türkei politisch verfolgt, verschlägt es ins Exil nach Schweden. Als er erkrankt und in eine Stockholmer Klinik eingeliefert wird, begegnet er dort einem alten, schwer kranken Mitpatienten. Wie Sami selbst stammt auch er aus der Türkei. Er kommt ihm bekannt vor - wo nur hat er ihn zuvor schon gesehen? Was Sami zunächst nur vermutet, wird bald zur Gewissheit: Der gebrechliche Alte war einst ein mächtiger Beamter und erteilte den Befehl zur Erschießung von Samis Geliebter und zu seiner Folterung im Gefängnis.
Was soll er nun tun? Sich zu erkennen geben? Ein Eingeständnis der Schuld verlangen? Sich rächen? Die Wunden der Vergangenheit brechen auf.
Zülfü Livaneli, der selbst mehrere Jahre in Schweden im Exil lebte, wurde für diesen eindrücklichen Roman 2001 mit dem Yunus Nadi Novel Award ausgezeichnet.
Autorenporträt
Livaneli, Zülfü
Zülfü Livaneli, geboren 1946 in Ankara, wurde als Sänger und Komponist international berühmt. Er hat zu über dreißig Filmen die Musik geschrieben und rund dreihundert Lieder komponiert, mit denen er in Europa und in den USA aufgetreten ist. Für sein Schaffen als Filmregisseur und als Autor hat er mehrere Preise erhalten. Seit 1995 ist Livaneli UNESCO-Botschafter, seit 2002 Mitglied des türkischen Parlaments und im Europarat Repräsentant der Türkei. Er lebt in Ankara.

Riemann, Wolfgang
Wolfgang Riemann, geboren 1944, studierte Turkologie und Islamwissenschaften. Er konzentriert sich u. a. auf die Literatur von Türken in und über Deutschland und ist Autor von Studien zum Thema sowie einer Bibliografie zur türkischen Deutschlandliteratur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2006

Der hilflose Henker
Zülfü Livanelis Roman über die türkische Militärdiktatur

Vulkane schleudern Steine aus, Revolutionen Menschen. Victor Hugos Aperçu eignet sich gut als Motto zu Zülfü Livanelis Roman mit dem etwas rätselhaften Titel "Katze, Mann und Tod". Livaneli erzählt die Geschichte eines Mannes, der ohne eigenes Zutun in die bürgerkriegsähnlichen Zustände in der Türkei am Ende der siebziger Jahre verwickelt wird. Der Verhaftung und Folter folgt das schwedische Exil, das Livaneli aus eigener Erfahrung kennt. Livaneli läßt zwei Versionen der Geschichte nebeneinanderstehen, die des Schriftstellers, ebenfalls ein politischer Flüchtling, und die des Romanhelden, der "korrigierend eingreift" und den Leser über die wahren Vorkommnisse aufklären soll.

Somit erfahren wir bald, daß Sami Baran das Gegenteil eines politisch engagierten Akteurs ist, eher ein Gleichgültiger, wie so viele ängstlich bemüht, die Terrorjahre der Straßenschlachten, der Plünderungen, Attentate und Morde in der Unauffälligkeit zu überleben. Wie dies unmöglich wird, zeigt die Tatsache, daß bereits das Tragen eines Parkas oder die Begeisterung für den russischen Regisseur Stanislawski anstatt für Brecht oder der Besitz eines alten VWs genügt, um jeweils als "Bolschewik" oder als "bourgeoises Schwein" zu gelten. Als dann die Armee putscht, um der Anarchie ein Ende zu setzen, wird das Land mit Verhaftungen überzogen. Eine bleierne Zeit beginnt, wo ein Verdacht bereits die Verurteilung bedeuten kann.

So gerät Samis Verlobte Filiz aufgrund ihrer kurdischen Herkunft und der unverhohlenen Sympathie für linke Studentenversammlungen (die Sami Baran, wohlbemerkt, ablehnt) ins Visier der Terroristenjäger. Während einer Autofahrt mitten in Istanbul wird ihr Wagen von Soldaten beschossen. Filiz' Schädel fliegt durch die Luft, Sami verliert das Bewußtsein; als er zu sich kommt, sitzt er in einer Folterzelle. Er soll die Zugehörigkeit zu einer "Organisation" zugeben und seine Verlobte als Terroristin denunzieren. Nach der Haft und einem Scheinprozeß bekommt Sami Baran einen falschen Paß und flieht nach Stockholm. Hier setzt der deklariert "romaneske" Teil der Erzählung mit einer Begebenheit an, die Sami Baran in die schwedische Klinik führen wird, wo seine Vergangenheit ihn auf grotesk-unwahrscheinliche Weise einholt.

Während einer halsbrecherischen Autofahrt auf einer vereisten Landstraße verliert Sami Baran die Kontrolle über seinen Wagen. Daraufhin wird er Opfer einer Halluzination. Die große Hirschkuh, die er überfahren und getötet haben soll, erweist sich als ein Hirngespinst. Im Krankenhaus, in das er eingeliefert wird, erfährt Baran beiläufig von der Anwesenheit eines anderen türkischen Patienten. Es handelt sich um einen alten Mann mit einem Gehirntumor. Bald findet Baran heraus, daß dieser Mensch derjenige ist, den er in seinem ganzen Leben am meisten verabscheut hat, ein ehemaliger türkischer Staatsbeamter, der Hauptverantwortliche für die Inhaftierungen und Folterungen nach dem Militärputsch. Später erfährt man, daß er derjenige war, der seinen Mitpatienten gefoltert hat.

Dieser alte, todkranke, hilflose Mann liegt vor Baran, dessen erster Gedanke der leicht möglichen Rache gilt. Doch statt dessen entwickelt sich so etwas wie eine Beziehung wider Willen zwischen dem Henker von einst und seinem Opfer: Die gemeinsame Sprache, die gemeinsame Vergangenheit, das Exil, die Krankheit, die Angst vor dem Tod verbinden diese zwei Menschen. Dem dramatischen Finale in der Version des Schriftstellers, in dem der alte Mann hingerichtet wird, stellt der Romanheld seine nüchterne Resignation vor dem Geheimnis von Leben und Tod gegenüber. Er wird den alten Mann seinem Schicksal überlassen, er wird ihm sogar sein erbärmliches Leben retten.

Nun muß um des wundersamen Romantitels willen auch ein Wort über die Katze verloren werden, mit der Baran lebt, deren Wesen er geradezu annehmen will, nach Jahren der "hündischen" Servilität und Naivität. Diese schwedische Katze mit dem Aussehen einer Baal-Göttin ist ebenfalls ein Phantom, mit dem Sami Baran seine Flüchtlingstage verbringt in einem Land, das ganz anders aussieht als in den Romanen Knut Hamsuns. Sie wird verschwinden wie die Hirschkuh und der alte Mann, sobald die schöne Chilenin aus dem Flüchtlingshaus am See Samis Flüchtlingsschicksal mit der Banalität des Glücks erleuchten wird.

Zülfü Livaneli ist einer der berühmtesten und einflußreichsten "Engagés" der Türkei und auch im Ausland ein sehr beachteter Regisseur und Liedermacher. Leider teilt er nicht seines Helden Skepsis gegenüber jenen kultivierten Exilanten, die "unbedingt schreiben müssen". Dem Leser mag es ergehen wie Sami Baran, der auch nicht so recht weiß, "ob dieser Roman gut ist und einen literarischen Wert" hat. Schuld daran ist hauptsächlich dessen Konzept: Es handelt sich weniger um eine "neue Form des Romans" als um eine handwerklich ziemlich plumpe Konstruktion, die ihrer Geschichte auch dramatisch nicht gut bekommt. Natürlich bilden die "handschriftlichen Notizen" den interessanteren Teil des Buches. Wie kommt es nur, daß weder der etwas einfältige, fiktive Autor noch der echte, hochgescheite aus diesem interessanten Stoff einen gelungenen Roman hat machen können?

CLARA BRANCO

Zülfü Livaneli: "Katze, Mann und Tod". Roman. Aus dem Türkischen übersetzt von Wolfgang Riemann. Unionsverlag, Zürich 2005. 190 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Interessante Geschichte, doch leider "plump" konstruiert, heißt es unmissverständlich bei Rezensentin Clara Branco. Und dies, obwohl der Roman durch seine zwei Erzähler, den Helden und einen fiktiven Autor, nicht weniger als eine "neue Form" mit zwei Versionen propagiere. Nach Inhaftierung und Folter, skizziert Branco den Plot, flieht der politisch linke Sami Baran aus der Türkei der späten siebziger Jahre und lebt im schwedischen Exil, wo ihn seine traumatischen Erfahrungen einholen. Diesmal wacht Baran aber nicht in einer Folterzelle, sondern im Krankenhaus auf, und ein anderer türkischer Patient entpuppe sich just als ehemaliger türkischer Staatsanwalt. An dieser Stelle, informiert Branco weiter, greife der fiktive Autor, wie im ganzen Roman, "korrigierend" ein und sorge für eine "dramatische" Hinrichtung des hilflosen Staatsanwalts, während der Held eher "resigniert" auf das "Geheimnis von Leben und Tod" reagiere und sich eine Beziehung zwischen Henker und Opfer entwickle. Gelungener und interessanter als diese Konstruktion sind aus Sicht der Rezensentin die als "handschriftlichen Notizen" deklarierten Passagen des Romans. Zülfü Livanelli, so die Rezensentin, sei ein bekannter Regisseur und Liedermacher und gehöre zu den 'engagierten' türkischen Künstlern mit Exilerfahrung. Hier habe er sich rätselhafterweise unter Wert verkauft.

© Perlentaucher Medien GmbH
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