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Das Jahr 1933 mit der 'Machtergreifung' durch die Nationalsozialisten war für den damaligen Bonner Theologieprofessor Karl Barth ein Zeit der Entscheidungen. Das dokumentiert eindrucksvoll die Sammlung seiner Briefe aus diesem verhängnisvollen Jahr. Die Entscheidungen bedeuteten auch Scheidungen - im Verhältnis zu den bisherigen Weggefährten Gogarten, Brunner u. a., aber dann auch in Bezug auf die beiden großen Gruppierungen der Deutschen Christen und der Jungreformatorischen, die in diesem Jahr hervortraten und miteinander im Streit lagen. Barth musste damit rechnen, nur noch wenig Zeit bis…mehr

Produktbeschreibung
Das Jahr 1933 mit der 'Machtergreifung' durch die Nationalsozialisten war für den damaligen Bonner Theologieprofessor Karl Barth ein Zeit der Entscheidungen. Das dokumentiert eindrucksvoll die Sammlung seiner Briefe aus diesem verhängnisvollen Jahr. Die Entscheidungen bedeuteten auch Scheidungen - im Verhältnis zu den bisherigen Weggefährten Gogarten, Brunner u. a., aber dann auch in Bezug auf die beiden großen Gruppierungen der Deutschen Christen und der Jungreformatorischen, die in diesem Jahr hervortraten und miteinander im Streit lagen. Barth musste damit rechnen, nur noch wenig Zeit bis zu seiner Absetzung zu haben, die dann tatsächlich 1935 erfolgte. Zunächst ziemlich einsam, entschied er sich, ohne Kompromisse für das eine zu kämpfen: dass die evangelische Kirche die Kirche Jesu Christi bleibe. Die kommentierten Briefe dieses Jahres, u.a. an Baillie, Bonhoeffer, v. Bodelschwingh, Dibelius, Gogarten, Hesse, Maury, McFarland und Thurneysen, aber auch an Reichskanzler Hitler und Reichsminister Rust, vertiefen das Bild dieses einzigartigen Theologen und Kopfes der Bekennenden Kirche.
Autorenporträt
Eberhard Busch, Jahrgang 1937, studierte Theologie und war von 1965 bis 1968 als Assistent von Karl Barth tätig. Später arbeitete er als Pfarrer in Uerkheim, Aargau, und als Professor für Reformierte Theologie in Göttingen. Karl Barth (1886-1968) studierte Theologie in Bern, Berlin, Tübingen, Marburg und war von 1909 bis 1921 Pfarrer in Genf und Safenwil. Mit seiner Auslegung des Römerbriefes (1919, 1922) begann eine neue Epoche der evangelischen Theologie. Dieses radikale Buch trug ihm einen Ruf als Honorarprofessor nach Göttingen ein, später wurde er Ordinarius in Münster und Bonn. Er war Mitherausgeber von 'Zwischen den Zeiten' (1923-1933), der Zeitschrift der 'Dialektischen Theologie'. Karl Barth war der Autor der 'Barmer Theologischen Erklärung' und Kopf des Widerstands gegen die 'Gleichschaltung' der Kirchen durch den Nationalsozialismus. 1935 wurde Barth von der Bonner Universität wegen Verweigerung des bedingungslosen Führereids entlassen. Er bekam sofort eine Professur in Basel, blieb aber mit der Bekennenden Kirche in enger Verbindung. Sein Hauptwerk, 'Die Kirchliche Dogmatik', ist die bedeutendste systematisch-theologische Leistung des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Hißt die Schweizer Fahne!
Karl Barth in seinen Briefen von 1933 / Von Eberhard Jüngel

Krisen kennzeichnen im ersten Monat des entscheidungsträchtigen Jahres 1933 das Leben des Bonner Theologieprofessors Karl Barth. Bisherige theologische Kampfgenossen werden von ihm - mal mehr, mal weniger höflich - unter Häresieverdacht gestellt, die Ehekrise spitzt sich zu, die Grippe verwandelt das Haus in ein Spital, das von Charlotte von Kirschbaum kompetent betreut wird; und "während sich dies bei uns vollzog, ist im deutschen Reich Hitler ans Ruder gekommen". Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten beunruhigt den Theologen allerdings fast noch weniger als die Grippe. "Ich glaube nicht", teilt er der Mutter im fernen Bern mit, "daß dies in irgend einer Richtung den Anbruch großer Neuigkeiten bedeuten wird."

Doch am letzten Tag desselben Jahres kündigt Barth bereits zum zweiten Mal vorsorglich den Mietvertrag für seine Bonner Wohnung, weil man ihm aus Berlin signalisiert hatte, daß seine Entlassung aus dem Professorenamt "beschlossene Sache" sei. Bis zur Amtsenthebung Barths ging dann zwar noch mehr als ein Jahr ins Land. Doch bis Ende 1933 waren bereits so viele ihm nahestehende Kollegen aus verschiedenen deutschen Universitäten vertrieben worden, daß er in einem Brief an Martin Rade seine bis dahin halbwegs unangefochtene Existenz im nationalsozialistischen Deutschland nicht ohne einen gewissen Galgenhumor mit Ludwig Uhland kommentiert: noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht . . . "du kennst die Fortsetzung". Im Laufe des Jahres hatte sich Barths auf die politischen und kirchenpolitischen Verhältnisse gerichtetes Okular immer schärfer eingestellt.

Der Theologische Verlag Zürich hat, nachdem innerhalb der Karl-Barth-Gesamtausgabe bereits Offene Briefe aus den Jahren 1909 bis 1935 und der dritte Band des Briefwechsels mit Eduard Thurneysen aus den Jahren 1933 bis 1935 erschienen waren, gut daran getan, Barths im Jahre der "Machtergreifung" geschriebenen Briefe zu drucken und sie durch einige in seinem Auftrag verfaßte und einige private Briefe Charlotte von Kirschbaums zu ergänzen. Nicht aufgenommen wurden nur solche Briefe, "die sehr persönliche Situationen von Adressaten betreffen" - wie der Herausgeber, der Göttinger Emeritus Eberhard Busch, im Vorwort mitteilt. Busch hat unter maßgeblicher Mitarbeit von Bartold Haase und Barbara Schenk den Briefen, soweit nötig, knappe Einführungen vorangestellt, die Anlaß und Anliegen des jeweiligen Schreibens skizzieren. Erläuternde Anmerkungen, einige zum Verständnis einzelner Briefe hilfreiche Anhänge, eine Zeittafel, ein informationsreiches Personenregister und ein Begriffsregister steigern den Wert des Briefbandes, in den sich nicht nur Fachtheologen, sondern auch Politologen, nicht nur Experten für Zeitgeschichte, sondern auch solche für Kulturgeschichte, nicht nur Klatschbasen - auch sie kommen auf ihre Kosten -, sondern alle, die mit Ernst Christen, aber erst recht auch solche, die mit Ernst Atheisten sein wollen, mit Gewinn vertiefen werden.

Barths Briefe versetzen den Leser in Staunen, und das in mehrfacher Hinsicht. Da stellt sich zunächst ein ganz äußerliches Staunen über die ungeheure Arbeits- und Produktionskraft dieses Mannes ein. Neben theologiegeschichtliche und dogmatische Vorlesungen treten in diesem Jahr wegen der Entlassung des Bonner Neutestamentlers K. L. Schmidt exegetische Kollegs, neben die systematischen Seminare und Sozietäten treten, um auf dem Gebiet der praktischen Theologie nicht den "Deutschen Christen" das Feld zu überlassen, homiletische Übungen. Daneben geht die Arbeit an der kirchlichen Dogmatik zwar langsam, aber beharrlich weiter. Dazu kommen nicht nur die üblichen akademischen Pflichten, sondern Treffen und Konferenzen, in denen es um den Kurs der evangelischen Kirche im "Dritten Reich" geht.

Man staunt je länger je mehr über die theologische Kompromißlosigkeit, mit der Barth sich gegenüber Gegnern und Freunden zu Wort meldet. Der Dogmatiker diagnostiziert eine in den kirchenpolitischen Fehlentscheidungen jener Tage zutage tretende theologische Fehlorientierung, welche aus der Theologie heimlich oder offen eine "Lebenslehre" macht, die "Glaube und Volk", "Gnade und Natur", "Offenbarung und Vernunft" zu einer die Wahrheit des Evangeliums entstellenden Synthese zu vereinigen sucht. Deshalb sind nach Barths Urteil rein kirchenpolitisch argumentierende Bewegungen gegen die Gleichschaltung von Kirche und Staat auch nicht wirklich hilfreich. Der Dogmatiker wittert auf allen Seiten eine charakterlose Prinzipienlosigkeit, an der die Kirche zugrunde zugehen droht. "Auf flaue Bindestrich-Theologie, wie sie auch und gerade für die sog. Jung-Reformatorischen bezeichnend ist, läßt sich keine Kirche gründen, die von der der Deutschen Christen anders als durch sekundäre Differenzen geschieden wäre." Barth kündigt die bisherige wirkungsgeschichtlich beachtliche Gemeinschaft mit den anderen Vertretern der "dialektischen Theologie" auf. Er sieht sich lieber einsam werden, als faule theologische Kompromisse zu schließen, die doch nur eine ihrerseits faule Freundschaft zu erhalten geeignet sind.

Und Barth wurde einsam. Aber er wirkte. Sein unter dem Titel "Theologische Existenz heute" am 1. Juli veröffentlichtes "Wort zur Lage", das er auch Adolf Hitler zukommen ließ, war innerhalb von vierzehn Tagen in vier Auflagen mit zwölftausend Exemplaren verbreitet und löste eine Flut von beinahe hundert dankbaren Zuschriften aus. Das "Wort zur Lage" wirkte, weil der Autor "zur Sache" redete.

Zur Sache zu kommen ist die sich durchhaltende Aufforderung, mit der Barth seine Kirche provozierte. Gerade dann würde sie auch politisch angemessene Entscheidungen treffen können. Dazu gehört nicht zuletzt "die Judenfrage", die für ihn wiederum eine primär theologische Frage ist, im Blick auf die er aber in einer Anmerkung zum Entwurf des von dem kurzfristig amtierenden Reichsbischof Friedrich von Bodelschwingh und anderen verfaßten "Bethler Bekenntnis" kritisch fragt, ob ein solches Bekenntnis nicht auch zu der "bürgerliche Behandlung, die man den Juden im heutigen Deutschland systematisch zuteil werden läßt", Stellung nehmen müsse.

Der Leser staunt aber auch über die verschiedenen Tonlagen, die dem Briefe schreibenden Theologen zur Verfügung stehen. Da gibt es neben der dem Dogmatiker geschuldeten Sprache scharfer Antithetik auch die werbende, ja bittende behutsame Sprache des Seelsorgers, der weiß, was er seinen Studenten, seinen Kollegen, der "Obrigkeit", aber auch seiner Mutter und selbst seiner von ihm in eine unmögliche Situation manövrierten Ehefrau schuldig ist. Behutsam urteilt er auch über die von ihm nur als ultima ratio bejahte Möglichkeit eines Weges in die Freikirche. Seinem "alten Feind" Otto Dibelius bezeugt er, als auch dieser von seinem kirchlichen Amt entfernt wird, mehr als nur Respekt. Der spätere Bischof hatte sich ihm wegen seiner Weigerung, auch sich gleichschalten zu lassen, und wegen des dabei gezeigten "Schneids" imponiert. Umgekehrt fordert Barth den aus seiner Berliner Privatdozentur auf ein Auslandspfarramt in London dislozierten Dietrich Bonhoeffer geradezu beschwörend auf, mit dem nächsten Schiff auf seinen Posten in Berlin zurückzukehren: "Nun, sagen wir mit dem übernächsten!" Ein Brief mit Folgen! Bonhoeffer ließ sich überzeugen, wurde Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche und engagierte sich im politischen Widerstand. Kurz vor Kriegsende wurde er im KZ Flossenbürg umgebracht.

Auch eine gewisse Diplomatie ist wahrnehmbar, obwohl Barth selber weiß, daß er kein "geborner Diplomat" ist. Dieselbe Frage - wie etwa die der SPD-Mitgliedschaft oder die des Hitlergrußes - kann im Blick auf den einen Briefpartner so und im Blick auf einen anderen in perspektivischer Abwandlung anders verhandelt werden. Bei aller Grundsätzlichkeit will Barth doch von Prinzipienreiterei nichts wissen. Bei aller theologischen Kompromißlosigkeit wird er doch niemals so abstrakt, daß er die konkrete Individualität der anzuredenden Personen aus den Augen verlöre.

Auch sich selbst behält er, freilich eher augenzwinkernd, im Auge. Und so staunt man denn nicht zuletzt auch über den sich selbst in angespanntesten Situationen durchhaltenden Witz und Humor, der sich auf einer breiten Skala von feiner Ironie, befreiender Selbstironie, Basler Spott bis hin zu galligem und zu schwarzem Humor bewegt. Als die Beflaggung aller Häuser mit der Hakenkreuzfahne insinuiert wird, entscheidet er sich, eine möglichst große Schweizerfahne zu kaufen. Und angesichts des immer totalitärer sich inszenierenden Hitler-Staates, dem sich auch der Bremer Philosoph Hinrich Knittermeyer hat gleichschalten lassen, bemerkt er: "Es geschehen gegenwärtig . . . auf dem Gebiet der Gleichschaltung die größten und herrlichsten Wunder, so . . . daß ich mich . . . kaum mehr wundern würde, wenn etwa eines Morgens auch unser Kanarienvogel oder auch unsere Schildkröte ihr Füßlein zum deutschen Gruß und ihr Stimmlein zu dem entsprechenden ,Heil' erheben sollten."

Sei es im Fall des beinahe übermütigen Scherzes, sei es im Fall bittersten Ernstes: Barths Briefe aus dem Jahr 1933 sind ein sehr persönliches und doch zugleich überaus sachliches Zeugnis für die - von ihm immer wieder apostrophierte - Freiheit des Evangeliums. Selbst die auch heute noch reichlich vorhandenen Intimfeinde des "Kirchenvaters des 20. Jahrhunderts" können aus diesen Briefe einiges lernen. Und die sogenannten Barthianer erst recht.

Karl Barth: "Briefe des Jahres 1933". Herausgegeben von Eberhard Busch unter Mitarbeit von Bartold Haase und Barbara Schenk. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2004. 683 S., br., 30,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Für den Theologen Karl Barth war das Jahr 1933 in mehr als einer Hinsicht "entscheidungsträchtig". Er wandte sich ab von bisherigen "theologischen Kampfgenossen", seine Ehe war in einer schweren Krise, und Hitler kam an die Macht. Die Briefe Karl Barths aus dieser Zeit können mehr als eine Neugier befriedigen, wie der Rezensent Eberhard Jüngel anmerkt: Neben den Theologen ist das auch für "Experten für Zeit- und Kulturgeschichte" wie auch für "Klatschbasen", Christen und ernsthafte Atheisten interessant. Alle dürften sie ins "Staunen" geraten, über die Produktivität Barths, aber auch über seine "theologische Kompromisslosigkeit", die ihn recht bald zu einem eher einsamen Menschen gemacht hat. Zuletzt überzeugt Barth aber auch als Schreibkünstler, der die unterschiedlichsten Tonlagen beherrscht. Bestens ergänzt werde der Band durch erläuternde Anhänge, Kommentare, eine Zeittafel und ein "informationsreiches" Sach- und Personenregister.

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